Glück in der TaigaLUFTFAHRT

Glück in der Taiga

Was tun Piloten eines Passagierflugzeuges, wenn in 10.000 Meter Höhe plötzlich die Stromversorgung ausfällt? In der nordrussischen Taiga brachten Piloten eine havarierte Tupolew mit 81 Menschen an Bord sicher zur Erde.

Von Ulrich Heyden

Diesen 7. September werden die Passagiere einer Tupolew 154 nie vergessen. Nach Moskau waren es noch zwei Stunden. Vier Stunden war die „Tuschka“, wie die Maschine im russischen Volksmund heißt - bereits vom sibirischen Jakutien unterwegs. Den Piloten blieb über den Wäldern der russischen Taiga keine Zeit lange zu überlegen. Die Stromversorgung und damit auch die Navigation waren komplett ausgefallen. Die vier Piloten mussten nun mit eigenen Augen nach einem Flugplatz suchen. Die Stewardessen erklärten den 72 beunruhigten Passagieren, es sei nichts Besonderes passiert, man müsse nur die Besatzung auswechseln.

Die Suche über den Wäldern der nordrussischen Taiga hatte schließlich Erfolg. In der Region Komi - in der Nähe des Dorfes Ischma - fanden die Piloten einen Militärflugplatz, der auf keiner Karte verzeichnet war. Da die Instrumente ausgefallen waren und sich auch die Bremsklappen nicht ausfahren ließen, konnten die Piloten ihre „Tuschka“ erst nach dem dritten Versuch mit erhöhter Geschwindigkeit landen.

Die „Tuschka“ schlug  eine tiefe Schneise in den Wald

Die Maschine setzte gut auf, raste dann aber über die Landebahn hinaus in einen Wald. Wie durch ein Wunder wurde das Flugzeug nur leicht beschädigt, obwohl es eine 250 Meter lange Schneise in den Wald geschlagen hatte. „Ich würde den Kommandeur zum Helden ernennen, dafür was er getan hat“, meinte der erstaunte Chef der Verwaltung von Ischma, der sich noch daran erinnerte, dass vor zehn Jahren das letzte Kurzstreckenflugzeug  in Ischma gelandet war. Das Mittelstreckenflugzeug Tupolew 154 braucht eigentlich eine Landebahn von 2.000 Metern, doch die Landesbahn von Ischma ist nur 1.200 Meter lang.

Kurz vor der Landung kam das Entsetzen über die Passagiere, erzählte der Reisende Andrej Kondrjatew der Komsomolskaja Prawda. Der Blick nach draußen war einfach zu schrecklich. Die Flügel der Tupolew hätten die Baumspitzen abrasiert, „wie ein Rasenmäher“.  Als die Maschine dann endlich im feuchten Waldboden stand und die Räder leicht im Wasser einsanken, habe es vor den Ausgängen eine Panik gegeben. Eine Reisende habe ihren Schäferhund auf andere Passagiere losgelassen. Doch dann hätten sich die Überlebenden beruhigt und seien einzeln über die Notrutschen auf die Erde gelangt. Niemand wurde verletzt. Im Sportkomplex von Ischma wurden die Geretteten dann von Ärzten und Psychologen mit Broten, Tee und Cognac beruhigt.

Präsident Lech Kaczynski verunglückte mit dem gleichen Typ

Nach Medienberichten gab es am Flugzeug nur kleinere Beschädigungen an den Tragflächen und der Verkleidung der Triebwerke. Die Flugzeuge vom Typ Tupolew 154 würden weiter eingesetzt, erklärte Aleksandr Neradko, Sprecher der russischen Luftfahrtbehörde. Bei dem Stromausfall handele es sich um einen „einmaligen Vorfall“. Die Komsomolskaja Prawda hatte berichtet, dass die Notlandung in der Taiga nun schon der fünfte Zwischenfall mit einer Tupolew 154 in diesem Jahr war. Im April dieses Jahres war der polnische Präsident Lech Kachinski mit einer Maschine gleichen Typs bei Smolensk abgestürzt. Vertreter der Fluggesellschaft Alrosa, der die Unglücksmaschine gehört,  erklärten, Testpiloten sollten nun ein zweites Wunder bewirken und die havarierte Maschine wieder in die Luft bringen. Alrosa gehört dem gleichnamigen staatlichen Diamantenkonzern. Der ist ein Global Player und auch in Afrika aktiv.

Die Unglücksmaschine auf youtube

Die Tupolew 154 war das am meisten eingesetzte Mittelstreckenflugzeug der Sowjetunion. Zwischen 1968 und 1998 wurden 935 Maschinen dieses Typs gebaut. Insgesamt ereigneten sich mit der Maschine bislang 69 Unfälle. Auf die auch von russischen Bloggern erhobene Forderung, die Piloten des notgelandeten Flugzeugs als „Helden Russlands“ auszuzeichnen, hat der Kreml bisher nicht reagiert. Der User ” poka4anu” stellte eine Aufnahme der gelandeten Maschine ins Internet. Zu sehen unter http://www.youtube.com/watch?v=5cETl4Ed3-Q Das Flugzeug wurde inzwischen aus dem Wald geschleppt. Es steht auf der von Unkraut überwucherten Rollbahn. Bei Redaktionsschluss hieß es, von dort solle es nach einer technischen Überholung wieder starten - trotz kurzer Startbahn.

Russland

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker