Fünfsterne-Hotel auf RädernRUßLAND

Fünfsterne-Hotel auf Rädern

Fünfsterne-Hotel auf Rädern

Der „Grand Express“, Rußlands erster Privatzug, pendelt zwischen Moskau und St. Petersburg. Die Schickeria des Landes ist begeistert von der neuen Art des Reisens, für den Großteil der Russen aber ist eine Fahrt unerschwinglich

Von Anna Litvinenko

Eine Zugbegleiterin überprüft eines der Luxusabteils – im „Grand Express“ muß alles stimmen.  
Eine Zugbegleiterin überprüft eines der Luxusabteils – im „Grand Express“ muß alles stimmen.  

M an könnte meinen, im „Moskauer Bahnhof“ von St. Petersburg fände ein Model-Wettbewerb statt: Der Bahnsteig wird zum Laufsteg, wenn die Zugbegleiterinnen des „Grand Express“ Aufstellung vor ihren Waggons nehmen. Eine sieht besser aus als die andere und mit ihren rot-weißen Uniformen stellen sie die Stewardessen der meisten Fluggesellschaften locker in den Schatten. Der „Grand Express“ ist die neueste Errungenschaft der russischen Reichen und Superreichen. Alles ist hier nur vom Feinsten.

Zwei Männer in teueren Anzügen steigen ein und nehmen ihr Abteil in Beschlag. Sie klappen das große Sofa aus, bewundern das separate Badezimmer mit eigener Dusche, Toilette und Fußbodenheizung, das Sattelitenfernsehen, den Internetzugang und die vielen Kleinigkeiten, die zu ihrem Luxusabteil gehören. Später lassen sie das elektronische Schloß einrasten und begeben sich in den Barbereich des Zuges. Während in normalen Schlafwagenzügen kaninchenstallartige Enge herrscht, wird im russischen „Grand Express“ mit der Ressource Platz verschwenderisch umgegangen.

Erste Klasse als Minimum

  St. Petersburg – Moskau. Der „Grand Express“ pendelt täglich zwischen den beiden großen Metropolen Russlands.
  St. Petersburg – Moskau. Der „Grand Express“ pendelt täglich zwischen den beiden großen Metropolen Russlands.

Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig steht ein bißchen verloren der Zug „Roter Pfeil“, der seit Jahren auf der Strecke Moskau - St. Petersburg verkehrt und bislang als Nonplusultra in Sachen Komfort galt. Gegen den „Grand Express“ sieht er nun alt aus. Rußlands erster Privatzug ist seit August zwischen Moskau und St. Petersburg unterwegs. Seine Eigentümer preisen ihn nicht zu Unrecht als „Fünfsterne-Hotel auf Rädern, das seinesgleichen auf der Welt sucht.“ Die Abteile sind in den Kategorien „Grand de Lux“, „Grand“, „Premium“ und „1. Klasse“ zu buchen, darunter geht es nicht.

Die begehrte Lizenz für den privaten Eisenbahn-Passagierverkehr hat sich die russische Firma „Grand Service Express“ AG gesichert, die bereits seit 2002 sogenannte V.I.P.-Waggons in den normalen Zügen der Russischen Föderation und der übrigen GUS-Staaten betreibt. Der neue Zug ist das erste Beispiel für eine Privatisierung im russischen Eisenbahnnetz. Igor Lewitin, der russische Verkehrsminister, erklärte bei der Vorstellung der neuen Zugverbindung Anfang August, daß weitere Privatisierungsprojekte in Planung seien. Im Jahr 2007 soll dazu eine staatliche „Föderale Passagierfirma“ gegründet werden.

Das riesige Rußland ist ein Bahnland. Zwischen den einzelnen Großstädten ist man lange unterwegs. Zwischen Kaliningrad im äußersten Westen und Wladiwostok im äußersten Osten beträgt die reine Fahrzeit mindestens sieben Tage. Legendär ist die Transsibirische Eisenbahn, wenn auch nicht gerade wegen ihres hohen Komforts. Investoren winkt hier ein lukrativer Markt.

„Unsere Zielgruppe ist die Elite der Gesellschaft.“

Zugbegleiterin Oxana Zagorodnaja ist zuständig für den nächtlichen Umtrunk.  
Zugbegleiterin Oxana Zagorodnaja ist zuständig für den nächtlichen Umtrunk.  

