09.08.2023 13:11:56
REISEN IN EURASIEN
Von Johann von Arnsberg
ängst vorbei die Zeiten, in denen nach Maßgabe der chinesischen KP Urlaubsreisen generell als konterrevolutionär angesehen wurden, weil sie als ein Relikt aus den Zeiten der Bourgeoisie galten. Schon 1997 begann die Volksrepublik damit, die Ausreisebestimmungen für ihre Menschen zu lockern.
In der vorliegenden Untersuchung, die als Diplomarbeit verfasst wurde und in Kürze auszugsweise in einem Sammelband des Münchner Oldenbourg-Verlags erscheint, erfährt man: Pässe wurden nach dieser Liberalisierung der Reisemöglichkeiten in dringenden Fällen „schon innerhalb von zehn Tagen ausgestellt“, während es vordem die begehrten Reisedokumente erst nach endlosen Wartezeiten und einem gehörigen Papierkrieg gegeben hatte.
Freilich kann nur reisen, wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt. Die Autoren schreiben: „Zur Jahrtausendwende wurden die Auslandsreisen dann endgültig zum Statussymbol der wohlhabenden Reichen und das Ausstellen eines Reisepasses verkürzte sich generell auf 15 Tage bei gleichzeitiger Verminderung der vorzuweisenden Dokumente.“
Die Volksrepublik China versucht, die Reiseströme ihrer Bürger zu lenken. Dafür hat sie das ADS-System entwickelt. Die Abkürzung steht für „Approved Destination Status“ oder auch „Authorized Destination Status“. Es bedeutet, dass Chinesische Pauschaltouristen nur in Länder reisen dürfen, die als Reiseziele von der Regierung freigegeben wurden. Möchte ein Chinese in ein Land reisen, das nicht auf der Liste dieser ausgewählten Länder steht, „so ist dies zwar möglich, aber dann gilt er offiziell nicht als Freizeittourist“, schreiben die Autoren. Das bedeutet, dass Passformalitäten und Visumangelegenheiten sich äußerst schwierig gestalten.
„Das ADS-System hingegen erlaubt es den Chinesen, ihre Privatpässe dafür zu verwenden, ein Touristenvisum für ein Land zu beantragen, das für den Besuch von der Regierung freigegeben wurde.“ Für die Reise selbst gibt es allerdings auch wieder Bedingungen: „Die Touristen sind dazu verpflichtet, sich einer Gruppe von mindestens fünf Personen anzuschließen (einschließlich eines chinesischen Betreuers) und einer vorher festgelegten Route zu folgen.“
Zur Erlangung des ADS-Status ist für jedes Land ein bilaterales Abkommen mit China nötig, das individuell mit der „China National Tourism Administration“ (CNTA) ausgehandelt werden muß. Die CNTA ist ein Ministerium, das direkt dem Staatsrat untersteht.
Der Vorteil für Länder die den ADS-Status besitzen, ist, dass sie damit zum offiziellen Reiseland für chinesische Pauschaltouristen ausgewiesen sind. Reisende aus China benötigen künftig nur noch das ADS-Visum. Damit können sie alle Länder Europas besuchen, die sich dem Schengener Abkommen angeschlossen haben. Eine Europareise wird so für Touristen aus China wesentlich unkomplizierter und damit noch weit interessanter als bisher. Eine Vorliebe der chinesischen Gäste ist es, Europa in zehn Tagen zu erleben. Die Chance, solche Pläne in die Tat umzusetzen, ist nun gegeben, so daß in Zukunft die Touristenströme aus China kräftig anschwellen dürften.
1999 besaßen erst 15 Länder den ADS-Status, heute sind es über 50. Im Jahr 2004, so wurde von der Deutschen Tourismus-Zentrale geschätzt, konnten sich etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas eine Auslandsreise leisten. Nach chinesischen Angaben wird über Fernreisen erst ab einem Jahreseinkommen von über 4.000 US-Dollar nachgedacht. Das entspricht immerhin bereits einer Anzahl von 70 bis 80 Millionen Menschen.
Die Autoren Weyhreter und Yang zitieren Schätzungen der WTO, wonach China im Jahr 2020 das Land sein wird, das weltweit mit fast 140 Millionen die meisten Touristen pro Jahr erwarten kann. Im Gegenzug sollen über 100 Millionen Chinesen in den ADS-Ländern Urlaub machen können.
In einer umfangreichen Erhebung analysieren Weyhreter und Yang die „Zufriedenheit chinesischer Touristen mit den Bedingungen ihrer Europarundreisen“. Sie haben dazu vier Reisegruppen befragt. Am zufriedensten waren die Reisenden aus China demnach mit den Einkaufsmöglichkeiten. „Die schöne Landschaft wirkte sich ähnlich positiv auf die Gesamtzufriedenheit aus, wie der Umstand gesehen zu haben, wie Menschen in einem anderen Land leben und die Tatsache, neue Orte besucht zu haben“, schreiben die Autoren über weitere Ergebnisse ihrer Untersuchung. Deutlich unzufrieden seien die chinesischen Touristen dagegen mit dem Essen gewesen. Das habe nicht nur westliche, sondern auch chinesische Restaurants betroffen.
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„Die Chinesen kommen“ von Björn Weyhreter und Kezhu Yang, Fachhochschule Heilbronn, Hochschule für Technik und Wirtschaft, 2005, 347 Seiten.
Die Autoren erreichen Sie unter: bwbwbw@web.de
Siehe dazu auch EM 09-04: „Die Chinesen kommen“.
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