Gluhbirnen fur den ZarenRUßLAND

Gluhbirnen fur den Zaren

Der Technologiekonzern Siemens ist seit 150 Jahren in Rußland aktiv

Von Ulrike Fischer

EM – Als Siemens vor 150 Jahren nach Rußland kam, stand die Firma zu Hause vor dem Bankrott. „Der russische Markt hat dem Unternehmen das Leben gerettet“, so Vorstandsvorsitzender Heinrich von Pierer zum Jubiläum. Heute ist jede dritte technische Anlage zwischen Wladiwostok und Smolensk von dem Technologiekonzern ausgestattet. Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierten kürzlich während eines Festaktes in der St. Petersburger Philharmonie zum runden Jubiläum.

Ob Turbinen, Straßenbeleuchtung oder Mobiltelefone: Siemens ist seit 150 Jahren in Rußland vertreten. Eine Telegrafenleitung mit 75 Stationen zwischen St. Petersburg und Moskau war der Einstieg in das andauernde Geschäft. Wenig später hat das Unternehmen eine eigene Filiale an der Newa gegründet. Die damalige Siemens & Halske Telegraphen-Bau-Anstalt verlegte über 9.000 Kilometer Telefondrähte vom Norden bis ans Schwarze Meer. Im St. Petersburger Winterpalais des Zaren installierten Elektriker 1887 mit 12.000 Glühlampen die seinerzeit größte Lichtquelle der Welt. Zeitweise hatte Siemens hier 4.000 Mitarbeiter beschäftigt und der russische Anteil am Geschäftsvolumen übertraf im 19. Jahrhundert sogar den einheimischen Markt. Nach der Oktoberrevolution beschränkte sich der Konzern nur auf Export und wendete sich erst vor zehn Jahren wieder Richtung Osten. „Besser als zwei neue Freunde ist ein alter“, sagte Siemens-Vorstand Heinrich von Pierer vor Partnern und Mitarbeitern der Auslandsvertretung. „Wir knüpfen mit unseren russischen Partnern Stück um Stück an alte Erfolge an.“

Ein Konzern mit vielseitigem Angebot: Sicherheitsanlagen, Navigationssysteme, Mobilfunk...

Heute ist Siemens mit 1.500 Mitarbeitern in über 30 Regionen des Riesenstaates vertreten. „Unsere Standorte sind quer durch das ganze Land verstreut“, sagte die Generaldirektorin von Siemens in Rußland Agnesa Frantik. Bisher habe der Technologieproduzent hier 100 Millionen Euro investiert. Der russische Unternehmenszweig setze mit einem Umsatz von 800 Millionen Euro im Jahr jedoch nur ein Prozent vom gesamten Geschäftsvolumen des in 190 Ländern agierenden Konzerns um, so Frantik. Über die Hälfte davon erwirtschafte die Niederlassung mit Kommunikationstechnik. So hat Siemens die weltweit längste Richtfunkstrecke von Moskau ins ostsibirische Chabarowsk errichtet. „Vor kurzem sind wir zur Volksmarke der Russen gewählt worden,“ zitiert die tschechische Mathematikerin aus einer Konsumentenbefragung.

Rechtzeitig zum Jubiläum konnten die Siemens-Manager eine digitale Vermittlungsstation für 40.000 Telefonanschlüsse an die Stadt St. Petersburg übergeben. Am selben Tag wurde beim Treffen des deutschen Verkehrsministers Manfred Stolpe mit seinem Amtskollegen Sergej Frank die Beteiligung des Industriegiganten an nationalen und bilateralen Verkehrsprojekten besprochen. So könnte Siemens schon bald sämtliche Sicherheitsanlagen russischer Flughäfen installieren und die Navigationssysteme in russischen Häfen verbessern. Auch bei der Modernisierung von Eisenbahn und Nahverkehr mache sich Siemens stark, betont der Vorstandsvorsitzende. Ein Beispiel seien die energiesparenden Flughafenzubringer zum Moskauer Flughafen Domodjedowo.

Heinrich von Pierer sieht für seinen Konzern in Rußland weiterhin ein großes Feld: Von Anlagen zur Meerwasserentsalzung über mobile Funksysteme und feste Kommunikationsnetze bis hin zu Ferndiagnose und der Überwachung von Klimaänderungen seien Siemens-Systeme einsetzbar. „Arbeitsverwaltung und Steuerwesen werden durch Automatisierung kontrollierbar“, so der fränkische Volkswirt. „Gerade einem riesigen Land wie Rußland nützen Innovationen im Steuer- und Meldewesen.“ Bisher habe der Konzern rund 20 Ministerien und Behörden mit Computern ausgestattet. Allein im russischen Innenministerium seien 17.000 rechnergestützte Arbeitsplätze vernetzt worden.

Präsident Putin: „Partner wie Siemens brauchen wir noch mehr“

Bisher hat Siemens automatisierte Gasleitungen für den Energiemulti Gasprom an das Schwarze Meer verlegt und Rohrsysteme geschaffen, die vom Polarkreis bis in die EU reichen. Seit zehn Jahren arbeitet das Unternehmen mit dem Telekommunikationsanbieter MTS auf dem russischen, dem weißrussischen und dem ukrainischen Markt zusammen. Jüngstes Projekt ist die Entwicklung eines Off-Road-Motors, ein Joint Venture mit der Siemenstochter VDO, dem größten russischen Motorenhersteller ZNZ und der Avtel-Gruppe. Das Design des Einspritz-Diesel-Motors wird im Herbst freigegeben, ab 2004 soll die Produktion der Zwei- und Drei-Liter-Motoren für jährlich 500 Millionen Euro Umsatz sorgen. Im kommenden Jahr ist für 100 Millionen Euro der Bau eines Verwaltungsgebäudes in Moskau geplant. In der neuen Zentrale soll der Wissenstransfer koordiniert werden – ein Bereich, der Direktinvestitionen immer weiter in den Hintergrund drängen werde, so Vorstandschef von Pierer.

„Partner wie Siemens brauchen wir noch mehr“, betont Präsident Wladimir Putin, der die erste Niederlassung vor zehn Jahren in St. Petersburg mit eröffnet hatte. Er unterstrich den gegenseitigen Nutzen beider Länder vom kontinuierlichen Engagement deutscher Firmen in Rußland. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstrich den gegenseitigen Gewinn, den beide Staaten aus ihrer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ziehen könnten: „Siemens symbolisiert die deutsch-russischen Beziehungen, die sehr schwere Zeiten überdauern mußten“, so Schröder vor den Mitarbeitern und Partnern des Konzerns in St. Petersburg.

Russland Wirtschaft

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