„Gearbeitet wie ein Sklave auf einer Galeere“PUTINS BILANZ

„Gearbeitet wie ein Sklave auf einer Galeere“

„Gearbeitet wie ein Sklave auf einer Galeere“

Auf der letzten großen Pressekonferenz vor dem Ende seiner Präsidentschaft geizte Putin nicht mit Selbstlob. Der Kreml-Chef zeichnete das Bild eines stabilen Staates mit einer zufriedenen Bevölkerung. Russische Journalisten stellten nur vorsichtige Fragen.

Von Ulrich Heyden

„Galeeren-Sklave“ Wladimir Putin bei seiner letzten Pressekonferenz als Präsident  
„Galeeren-Sklave“ Wladimir Putin bei seiner letzten Pressekonferenz als Präsident  

Würde man die Länge von Pressekonferenzen zum Maßstab nehmen, dann wäre Russland das demokratischste Land der Welt. Vier Stunden und vierzig Minuten antwortete Wladimir Putin gestern im Kreml auf  Fragen von über 1.000 Journalisten aus dem In- und Ausland. Russland sei nach den Zerfallserscheinungen in den 90er Jahren heute ein stabiler Staat mit einer zufriedenen Bevölkerung. Er selbst habe acht Jahre lang „wie ein Sklave auf einer Galeere“ gearbeitet und „kein normales, menschliches Leben“ geführt. Aber er sei „zufrieden“ mit seinem Resultat. Nach der Wahl des neuen Präsidenten am 2. März will Putin in das Amt des Ministerpräsidenten wechseln.

Die russischen Journalisten waren äußerst vorsichtig. Fragen zum Defizit an Demokratie und Pressefreiheit wurden erst gar nicht gestellt. Ob der Präsidentschaftswahlkampf in Russland wirklich fair abläuft, scheint nur ausländische Korrespondenten zu interessieren. Die russischen Journalisten nehmen es offenbar hin, dass das Ergebnis der Wahl vorbestimmt und nur eine Pflichtübung gegenüber Putins Kronprinz Dmitri Medwedjew ist.

Gute Wirtschafts-Daten

Traditionell beginnt Putin seine Pressekonferenzen mit den Wirtschaftszahlen. Mit einer Wachstumsrate von 8,1 Prozent liege Russland weltweit im vorderen Feld. Der Anteil der Bevölkerung, die in Armut lebt, sei in den letzten acht Jahren von 30 auf 14 Prozent gesunken, die realen Einkommen hätten sich um 10,4 Prozent erhöht. Der Kreml-Chef räumte allerdings ein, dass die guten makroökonomischen Ziffern sich nicht alle bei den Bürgern schon auswirken. Selbstkritisch gestand er auch ein, dass der Kampf gegen die Inflation (zurzeit 11,9 Prozent), „effektiver“ hätte geführt werden können. Das Gerücht in Russland stehe eine Rubel-Abwertung bevor, bezeichnete er jedoch als Unsinn. Russland habe mit einem Stabilitätsfond von 153 Milliarden. Dollar und Goldreserven von 500 Milliarden Dollar genug Mittel um Wirtschaftskrisen abzufedern. Fazit: Die wirtschaftliche Situation in Russland hat sich unter Putin verbessert. Es bleiben aber Risiken für die Zukunft.

Erfolge in der Sozialpolitik

Putin erklärte, die „nationalen Programme“ zur Förderung von Landwirtschaft, Krankenhäusern, Schulen und Wohnungsbau würden weitergeführt. Dass Russland auf einigen Gebieten zurückgefallen sei, sei auch eine Chance, weil man jetzt für Krankenhäuser und landwirtschaftliche Betriebe „die modernste Ausrüstung“ kaufen und dabei „mehrere Entwicklungsstufen überspringen“ könne. Die Programme zur Geburten-Förderung seien erfolgreich. Im letzten Jahr habe man die höchste Geburtenziffer seit 15 Jahren erreicht.

An den Schulen dominiere „der Kult von Geld und Gewalt“, erklärte eine russische Journalistin. Unter den Jugendlichen gäbe es keine moralischen Werte. „Nicht alles sieht so apokalyptisch aus“, antwortete der Kreml-Chef. Fazit: Es gibt Versuche die soziale Situation zu verbessern, doch für die Rentner und abgelegene Regionen sieht die Lage nach wie vor düster aus.

