Politiker, Oligarchen und Sportklubs sind in Osteuropa eng miteinander verflochtenVERFLECHTUNGEN

Wofür brauchen Politiker im Osten Sportklubs?

Wer hat sich nicht schon gewundert, wieso hochrangige Politiker in Russland und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, in der Ukraine, in Belarus, in Mittelasien und im Kaukasus an der Spitze von Sportklubs stehen oder diese sogar gekauft haben? Wozu brauchen sie diese? Für ihr Prestige? Sind diese Politgrößen lediglich altruistische Sponsoren? Oder dienen ihnen die Klubs zur Kaderrekrutierung, zur Steuersenkung, zur Geldwäsche? Fungieren sie womöglich gar als Drehscheibe zwischen Politik, Sport und organisiertem Verbrechen?

Von Hans-Joachim Hoppe

Die mit „Radio Free Europe / Radio Liberty“ (RFE/RL) verbundene Station „Radio Ozodi“ stellte kürzlich genau diese Frage: Wofür sind Sportklubs Politikern von Nutzen? Der Artikel beschränkt sich auf den Sonderfall Kirgisien, wo in Bezug auf sportpolitische Verflechtungen ähnliche Verhältnisse wie in Russland, in Zentralasien und im Kaukasus herrschen.  Viele der  Schlussfolgerungen gelten für einen Großteil des eurasischen Raums, dessen Länder immer noch in der Tradition des Sowjetkommunismus stehen. (Radio Ozodi, 24. September 2013: http://rus.ozodi.org/content/article/25115584.html).

Mit der Sportpolitik in Russland und dem Verhältnis der Politiker Osteuropas zu Sportverbänden und Sportlern befasst sich eine Vielzahl von Artikeln in den Medien der betreffenden Länder, z.B. am  24 Juli 2013 inThe Moscow News Russia and the Politics of Sport, Autor James Ellingworth: http://themoscownews.com/talesfromthetribuna/20130723/191790326/Russia-and-the-politics-of-sport.html.

Sponsoren und Funktionäre des Ostens – eine kleine Auswahl
  • Vladimir Putin – Präsident Russlands, kein aktiver Verbandsvorsitzender, aber Ehrenpräsident der Internationalen Sambo-Föderation, aktiver Sportler mit Verbindung zu Sambo-, Judo- und Karate-Klubs sowie zu Eishockey und dem Fußballverein FC Zenit St. Petersburg.
  • Dmitry Medwedjew – Premier Russlands, kein Verbandsvorsitzender, aber Förderer des Sports und gesunder Lebensart in Russland, Skilauf, Radfahren, Badminton und Fischen.
  • Arkady Dworkowitsch – Vizepremier der russischen Regierung, Erster Vizepräsident, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender des Russischen Schachverbands, Vorstandsmitglied des Russischen Fußballbundes.
  • Dmitry Kozak – Vizepremier und Hauptkoordinator der Vorbereitungen der Olympischen Winterspiele in Sotschi.
  • Alexander Zhukov – Duma-Vizepräsident, Vorsitzender des Russischen Olympischen Komitees, ehemaliger Vorsitzender des Russischen Schachverbandes.
  • Kirsan Iljumschinow – ehemaliges Oberhaupt der Teilrepublik Kalmückien der Russischen Föderation, Präsident des Weltschachverbandes FIDE.
  • Michail Prochorow – russischer Unternehmer, Oppositionsführer, Präsidentschaftskandidat 2012, Teilhaber des Basketball-Klubs Brooklyn Nets, Sponsor des Moskauer Armeeklubs ZSKA Basketball, Hockey und Fußballklubs, Präsident des Russischen Biathlon-Verbands.
  • Roman Abramowitsch – russischer Oligarch, Eigentümer des englischen Fußballklubs FC Chelsea,
  • Boris Rotenberg – Putins ehemaliger Judo-Trainer, Präsident des FC Dynamo Moskau, Aufsichtsratsvorsitzender Vasiliy Titov von der VTB-Bank.
  • Alexei Miller – Vorstandsvorsitzender von GAZPROM, Vizepräsident des Russischen Fußballbundes.
  • Ahmed Bilalov – Mitglied des Föderationsrats, Vizepräsident des Russischen Olympischen Komitees, Leiter der Gesellschaft der „Kurorte des Nordkaukasus“, im Februar 2013 aus seinen Ämtern entlassen.

Politiker und Oligarchen als Mäzene des Sports

Sport und Politik werden auch im Westen vermischt, und auch hier gibt es Vereine im Besitz von betuchten Privatpersonen. Aber nirgendwo sonst sind die Verflechtungen so deutlich, wie in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Es sind vor allem Oligarchen und wohlbetuchte Unternehmer, die in die Politik gehen, und von denen erwartet wird, dass sie als Sponsoren für Kultur, Kirche, Sport, Kranke und Bedürftige sowie Kinder auftreten. Sie lassen Kirchen, Moscheen, Sportzentren, Kliniken und Kinderheime bauen. Sie sponsern Spitzensportler, gründen Sportklubs, um sich mit deren Leistungen zu sonnen. Ihr soziales Engagement dient ihrer Karriere in der Politik und Gesellschaft. Besonders im Wahlkampf und bei anderen politischen Aktionen setzen sie ihren Einfluss in der Welt des Sports gegen ihre politischen Gegner ein.

