Moskauer ScheinweltenRUSSLAND

Moskauer Scheinwelten

Eine für die Videoüberwachung in Moskau zuständige Sicherheitsfirma übermittelte ein halbes Jahr lang veraltete Überwachungs-Videos von Straßen und Häusern an die Polizei und kassierte dafür 700.000 Euro.

Von Ulrich Heyden

W er glaubte, in Russland würden die Bürger auf Schritt und Tritt überwacht, wird in diesen Tagen eines Besseren belehrt. Wie eine Überprüfung von Überwachungskameras im Nordosten Moskaus ergab, waren viele Kameras, welche Kriminellen und Terroristen ihr Handwerk erschweren sollen, seit Mai 2009 abgeschaltet. Statt aktueller Bilder sendete die mit der Video-Überwachung beauftragte private Sicherheitsfirma Strojmontaschservis an die Überwachungszentren der Polizei nicht aktuelle Bilder, sondern veraltete Video-Aufzeichnungen.

Im Jahre 2002 hatte der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow ein flächendeckendes Video-Überwachungsprogramm mit dem wohlklingenden Namen „Sichere Stadt“ gestartet. Die Installierung der Kameras kostete die Stadt 140 Millionen Euro. Die jährlichen Betriebskosten des Überwachungssystems belaufen sich auf zusätzliche 46 Millionen Euro. Doch das System hat „keinen Nutzen“, wie der Leiter des Moskauer Untersuchungskomitees, Anatoli Bagmet, im November letzten Jahres eingestand.

Windiger Juwelier

Entweder die Bilder sind unscharf oder windige Unternehmer versuchen mit der Video-Überwachung schnelles Geld zu verdienen. Wie erst jetzt bekannt wurde, verhafteten Moskauer Sicherheitskräfte Ende Dezember den Chef der privaten Sicherheitsfirma Strojmontaschservis,  Dmitri Kudrjawzew. Die Firma des 32jährigen hatte Hunderte von Kameras abgeschaltet und stattdessen von einem Computer veraltete Bilder an die Polizei geliefert. Jetzt sitzt Kudrjawzew wegen Betrug im Untersuchungsgefängnis. Eigentlich ist der Untersuchungshäftling Besitzer einer Juwelier-Firma. Doch, wie die Sicherheitsbehörden mitteilten ist Kudrjawzew faktisch Besitzer der Sicherheitsfirma Strojmontaschservis.

700.000 Euro aus dem Stadtsäckel

Die Firma Strojmontaschservis ist im Nordosten und Südwesten Moskaus für die Videoüberwachung von Wohnhäusern, Straßen und öffentlichen Plätzen zuständig. Allein für ihre Dienste im Nordosten der Stadt kassierte Strojmontaschservis 700.000 Euro aus dem Stadt-Budget. Die ominöse Sicherheitsfirma soll auch einen Computer-Virus entwickelt haben. Damit wurde die Video-Überwachung im Westen Moskaus, für die eine konkurrierende private Sicherheitsfirma zuständig war, lahm gelegt. Auf diese Weise soll der findige Juwelier Kudrjawzew versucht haben, einen Konkurrenten das Geschäft mit der Video-Überwachung abzujagen. Der verhaftete Unternehmer bestreitet allerdings die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er sieht sich als Opfer eines Konkurrenten, der ihn aus dem Markt drängen will.

Die Technik-Wunder des Bürgermeisters

Der Skandal um die Moskauer Video-Überwachung wirft einen Schatten auf die grandiosen Technik-Pläne des Moskauer Bürgermeisters, Juri Luschkow, welcher der Meinung ist, globale Probleme ließen sich auf einfache Weise lösen. Seit Jahren wirbt das Stadtoberhaupt für die alte sowjetische Idee, die nach Norden fließenden sibirischen Flüsse in den Süden umzuleiten, damit sie dort die Steppen und Baumwollplantagen bewässern. Vor kurzem schlug der 73jährige, der zu Sowjetzeiten als Direktor in verschiedenen Wissenschafts-Einrichtungen arbeitete, vor, die Schneewolken schon vor Moskau zu stoppen. Flugzeuge sollten die Wolken mit chemischen Mitteln beschießen. So könne man Millionen Rubel Straßenreinigungskosten sparen.

Nur ein Prozent Verbrechensaufklärung

Das liebste Kind von Juri Luschkow ist jedoch das Projekt „Sichere Stadt“. Das elektronische Überwachungssystem mit dem wohlklingenden Namen wurde 2002 nach diversen Terroranschlägen gestartet. Die  ganze Stadt wurde mit einem Netz von Videokameras überzogen. Die Kameras hängen jetzt, für jeden sichtbar, unter Hausdächern, an Laternenpfählen und wie runde schwarze Augen  unter den Decken der Supermärkte.

Doch wie der Stadtvater selbst schon 2008 eingestand, brachte das Überwachungssystem kaum Resultate. Nicht mehr als ein Prozent der Straßenkriminalität sei mit Hilfe der Videokameras aufgeklärt worden, erklärte der Bürgermeister und ordnete prompt an, noch mehr Kameras aufzustellen. Heute sind allein vor und in den mehrgeschossigen Wohnhäusern  Moskaus 86.000 Videokameras installiert.

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