Opposition geduldet

Putin erklärte, er achte die Führer der beiden Oppositionsparteien, den Nationalisten Wladimir Schirinowski und den KP-Chef Gennadi Sjuganow. Beide kandidieren auch zu den Präsidentschaftswahlen. Dass sie „Patrioten“ sind, hätten die beiden Politiker beim Kampf gegen den Terrorismus bewiesen.

Dass eine Vielzahl von Parteien zu Instabilität führt, sähe man in der Ukraine. Offenbar seien die Menschen in Russland zufriedener mit ihrer Regierung als in Deutschland, wie die Wahlerfolge der ehemaligen Kommunisten dort zeigten.

Russland werde sich bei der Wahlbeobachtung der Präsidentschaftswahlen an die Verpflichtungen halten, die man im Rahmen der OSZE eingegangen sei. Man werde sich aber von niemand vorschreiben lassen, wie viele Wahlbeobachter für welchen Zeitraum zugelassen werden. Russland hat hundert Wahlbeobachter eingeladen. Fazit: Putin möchte selbst bestimmen, was Demokratie ist. Die im Westen üblichen Demokratie-Standards lehnt er ab.

Russland und der Westen

Im Westen heiße es, „Russland habe Probleme mit der Demokratie“, doch niemand habe die Polen und Tschechen gefragt, ob sie eine Raketen-Abwehr wollen und niemand frage die Ukrainer ob sie in die Nato wollen. „Bestimmte Kräfte“ im Westen schürten eine „antirussische Stimmung“, um dann Raketen stationieren zu können. Russland mache keine „aggressive Politik“, sei aber „verpflichtet“, auf die amerikanische Raketen-Abwehr zu reagieren. Wenn die Ukraine Nato-Mitglied wird, werde sie zum Zielgebiet russischer Raketen. Mit dem Abrüstungs-Vertrag zu konventionellen Waffen, den Russland im Gegensatz zu den westlichen Staaten ratifiziert habe, sei man ein „koloniales Verhältnis“ eingegangen, weil man an den Grenzen zu den europäischen Nachbarstaaten Truppen auf dem eigenen Territorium zurückgezogen habe. Inzwischen hat Russland den Vertrag aufgekündigt. Wenn der Westen das Kosovo anerkenne, werde Russland reagieren. Russland werde seine „Interessen schützen“. Details wollte Putin nicht verraten. Dass der Westen Nord-Zypern nicht als unabhängigen Staat anerkennt, zeige, dass es „doppelte Standards“ gibt. Fazit: Was die Sicherheitspolitik betrifft spricht Putin eine andere Sprache als der Westen. Den Konflikt zum Kosovo und der Raketenabwehr will er aber nicht ausufern lassen.

Die Nachfolge-Regelung

Er sei „niemals in Versuchung“ gewesen, eine dritte Amtszeit anzustreben, obwohl es zahlreiche entsprechende Bitten aus dem ganzen Land gegeben habe und er habe nie eine „Abhängigkeit von der Macht verspürt“, erklärte Putin. Zu seinem Nachfolge Dmitri Medwedjew habe er „volles Vertrauen.“ Er sei „ehrlicher und progressiver Mensch“. Putin erklärte, dass er sich an die Verfassung halte, die nur zwei Amtszeiten zulässt, sei eine „prinzipielle Frage“. „Russland soll ein Rechtsstaat sein.“ „Ich will arbeiten“, erklärte Putin. Und „es gibt Möglichkeiten zu arbeiten“, womit der Kreml-Chef auf seinen neuen Posten als Ministerpräsident anspielte. Über die genaue Arbeitsverteilung werde er sich mit seinem Nachfolger einigen. Putin erklärte, er achte die Meinung seiner Mitarbeiter und habe seine persönliche Meinung nach Gesprächen mit Beratern schon oft korrigiert. Fazit: Konflikte zwischen Putin und seinem Nachfolger, Dmitri Medwedjew, sind nicht zu erwarten. Möglicherweise wird Putin aber 2012 wieder für das Präsidentenamt kandidieren.

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