„Man merkt gleich, wie sehr sich unsere Kunden von denen der anderen Züge unterscheiden“, sagt Grand-Express-Zugbegleiter Wladimir Logutow ein bißchen hochnäsig. „Sie sind sehr gebildet!“ Früher hat der 42jährige Logutow Züge voller Arbeiter nach Sibirien begleitet. Nun fühlt er sich in eine andere Galaxie versetzt. „Das ist ein Luxuszug, damit ist alles gesagt“, erklärt Olga Kiselewa, die eigens angestellte Pressesprecherin des „Grand Service Express“. „Unsere Gäste werden vor allem Geschäftleute sein, unsere Zielgruppe ist die Elite der Gesellschaft“.

Daß der Zug nicht für einfache russische Bürger gedacht ist, zeigen schon die Preise. Der Fahrschein für das „Grand-de-Lux“-Abteil (mit zwei Liegeplätzen) kostet 12.500 Rubel (355 Euro), das ist fünfmal mehr, als ein Flug St. Petersburg – Moskau kosten würde und 18mal teuerer als eine Karte der russischen Staatsbahn für die selbe Strecke. Die billigste Fahrt mit dem „Grand Express“ kostet 3150 Rubel (90 Euro). Dies entspricht in etwa dem Monatslohn eines russischen Lehrers.

Trotz der gewaltigen Preise reißen sich die Leute um die Fahrkarten: Der erste „Grand Express“ war lange vor dem Abreisetag ausgebucht. Und auch nach der Jungfernfahrt ist die Auslastung hoch: „Heute waren 17 der 18 Plätze in meinem Waggon besetzt“, rechnet Zugbegleiter Logutow stolz vor.

Große Nachfrage trotz horrender Preise

  Grand Express
  Die beiden „Grand Express-Züge“ verkehren täglich. Abfahrt in Moskau ist um 23.24 Uhr, in St. Petersburg um 23.47 Uhr. Beide Züge erreichen ihr Ziel um 8.30 Uhr am nächsten Morgen.

Die Preise sind in vier Kategorien aufgeteilt: „Grand de Luxe“ (355 Euro), „Grand“ (260 Euro), „Premium“ (170 Euro) und 1. Klasse (90 Euro).

Die Fahrkarten können an den Abfahrtbahnhöfen in Moskau und St. Petersburg erstanden werden. Man sollte einige Tage im voraus reservieren.

1,2 Milliarden Rubel (34 Millionen Euro) wurden in den Luxuszug investiert. Die Summe soll sich innerhalb von sieben Jahren amortisieren, erklärt Pressesprecherin Kiselewa. Die staatliche Eisenbahn verdient ebenfalls gut an der neuen Eisenbahnbegeisterung in Rußlands Oberschicht. Sie erhält für die Nutzung ihrer Infrastruktur in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich 816 Millionen Rubel (ca. 23 Mio. Euro).

Auch die ersten ausländischen Touristen haben den Luxuszug bereits für sich entdeckt, obwohl sie nicht unbedingt zur Hauptzielgruppe gehören. „Neulich waren bei uns fünf Waggons mit einer italienischen Delegation belegt,“ erzählt Zugbegleiter Logutow. „Und gestern habe ich auch deutsche Stimmen gehört: Ich hatte doch Deutsch in der Schule. Leider können wir uns mit Ausländern meist nur über Gesten verständigen, aber sie zeigen sich immer sehr zufrieden.“

Englisch-Kenntnisse werden von den Zugbegleitern nicht unbedingt verlangt, bestätigt Olga Kiselewa. Auch der französische Name der Betreibergesellschaft ist eher ein Marketinggag, schließlich steht bei den russischen Neureichen westlicher Schick hoch im Kurs. Die Jedenfalls sind mit dem Service sehr zufrieden: „Ich fahre schon zum zweiten Mal mit diesem Zug, er gefällt mir einfach“, sagt Wladimir, ein Geschäftsmann, der seinen Nachnamen nicht sagen will. „Es ist erfreulich, daß es in Rußland immer mehr Leute gibt, die sich so einen Luxus leisten können.“

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Anna Litvinenko ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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