Parchim International Airport und Chinas aufstrebender Flugzeugbau – eine Perspektive?EURASISCHER LUFTVERKEHR

Parchim International Airport und Chinas aufstrebender Flugzeugbau – eine Perspektive?

Parchim International Airport und Chinas aufstrebender Flugzeugbau – eine Perspektive?

Trotz der zum Jahresende 2007 eingetretenen schwierigen Situation um den Flughafen Parchim (EM 12-07) sieht der Autor durchaus Möglichkeiten der positiven Weiterentwicklung. Und zwar nicht nur auf dem Hauptgebiet der Luftfracht von China über Parchim nach Afrika, sondern auch in der Anwendung der bestehenden Verbindungen für eine Förderung des chinesischen Regionaljets ARJ21-700 in Europa und Afrika.

Von Dr. Horst Bloch

  Zur Person: Horst Bloch
  Dr. Horst Bloch ist Diplomgeologe und Dr. rer. nat.

Er arbeitete als selbstständiger Berater in Fragen der Hydrogeologie und als „Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ der IHK Siegen.

Auslandseinsätze führten ihn nach Libyen, Kamerun, Niger und Burundi, außerdem in den Mittleren Osten, nach Saudi Arabien und den Iran. 1983/84 arbeitete er bei T. O’Connor & Sons Pty. Ltd., Engineers and Constructors, in Perth/West-Australien.

1992-98 war Bloch im Umweltamt des Kreises Teltow-Fläming, Land Brandenburg, tätig.

Seit 2004 übt er ehrenamtliche Initiativen für die Entwicklung der Verkehrsflughäfen Magdeburg/Cochstedt, Neuhardenberg und Schwerin-Parchim aus.
Mit seinem Regionalflugzeug ARJ21-700 hat China im Westen beträchtliches Aufsehen erregt. Inzwischen gibt es mit dem ARJ21-900 bereits eine verlängerte Version.  
Mit seinem Regionalflugzeug ARJ21-700 hat China im Westen beträchtliches Aufsehen erregt. Inzwischen gibt es mit dem ARJ21-900 bereits eine verlängerte Version.  

I m Zuge der Umwandlung militärisch gebundener Kräfte, Ressourcen und Strukturen für zivile Zwecke in der ehemaligen DDR (Konversion) konnte auch der Flughafen Parchim in eine neue Nutzung übergeführt werden. Er ist einer von zahlreichen militärischen Flugplätzen, die nach Ende des Kalten Krieges auf dem Gebiet der ehemaligen DDR existierten. Sie waren überwiegend von den sowjetischen Truppen für militärische Übungszwecke genutzt worden (z.B. auch Jüterbog – Altes Lager).
 
Auf diesen Anlagen fanden sich meistens erhebliche Umweltschäden, Verunreinigungen durch Kohlenwasserstoffe und Munition, die mit großem Aufwand beseitigt werden mussten, um schädliche Auswirkungen auf Boden und Grundwasser soweit wie möglich zu beheben. Dies traf auch auf den Parchimer Flugplatz zu.

Das Parchimer Konzept eines Nur-Frachtflughafens ist einmalig in Deutschland

Eine zivile Nachnutzung gestaltete sich zunächst deshalb besonders schwierig, weil die angrenzenden Kommunen finanziell nicht in der Lage waren, zu der staatlichen Konversion noch einen eigenen Beitrag zu leisten. Für die Landesregierungen war es daher sehr wichtig, zukunftsweisende Luftverkehrskonzeptionen durchzusetzen, zumal sich in den alten Bundesländern der zivile Luftverkehr in den vierzig Nachkriegsjahren schon weitgehend eingespielt hatte.
 
Schließlich gelang es aber in Parchim, den schon seit 1934 vorhandenen Flugplatz einer zivilen Nachnutzung zuzuführen, wenn zunächst auch in bescheidenem Umfang. Nach anfänglichen Passagierflügen in Urlaubsgebiete, u. a. nach Bulgarien, stellte sich jedoch heraus, dass diese von dem dünn besiedelten Mecklenburg aus nicht kostendeckend durchgeführt werden konnten. Die Folge war ein ständiger defizitärer Flugbetrieb, so dass die Verantwortlichen in Land und Kommune auf Änderungen drängten.

So kam es in Parchim zu der Konzeption eines Nur-Frachtflughafens, was in Deutschland wohl einmalig ist, aber dadurch eine zukunftsweisende Perspektive bot. Mit staatlicher Unterstützung von 1,4 Millionen Euro konnte das Land Mecklenburg-Vorpommern 2006 den Bau einer modernen Luftfrachtumschlaghalle genehmigen. Sie war Voraussetzung für einen zunehmenden Luftfrachtbetrieb, der dann auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.

