Illegale Gastarbeiter als ArbeitssklavenRUSSLAND

Illegale Gastarbeiter als Arbeitssklaven

In Russland häufen sich die Fälle von Sklavenarbeit. Wie die Einwanderungsbehörde erklärt, gibt es in Russland fünf bis sieben Millionen illegale Gastarbeiter aus Zentralasien, dem Kaukasus und Moldawien, davon sind nach Einschätzung von Menschenrechtlern Tausende gehalten wie Sklaven, eine Rückkehr der Leibeigenschaft.

Von Ulrich Heyden

  Russland braucht Arbeitskräfte
  In den letzten 15 Jahren hat sich die Bevölkerung Russlands um fünf Millionen Menschen auf 142 Millionen Einwohner vermindert. In Russland fehlt es an qualifizierten Arbeitskräften. Die russische Regierung hat deshalb die Einwanderungsbestimmungen liberalisiert. Moskauer Postämter geben jetzt in einem vereinfachten Verfahren Aufenthaltsgenehmigungen für Gastarbeiter aus. „Die Reform kommt zu spät“, meint die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina. Inzwischen hätten sich stabile illegale Netzwerke von Polizisten, illegalen Vermittlungsbüros, Beamten und skrupellosen Baufirmen gebildet. „Die Baufirmen sind nicht an offiziell registrierten Gastarbeitern interessiert, denn die sind dann rechtlich geschützt.“

Gastarbeiter sollen in Russland nicht sesshaft werden. Sie sind nur geduldet, werden aber im öffentlichen Leben nicht geachtet. „Aufstände wie in Paris wird es in Russland nicht geben“, erklärt der Leiter der russischen Migrationsbehörde, Konstantin Pomodanowski gegenüber dem Moskauer Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“. Man brauche Gastarbeiter aber „China Towns lassen wir bei uns nicht zu.“ Tatsächlich es gibt in Moskau heute noch keine Bezirke, wo nur Gastarbeiter und Migranten leben. Aber die Moskauer Stadtverwaltung hat neue Pläne. Wie kürzlich bekannt wurde, will die Stadtverwaltung Gastarbeiter verstärkt in Metall-Containern unterbringen. Das habe den Vorteil, dass die Moskauer vor gefährlichen Krankheiten geschützt seien, erklärte Alexej Aleksandrow, der Leiter des städtischen Komitees für die Beziehungen mit den Regionen. „Ein großer Teil der Gastarbeiter“ habe bekanntlich „gefährliche Krankheiten“.

A uf einem Industriegelände im Dorf Tschulkowo, südöstlich von Moskau, schlug kürzlich eine Sondereinheit der russischen Polizei zu. Sie befreite 49 Usbeken, welche von kriminellen aserbaidschanischen Sklavenhaltern gefangen gehalten wurden. Die Kriminellen hatten den Usbeken die Pässe abgenommen. Die Arbeiter bekamen seit Monaten keinen Lohn. Ihnen wurde erklärt, sie müssten ihre „Schulden“ für ihre Reise nach Russland abarbeiten. Wer aufmuckte, wurde zusammengeschlagen. Fünf Usbeken müssen wegen der Zwangsarbeit längere Zeit medizinisch behandelt werden. Wie die Nachrichtenagentur Ria Nowosti mitteilte, wurden zwei Aserbaidschaner verhaftet. Ihnen droht eine Anklage wegen Freiheitsberaubung und Sklaverei. Darauf stehen Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren.

Dreizehn der befreiten Arbeitssklaven gaben zu Protokoll, dass man sie in Usbekistan angeworben und auf illegalem Wege nach Russland gebracht habe. Das Industriegelände, auf dem die Arbeiter 12 bis 14 Stunden am Tag Obst und Gemüse für Moskauer Märkte sortierten, durften die Usbeken nicht verlassen. Mehrere gefangene Frauen seien von den Kriminellen zu Sex gezwungen worden.

