Kritik an der „Kommando-Politik“MEDWEDEW

Kritik an der „Kommando-Politik“

Der russische Präsident Dmitri Medwedew fordert von den russischen Gouverneuren und Beamten mehr Reformbereitschaft.

Von Ulrich Heyden

M edwedew und Putin gleichen zurzeit zwei Männern, die ein in einer Schlamm-Pfütze festgefahrenes Auto wieder flott machen wollen. Während Medwedew den Wagen schiebt, warnt Putin vor Beschädigungen der Karosserie. Vor wenigen Tagen sprachen Medwedew und Putin im Kreml vor dem russischen Staatsrat, zudem diesmal neben den Gouverneuren der Regionen auch die Führer der großen und kleine Parteien eingeladen waren, über mögliche Reformen des politischen Systems. Medwedew, der schon im November vor der Föderalen Versammlung politische Reformen in Aussicht gestellt hatte, erklärte in seiner Einleitungsrede, in Russland gäbe es „verschiedene Geschmäcker und Ansichten“. An die Verwalter und Gouverneure gewandt meinte Medwedew, „solch eine Gesellschaft darf man nicht kommandieren, mit ihr muss man zusammenarbeiten.“ Die Politik müsse „klüger, flexibler und moderner“ werden. Doch in der Praxis werde immer noch versucht „mit Hilfe primitiver, ich würde fast sagen dummer Anordnungen“ zu verwalten.

Putin hatte die Sperrklausel erhöht – will Medwedjew sie senken?

Die von den Oppositionsparteien, Liberalen und Kommunisten, vorgebrachte Kritik an Wahlfälschungen, bezeichnete Medwedew als unbegründet. Er frage sich jedoch, ob ein Stadtparlament in Moskau mit nur zwei Fraktionen (Einiges Russland und Kommunisten) wirklich die „vielfältigen Vorlieben der Moskauer“ widerspiegeln. Medwedew rief die Gouverneure in den Regionen auf, auch mit den Parteien zusammen zu arbeiten, die bei den Wahlen nur ein halbes Prozent bekommen. „Auch das sind unsere Bürger“. Medwedew kündigte an, dass alle Parteien, die mehr als fünf Prozent der Stimmen bekommen, in den Regional-Parlamenten vertreten sein sollen. Wladimir Putin hatte die Sperrklausel bei Parlamentswahlen vor drei Jahren auf sieben Prozent heraufgesetzt.

Nicht „bei Berührung zittern wie Sülze“

Neben dem freundlichen blickenden Medwedew, der den Vertretern der Opposition ausdrücklich für ihre kritischen Beiträge dankte, saß ein streng blickender Wladimir Putin. Der russische Ministerpräsident fiel nicht in die Modernisierungs-Euphorie seines Nachfolgers ein. Putin gestand zwar zu, dass man das politische System weiterentwickeln müsse. Jedes politische System müsse jedoch einen „gesunden Konservativismus“ haben und nicht „bei Berührung zittern wie Sülze.“ Russland brauche weder „ukrainische Verhältnisse“ noch „Despotie“.

Der Fernsehkanal NTW übertrug – und das war neu – nicht nur Teile der Reden von Medwedew und Putin, sondern auch Ausschnitte aus den Reden der Parteienvertreter. So sahen die Fernsehzuschauer das erste Mal seit vielen Jahren wieder Vertreter der kleinen liberalen Parteien im Kreml sprechen. Der Vorsitzende der sozialliberalen Jabloko-Partei, Sergej Mitrochin, erklärte, Russlands größtes Problem sei das Machtmonopol der Beamten und der Partei „Einiges Russland“. Das faktische Ein-Parteien-System könne dazu führen, dass das Land zerfalle, wie vor 20 Jahren die Sowjetunion.

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