Die heutige Situation am Parchim International Airport

In einem Bieterverfahren erhielt das chinesische Unternehmen LinkGlobal Logistics Co. Ltd. mit seinem Vorsitzenden Jonathan Pang unter zehn Mitbewerbern im Frühjahr 2007 den Zuschlag, den Flughafen Parchim mit seiner 3000 Meter langen Start- und Landebahn und dem gesamten Gelände von über 800 ha Größe zu übernehmen und zu entwickeln.

Nach den Worten des Parchimer Landrats Klaus-Jürgen Iredi gegenüber dem Eurasischen Magazin (EM 09-07) hatte Pang das beste Konzept vorgelegt, das auf die Ausschreibung des Kreises Parchim eingegangen war, und auch entsprechende Logistik-Erfahrungen durch Frachttransporte für Europa nachgewiesen. So hat Iredi zutreffend festgestellt, dass der Flughafen sowohl für den Landkreis als auch für die gesamte Region das ehrgeizigste Projekt ist, das gegenwärtig vorangetrieben wird.

Der Käufer des Flughafens Parchim hat zwar nach Vertragsunterzeichnung Investitionen zur Indienststellung von modernem Entladegerät und vor allem zur Weiterführung des Flughafenbetriebs in sechsstelliger Höhe getätigt, musste aber wegen fehlender chinesischer Regierungsgenehmigung den eigentlichen Kaufpreis, bzw. eine Anzahlung von zwölf Millionen Euro bis zum Jahresende 2007 schuldig bleiben.

Ein weiterer ausführlicher Artikel des Eurasischen Magazins von Eberhart Wagenknecht vom 31.12.2007 geht auf diese Zahlungsprobleme und die damit verbundenen Schwierigkeiten ein. Indes hat der Kreistag Parchim Herrn Pang klugerweise Zahlungserleichterungen bis zu zwei Jahren eingeräumt, so dass der Flugbetrieb weiter aufrechterhalten wird.

Da der Landkreis durch diese Probleme immer noch der grundbuchamtliche Eigentümer des gesamten Flughafengeländes ist, wird sich eine zufrieden stellende Regelung finden lassen, damit die Vision des Flugdrehkreuzes zwischen China – Parchim und Afrika verwirklicht werden kann.

Kann sich Parchim als Mittlerstelle zwischen Afrika und dem Exportmarkt der aufstrebenden zivilen Flugzeugindustrie Chinas einklinken?

Wenn auch das Luftfrachtgeschäft mit der entsprechenden Logistik das Haupttätigkeitsfeld sein wird, so wäre es doch töricht, die sich dramatisch entwickelnde Luftfahrt-Expansion Chinas zu vernachlässigen. Nach einem Pressebericht der amerikanischen General Electric (GE) vom 21. Dezember 2007 sind gegenwärtig fünfzig neue Flughäfen zum Bau innerhalb Chinas über die nächsten fünf Jahre geplant, um dem gestiegenen Bedarf zu begegnen.

Dazu wird der Zubringerverkehr von den Regionalflughäfen zu den großen Knotenpunkten, der von den neuen Jets – wie der chinesischen ARJ21-700 – erwartet wird, in den nächsten 20 Jahren jährlich um zwölf Prozent wachsen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für die neue Eigenproduktion des 90-sitzigen Regionaljets schon vor Beginn der Serienfertigung allein von der neuen chinesischen Fluglinie Kunpeng Airlines 50 Festbestellungen und 50 Optionen auf die ARJ21-700 aus Shanghai vorliegen.

Wegen technischer Mängel hat die EU mittels „Schwarzer Listen“ vielen Fluggesellschaften in den Entwicklungsländern, besonders in Afrika, den Einflug in den europäischen Luftraum untersagt, ohne auf Alternativen hinzuweisen, wie diesem empfindlichen Mangel abzuhelfen sei. Hier eröffnen sich Marktchancen für neue Regionalflugzeuge chinesischen Ursprungs.

Im Osten gibt es traditionsreiche Stätten eines zivilen Verkehrsflugzeugbaus

Nach der Wende hätte es nahe gelegen, Stätten traditionsreichen zivilen Verkehrsflugzeugbaus wieder zu beleben. Gewisse Chancen hätte Sachsen-Anhalt gehabt, aufgrund der historischen Verdienste von Prof. Hugo Junkers, des befähigten Flugzeugkonstrukteurs aus Dessau. So hat die damalige Lufthansa schon im Juli/August 1926 mit zwei dreimotorigen Flugzeugen vom Muster Junkers G 24 die Flugroute nach Fernost von Berlin nach Peking erkundet.
 
