Mit dem Moped nach SibirienRUßLAND-REISE

Mit dem Moped nach Sibirien

Jochen Stather hat das Fernweh gepackt. Er liebt es, mit seinem Motorrad die Welt zu erkunden. Vor allem Rußland hat es ihm angetan, wo man Tausende von Kilometern fahren kann, ohne einen Grenzübergang passieren zu müssen, wo man Gas geben kann, bis die Tanknadel zum Anhalten zwingt.

Von Hartmut Wagner

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Jochen Stather grinst, Motorradtouren quer durch Eurasien lassen sein Abenteurerherz höher schlagen 

EM – Ab in den Süden! Sommer, Sonne, Sonnenschein. Auf der Strandmatte fläzen, im Hotelbecken planschen, ein dickes Waffeleis schlecken und dann wieder ein kleines Nickerchen einlegen. Abends fein essen gehen und sich bloß nicht einschränken müssen, nicht im Urlaub. Ausgiebiger Müßiggang im Luxusambiente mit Vollpension und allem inklusive. Genau so muß Urlaub sein, auf Mallorca oder Ibiza, an der italienischen Adria oder in der Karibik...

Urlaub einmal anders

Jochen Stather (33) zieht es dieses Jahr wieder nach Rußland. Im Flugzeugsessel? In der Schiffskajüte? Am Steuer seines Autos?! Nein, der gelernte Koch und Hotelkaufmann fährt mit seiner Geländemaschine, einer BMW R 1200 GS. Er aber nennt sie meist liebevoll sein Moped. In diesem August gondelt Stather auf seinem Moped von seiner Düsseldorfer Wohnung aus nach Berlin, weiter ins polnische Masuren, „immer über schöne Nebensträßchen“ durch Litauen und Lettland bis an die russische Grenze. Von hier geht es auf direktem Wege in die russische Hauptstadt, einmal den Moskauer Autobahnring entlang, weiter über Kasan an der Wolga und Jekaterinburg im Uralgebirge, bis zur Irtysch-Brücke in Omsk. Und von hier ist es nur noch eine Tagesetappe bis zum Mittelpunkt Sibiriens, bis Nowosibirsk.

Viele kennen die Strecke aus Fernsehreportagen über die neuen EU-Staaten oder über die Transsibirische Eisenbahn, manchen ist Sibirien nur vom „Risiko“-Spielen ein Begriff. Ganz anders Stather, der Freund langer und weiter Reisen. Was Urlaub in Rußland angeht, ist er inzwischen fast schon ein alter Hase. Die Strecke nach Nowosibirsk kennt er schon recht gut. Im letzten Sommer kickte er ins Startpedal seiner Maschine und bretterte von Düsseldorf bis ans Dreiländereck, nein nicht nach Görlitz, auch nicht nach Passau, er heizte sein Moped bis an die Gestade des Pazifiks, nach Wladiwostok. Dort, wo sich China, Nordkorea und Rußland am nächsten sind. Die gut 13.500 Kilometer fuhr er damals in Kolonne mit drei anderen Abenteurern. Und er war begeistert. „ Ich kann's nur nochmal sagen: Rußland ist der Hammer!“, schwärmt er bis heute. (Mehr dazu auf www.eurasientour.de)

Der Traum, die Welt mit eigenen Augen zu sehen

Er sei Minimalist, sagt er. Er macht Weltreisen mit Handgepäck, findet gerade an dem, was für viele ein Graus wäre, Gefallen: sich einzuschränken. Der schmale Gepäckträger seines Mopeds ist da auch kompromißlos. Stather reist mit vier Unterhosen, Zelt und Schlafsack, Klappspaten und Kampfmesser, einer Sturmhaube gegen den Fahrtwind und einem 3-Bein-Hocker, falls er mal an seiner Maschine schrauben muß. Und was treibt ihn dazu, die Ballermänner und Badeparadiese hinter sich zu lassen und sich in die Weiten Eurasiens zu stürzen? „Der Traum, die Welt mit eigenen Augen sehen zu wollen und die Passion, nichts zu glauben, was ich nicht selbst gesehen habe.“

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Sibirische Waschstraße - Stather auf seiner Wladiwostok-Fahrt 2003 

Sein Moped ist ihm dabei das liebste Gefährt. Natürlich könne man auch mit dem Geländewagen nach Rußland fahren, aber man nehme das Land dann ganz anders wahr. Motorradreisen sind nackt und ehrlich, ohne Schutzscheibe gegen Wind und Wetter, sagt er. Man fährt ganz einfach mitten hinein, riecht die frische Luft der Taiga, spürt das Regenwasser durch den Lederkombi sickern und kommt schnell mit den Einheimischen in Kontakt. „E in dreckiger und verstaubter Motorradfahrer ist immer sofort in den Herzen der Leute,“ erzählt Stather. Das Kopfschütteln der Sibirijaken kennt er inzwischen und auch diese vielsagenden Blicke: Ach wärst du Dussel doch im schönen Düsseldorf geblieben!