Scheinerschießung im Wald

Der Fall aus dem Dorf Tschulkowo ist keine Ausnahme. Im März berichtete die Enthüllungsjournalistin Soja Swetowa in der „Nowyje Iswestija“ von einem ähnlichen Fall, der sich in der südlich von Moskau gelegenen Stadt Orjol zutrug. Dort hielt der ehemalige Mafiosi, Aleksej Prygunow, der über seine Schwester mehrere Autowaschanlagen betreibt, 40 usbekische Arbeitssklaven, die er im Akkord Autos waschen ließ, aber nicht bezahlte. Die Arbeiter hatte Prygunow sich über einen Mittelsmann, einen Polizisten aus Usbekistan, kommen lassen. Bei der Ankunft in Orjol nahm Prygunow den Gastarbeitern Pässe und  Handys ab. Dann erklärte er, sie müssten jetzt mehrere Monate die Kosten für ihre Anwerbung und Registrierung „abarbeiten“. Wer sich beschwerte, wurde mit einem Baseball-Schläger verprügelt. Es kam auch vor, dass Arbeiter, die aufmuckten, zu einer Schein-Erschießung in einen Wald geführt wurden. Dort wurde ihnen befohlen, ihr eigenes Grab auszuheben.

Prygunow fühlte sich sicher, denn der ehemalige Mafiosi gehörte inzwischen zur besseren Gesellschaft der Stadt. Er ist heute Mitglied im städtischen Komitee gegen Korruption. Jetzt steht der ehrenwerte Autowäscher vor Gericht. Irgendwie hatten es seine usbekischen Arbeiter doch noch geschafft, den Geheimdienst FSB anzurufen. Wie die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina im Gespräch erklärte, deute vieles darauf hin, dass es derartige Praktiken von  Versklavung auch in Moskau gibt.

Mauern und verputzen für 486 Euro im Monat

Wie die US-Regierung in ihrem letzte Woche veröffentlichten Trafficking-Bericht für 2008 erklärte, gibt es in Russland eine Million Arbeitssklaven. Die russische Regierung tue nicht genug, um gegen diese Missstände vorzugehen. Immerhin wurden in Russland im Jahre 2007 139 Fälle von Menschenhandel untersucht. 45 Menschenhändler wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, darunter auch ein Beamter.

In Moskau leben heute nach offiziellen Angaben 10,5 Millionen Menschen, davon sind nach Schätzungen ein bis zwei Millionen Gastarbeiter. Ein Großteil von ihnen ist nicht registriert, weil sie über illegale Vermittlerfirmen nach Moskau geschleust wurden. Sozialabgaben werden für diese Arbeiter nicht gezahlt. Wer krank wird oder einen Unfall hat, muss selbst sehen, wie er weiter kommt. An den billigen und völlig rechtlosen illegalen Arbeitskräften verdienen nicht nur die Bau-Unternehmer, sondern auch die Leiharbeitsfirmen und nicht selten auch die Polizisten, welche beide Augen zudrücken, dafür aber ein Schmiergeld verlangen.

Omar aus Dagestan ist einer der Arbeiter, der in Moskau Hochhäuser baute. Der etwa 30jährige kräftige Mann hat Betonwände gegossen, Wände verputzt und danach gemauert. Wie  anderen Arbeitern auch wurde ihm von der Baufirma Don Stroj mehrere Monate lang kein Lohn gezahlt. Deshalb kam es 2005 zu einem Streik, über den sogar in der Duma debattiert wurde.

Ein Bauarbeiter bei Don Stroj verdient heute im Monat 18.000 Rubel (486 Euro). „Wenn jemand auf eigene Rechnung auf dem Bau arbeitet, kann er dreimal mehr verdienen“, meint Omar. Doch daran haben weder die Bau- noch die Vermittler-Firmen ein Interesse. 2004 wurde Omar krank. In seinem Wohnheim hatte er sich eine Tuberkulose eingefangen. Acht Monate lag er im Krankenhaus. Sein Fazit: „Die Energie, die ich früher hatte, habe ich heute nicht mehr.“ Über seinen Fall hat ein Fernsehteam des russischen Privatkanals Ren TV einen Bericht gedreht. Aber der Film wurde von Don-Stroj aufgekauft und nie gesendet.

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