An diese Tradition erinnerte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, anlässlich der Kampagne zu seiner Erstwahl mit dem plakativen Motto: „Wir haben (in Anhalt) schon Flugzeuge gebaut, als andere noch in der Kutsche fuhren“. Kürzlich hat der Verfasser in einem Schreiben an Prof. Böhmer nochmals auf diese Tradition und die Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit China hingewiesen. Nach Mitteilung aus der Staatskanzlei wurde der Vorschlag den zuständigen Gremien überwiesen. Gleichzeitig ist ein Schreiben vom 12.12.07 an Herrn Landrat Iredi in Parchim mit Kopie an den Landrat des neuen Salzlandkreises, Ulrich Gerstner, ergangen wegen des Vorschlages einer Zusammenarbeit der Flughäfen Parchim und Magdeburg/Cochstedt für das Projekt Regionalflugzeug MA60 der Xi’an Aircraft Industry - bislang leider ohne Antwort.
 
Da die Neuentwicklungen in China sowohl bei der MA 60 (Pratt & Whitney Canada PW127J) als auch bei der ARJ21-700 (General Electric’s CF34-10A) auf zuverlässigen westlichen Triebwerken beruhen, dürfte es doch nicht völlig ausgeschlossen sein, dass sich LinkGlobal Logistics (LGL) mit seinem Drehkreuz in Parchim in den Transport dieser Triebwerkskomponenten auf längere Sicht einschalten könnte.

Bei dem Export der genannten Maschinen nach Afrika wird auch die Frage einer zuverlässigen Ersatzteilhaltung aufgeworfen werden, worauf sich Parchim zweifellos einstellen könnte, besonders dann, wenn nach den Überlegungen von Herrn Pang das australische Investmentunternehmen Goodman aus Sydney die Finanzierung übernehmen würde.

Teilhabe Parchims an der zukünftigen Rolle Chinas im zivilen Flugzeugbau

Aufgrund der schon bestehenden und künftig noch zu erweiternden Verbindungen Parchims zu China sollten vor allem zwei Flugzeugmuster in Betracht gezogen werden: Es sind dies vor allem das Turbopropflugzeug MA60 (Modern Ark) mit 55-60 Sitzen und dann künftig vor allem der Regionaljet ARJ21-700 mit 80-90 Sitzen.
 
China hat die MA60 in Afrika bereits an Zimbabwe, die Republik Kongo (Brazzaville) und Sambia geliefert. Neuerdings hat die indische Regionallinie Indus Air 55 MA60 bestellt.
Das ist als ein Vertrauensbeweis Indiens an die chinesische Technologie zu werten.
Was die Südostasien-Expertin, Frau Dr. Hanne Seelmann-Holzmann, bereits vor drei Jahren in einem EM-Beitrag andeutete, dass demnächst China auch zivile Flugzeuge bauen werde, hat sich so nun schon erfüllt. Im Falle der ARJ21-700 (mit der poetischen Bezeichnung Xiang Feng – „Fliegender Phönix“) werden die Voraussetzungen gegeben sein, dass die Maschine auch auf westlichen Märkten verkauft werden kann, und zwar mit der FAA- Zulassung der US Federal Aviation Administration, die ihr einziges technisches Prüfbüro außerhalb der USA in Peking und Shanghai eingerichtet hat. In Shanghai arbeiten vier FAA-Spezialisten und in Peking drei Inspektoren und Ingenieure aus USA. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die ARJ21-700 die für den westlichen Export begehrte FAA-Zertifizierung erhält.

Aufruf zu einer „Initiative PRO PARCHIM International Airport“

Wir Deutschen haben keinen Grund, auf die Qualität chinesischer Hochtechnologieprodukte herabzublicken. Dies gilt besonders auch im modernen Flugzeugbau: Nach der ersatzlosen Streichung der deutschen Regionalflugzeug-Entwicklung VFW-614 aus Bremen und der Einstellung der Fairchild-Dornier 728Jet-Produktion im bayerischen Oberpfaffenhofen brauchen sich die deutschen Kritiker der chinesischen MA60 Modern Ark und der ARJ21-700 nicht über den „Fliegenden Phönix“ zu mokieren, der angeblich „im Westen“ keine Verkaufschancen hätte. Deutschland hat dem keinen vergleichbaren Regionaljet mehr entgegenzusetzen. Der Airbus gehört in eine andere Größenklasse.

Parchim sollte jetzt die noch vorhandene Nische nutzen. Hierzu rufe ich zu einer „Initiative PRO PARCHIM International Airport“ auf.

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