09.08.2023 13:11:56
RUSSLAND-EUROPA
Von Eberhart Wagenknecht
er Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, hat am 26. Oktober ein Dekret unterschrieben, das weitreichende Folgen haben könnte: In dem Erlass wird festgelegt, dass ausländische Unternehmen künftig 25 Prozent Anteile am Kapital russischer Luftfahrtunternehmen haben dürfen. Dies gilt sowohl für russische Fluggesellschaften als auch für Flugzeughersteller. In Einzelfällen kann der Präsident, dem Ukas zufolge, auch einen noch höheren Anteil zulassen. Bislang galt die Luftfahrtindustrie als „strategisch wichtig“, und ausländische Beteiligungen an solchen Unternehmen waren nur in minimaler Höhe möglich. Die Neuerung hat selbstverständlich auch strategische Bedeutung. Es ist eine Weichenstellung für Kooperationen – mit Europäern, Chinesen, Indern.
Wenige Tage vorher, am 23. Oktober, hatte der Co-Chef des Luft- und Raumfahrtunternehmens EADS, Thomas Enders erklärt, er begrüße den Einstieg Russlands als Gesellschafter des Konzerns. Im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT hob er die strategische Bedeutung des russischen Marktes für den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern hervor. „Der Einstieg der staatlichen russischen Wneschtorgbank (WTB) bei EADS unterstreicht das große Interesse russischer Investoren an EADS“, sagte Enders der WELT. „Die Zusammenarbeit mit der russischen Luftfahrtindustrie ist für uns von strategischer Bedeutung. Russland ist schließlich nicht nur ein wichtiger Markt, sondern verfügt über vielfältige Erfahrung in der Entwicklung und im Flugzeugbau“, so der Co-Chef von EADS
Am 8. September war bekannt geworden, dass die russische Staatsbank Wneschtorgbank (WTB) einige Wochen vorher mit 5,02 Prozent beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS eingestiegen ist. (Siehe EM 09-06). Anfänglich hatte es dazu von Seiten der EADS eine Reihe von negativen Äußerungen gegeben. Vor allem deshalb, weil die Russen weitere Anteile anstreben und damit auch Ansprüche auf eine Beteiligung an der Geschäftsführung verbinden. Die bisherigen Aktionäre sehen dadurch nicht zuletzt ein Großprojekt mit den USA in Gefahr. Auf dem dortigen Schlüsselmarkt für Rüstungsgeschäfte konkurriert EADS mit Boeing. Es geht um einen 20-Milliarden-Dollar-Auftrag zur Erneuerung der US-Tankflugzeugflotte. Die Amerikaner sind äußerst empfindlich. Sie fürchten nichts mehr als eine enger werdende Kooperation eurasischer Mächte, und sie sind jederzeit bereit, massiven Druck auszuüben, um dies zu verhindern.
Laut EADS-Manager Enders ist die Zusammenarbeit mit Russland in den vergangenen Jahren von punktuellen Kooperationsprojekten und Lieferbeziehungen hin zu einer breit angelegten strategischen Partnerschaft entwickelt worden. So habe der Europäische Luft- und Raumfahrtkonzern im vergangenen Jahr einen zehnprozentigen Anteil an Irkut erworben, dem größten privaten Rüstungskonzern in Russland. Erst vergangene Woche habe man mit Irkut ein Abkommen zur langfristigen Zusammenarbeit bei Frachtflugzeugen unterzeichnet. Im Übrigen halte EADS an seinem mittelfristigen strategischen Ziel fest, den Rüstungsanteil am Gesamtumsatz von derzeit rund 25 auf 30 Prozent zu erhöhen und damit das Konzernportfolio ausgewogener und weniger zyklisch zu gestalten, so Enders. In dieser Beziehung könnte Irkut bzw. der künftige gesamtrussische Flugzeughersteller (russische Vereinigte Flugzeugbaukorporation VFK) als Partner von größtem Interesse sein.
Die Moskauer Wneschtorgbank soll inzwischen ihren Anteil an EADS auf etwa sechs bis sieben Prozent erhöht haben, berichtete die Pariser Wirtschaftszeitung „Les Echos“ am 13. Oktober unter Berufung auf französische Regierungskreise. „Sie haben weiterhin Aktien in kleinen Mengen gekauft, um Kooperationen besser aushandeln zu können“, wird die Regierungsquelle zitiert.
Dass die russische Staatsbank Wneschtorgbank ihre Beteiligung am europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS auf sechs Prozent aufgestockt und damit sogar Spanien, einen der Mitgründer des Konzerns, überholt habe, war fast zeitgleich auch in der russischen Tageszeitung „Wedomosti“ zu lesen. WTB sei nun der drittgrößte Aktieninhaber nach Frankreich und Deutschland.
Der deutsche Autokonzern DaimlerChrysler will seinen verbliebenen EADS-Anteil von 22,5 Prozent weiter auf 15 Prozent reduzieren. Wohin diese Aktien gehen, ist Gegenstand heftiger Spekulationen. So könnte zum Beispiel der Bund oder auch das Land Hamburg, wo ein Teil der Airbus-Produktion angesiedelt ist, von diesem Paket gemeinsam mit privaten Investoren und Banken Teile übernehmen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erklärte Anfang Oktober mit Blick auf die EADS-Tochter Airbus dazu: „Kein Mensch in der Bundesregierung beabsichtigt, den Bund plötzlich zum Unternehmer zu machen. Aber man kann Airbus nicht koppheister gehen lassen, nur weil das Unternehmen auf Grund von Managementfehlern in einer Anpassungskrise steckt oder sich ein industrieller Anteilseigner von Anteilen trennen will.“
Neben EADS-Co-Chef Thomas Enders hat sich auch DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche zur Kooperation mit Russland geäußert. Er hält die verschiedentlich geäußerte Sorge vor einem stärkeren Einfluss Russlands bei EADS für unbegründet. EADS habe eine Verfassung, die eine Einflussnahme der Hauptaktionäre beschreibe, unabhängig davon, ob sich die Anteile reduzierten oder nicht. „Insofern hätte ein russischer Käufer keinen direkten Einfluss auf die Unternehmensführung - aber diese Frage stellt sich bis heute auch nicht“, sagte er in einem Gespräch mit der FAZ.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) plädiert dafür, sich auch einer möglichen Beteiligung russischer Banken an EADS nicht zu verschließen. Freier Kapitalverkehr dürfe keine Einbahnstraße sein, forderte Verbandspräsident Jürgen Thumann.
So sieht das wohl auch Russlands Präsident Wladimir Putin. Er ließ nach einem Gespräch mit Kanzlerin Merkel wissen, die Wneschtorgbank würde ihren Anteil auch wieder verkaufen, wenn sich EADS und die im Aufbau befindliche russische Vereinigte Flugzeugbaukorporation (VFK) nicht auf eine enge Zusammenarbeit einigen würden. – Gegenwärtig werden sichtlich Weichen gestellt. Würfel sind noch nicht gefallen.
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