Probleme mit den Russen habe er bislang eigentlich nie gehabt. Ihre Gastfreundschaft ist ja sprichwörtlich. „Außerdem hat man in Rußland ein extrem entspanntes Verhältnis zu unserer gemeinsamen Vergangenheit.“ So gratulierte ihm eine Reisebekanntschaft zu seinem Sieg bei einer Kegelrunde mit den Worten: „Jochen kein Problem, Du hast beim Bowling gewonnen, wir in Stalingrad.“ Für gefährlich hält Stather seine Rußlandtouren nicht, nicht gefährlicher als etwa eine Fahrt nach Südfrankreich an die Côte d’ Azur. „Und ob ich nun dort an der Raststätte eins über die Rübe kriege oder in Sibirien, ist ja eigentlich wurscht.“ Was den Verkehr anbetrifft, sei es im asiatischen Teil Rußlands außerdem deutlich ruhiger zu fahren als bei uns.

Russisch? Nö! Russisch spreche er nicht. 40 Wörter habe er seit seiner Wladiwostok-Tour im Kopf. „Das reicht für das Wichtigste.“ Gespräche mit den Einheimischen kommen natürlich oftmals zu kurz, räumt der Rußlandfahrer ein. Aber meist fände sich jemand, der ein paar Brocken Englisch oder auch Deutsch könne. Sonst müsse es eben mit Händen und Füßen gehen, und an der Tankstelle könne man ja auch mal aufschreiben, was man braucht. „Im übrigen ist es auch immer wieder von Vorteil, wenn man nichts versteht,“ fügt Stather schelmisch hinzu. „Das klassische russische Njet, das man zunächst meist zu hören bekommt, kann man so hartnäckig ignorieren.“ Diese Strategie habe ihm schon so manches Schlafplätzchen auf einem russischen Bahnhof verschafft oder vor einer Bußgeldforderung der russischen Polizei bewahrt. Man versteht eben einfach nicht. Einen besonders eifrigen Milizionär hätten sie letztes Jahr zu viert so lange mit deutschen Witzen genervt, bis der keine Rubel mehr sehen wollte und sich mit einem bescheidenen Gastgeschenk zufrieden gab: zwei Zigarren.

Posieren im Altai

Rein aus Vergnügen lenkt Stather sein Stahlroß aber nicht nach Nowosibirsk. Er trifft dort ein Filmteam aus Leipzig, das jedoch das Flugzeug gewählt hat für die weite Anreise. Mit den Kameraleuten wird der Kraftradfahrer den Gebirgskamm des Altaigebirges ansteuern und dort sein Moped die schönsten Serpentinenwege hinauf- und hinunterjagen. Stather möchte geführte Motorradtouren in Rußland anbieten, die Fotoaufnahmen sollen Zweiradfreunden in Deutschland den Reiz der russischen Naturschönheiten näher bringen. „Schließlich muß es ja nicht immer der klassische Motorradurlaub in Namibia oder Bolivien sein,“ erklärt der Rheinländer. „Rußland bietet alles für einen Motorrad-Abenteuerurlaub, was man sich wünschen kann. Vor allem sehr gastfreundliche Menschen und herrliche Landschaften.“

Allzu lange kann sich Stather jedoch nicht an den Gipfeln des Altais erfreuen. Mitte nächsten Monats will er wieder nach Deutschland zurück, dann wird er allerdings auf das Flugzeug zurückgreifen. Denn bis zum 15. September muß er in München sein, dann beginnt die Motorradmesse „Intermot“. Und dort möchte Stather sein Moped natürlich präsentieren, mit den Spuren der sibirischen Weiten im Reifenprofil.

*

Gerade hat Jochen Stather einen Reisebericht von seiner Fahrt nach Wladiwostok veröffentlicht. Wir werden ihn in der nächsten Ausgabe besprechen.

Reise Russland

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