Aber nicht nur Prominente engagieren sich aus Eigennutz für den Sport, sondern Staatsorgane, Ministerien, die Armee, die Polizei und der Geheimdienst halten sich eigene Sportvereine mit dem speziellen Milieu, Luxus und Komfort und dem dazugehörigen halbseidenen Umfeld. Moskau und Petersburg, Regionen und Teilrepubliken wie das rührige Tatarstan wetteifern im Sport um die Spitzenstellung. Die Spitzenverbände haben dabei überragende Bedeutung für das Nationalgefühl und das nationale Selbstverständnis. Da werden im Sport sogar Stellvertreterkriege zwischen rivalisierenden Systemen und Nationen ausgeführt. Für die Olympischen Spiele 2014 allerdings erhielten weder Moskau noch Petersburg den Zuschlag, sondern der bislang dahindämmernde Schwarzmeerkurort Sotschi und für die  Sommeruniversiade in diesem Jahr in Kasan, die Hauptstadt von Tatarstan. (Siehe http://kazan2013.ru/en, 27th Summer Universiade in Kazan,  6.-17. Juli 2013).

Das letzte Mal fanden 1980 in Russland, d.h. in Moskau, damals noch Hauptstadt der Sowjetunion, Olympische Sommerspiele statt. Wegen des Einmarschs nach Afghanistan wurde Moskau damals mit Sanktionen bestraft. Politiker und Sportler im Westen rufen neuerdings zum Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi  2014 auf, wegen diskriminierender Gesetze gegen Homosexuelle in Russland. Für russische Sportlerinnen und Sportler bedeutet das Bekenntnis zu ihrer Orientierung meist das Ende ihrer Karriere. Andere schlagen aus dem gleichen Grunde eine Verlegung der Spiele z.B. nach Vancouver vor.
Zur Anti-Gay-Kampagne siehe „Russian sport hides its orientation“, 23. August 2013 http://rbth.co.uk/arts/sport/2013/08/23/russian_sport_hides_its_orientation_29149.html und „Schweigen und Olympisches „Gold“ – Warum in Russland sich kein einziger Sportler zu seiner Zugehörigkeit zur LGBT-Gemeinschaft bekannt hat“ (russisch) http://www.mn.ru/sports/20130820/353957227.html.

Für Präsident Putin sind die Olympischen Winterspiele in Sotschi vom 7.-23. Februar 2014 ein Höhepunkt seiner Karriere (http://www.sochi2014.com/en/). Vom Privileg der Abhaltung dieser Spiele erhofft er sich einen enormen Prestigegewinn für seine weiteren Vorhaben – für seine Amtszeit bis 2018 und eventuell darüberhinaus. Ein Boykott oder gar eine Verlegung der Spiele wäre für ihn eine persönliche Katastrophe. Dazu wird es sicherlich auch nicht kommen. Auch ein terroristischer Anschlag soll um jeden Preis verhindert werden, die russischen Polizeiorgane werden bei den Bemühungen von westlichen Spezialisten unterstützt.

Nicht verhindert werden konnte die endemische Korruption, der Missbrauch und die Unterschlagung von Finanzmitteln im Rahmen des Milliardenprojekts. Putin persönlich beanstandete die Missstände und sorgte für Ablösung und Bestrafung hoher Funktionäre des Organisationsmanagements wie z.B. Ahmed Bilalov, Mitglied des Föderationsrats, Vizepräsident des Russischen Olympischen Komitees, Leiter der Gesellschaft der „Kurorte des Nordkaukasus“, der im Februar 2013 geschasst wurde. Vizepremier Dmitry Kozak, dem Putin die Oberaufsicht über die Olympischen Vorbereitungen übertragen hatte, versuchte, die Missstände zu beheben. Dem Organisationskomitee gehört auch Sportminister Vitaly Mutko an, der qua Amt die Kontrolle über den gesamten russischen Sport und seine Verbände hat.

Sportclubs als Horte des Verbrechens

Die Polizeibehörden, insbesondere die Organe der Verbrechensbekämpfung, weisen immer wieder auf die Funktion der Sportvereine auch als Kontaktstellen zum Organisierten Verbrechen hin. Einige Großvereine haben geheime Säle, wo Glücksspiel und Verbrechen sich tummelt. Gewisse Sportzentren entwickelten sich zu „Kaderschmieden des Verbrechens“. Hier werden Schläger, Erpresser und Geldeintreiber engagiert und natürlich Mordaufträge vergeben, um den Gegner in die Knie zu zwingen. Wenn es friedlich zugeht, dienen Sportzentren als Basare für Politik und Wirtschaft. In Turnhallen, auf Sportplätzen, im Tennis und Fußball werden gesellschaftliche Kontakte gepflegt, dort wird Politik gemacht, werden Personalentscheidungen getroffen und Geschäfte abgesprochen. Dort treffen sich selbst nach außen hin verfeindete Personen, um sich miteinander zu arrangieren. Andererseits überschneiden sich die Interessen rivalisierender Klubs mit denen der Politiker und lokale Rivalitäten können zu regelrechten Kleinkriegen mit Schießereien, Mord und Totschlag ausarten. Die auf offener Straße, in Klubanlagen, in Nachtbars, Spielhallen und Geschäften ausgetragenen Rivalitäten reichen bis in die Haftanstalten hinein, aus denen Häftlinge und Beamte für Wach- und Kampftätigkeiten gekauft werden. Kinder aus armen Familien werden in dem Milieu in den Sporthallen zu willfährigen Mitgliedern krimineller Gruppen herangezogen.

Solange sich am System Putin mit seinen Repressionen, mit Korruption und mangelnder Rechtsstaatlichkeit nichts ändert, werden auch in Russland die Missstände im Sport bestehen bleiben. Das ändert freilich nichts daran, dass es viele persönliche Erfolge und Mannschaftsleistungen selbstverständlich auch in diesem System gibt. 

Sport als Instrument politischer Karriere

Bekannte Sportler verhelfen Politikern und hohen Beamten, ihre Stellung zu halten oder in hohe Staatsämter zu gelangen. Es ist auch kein Geheimnis, dass hinter politischen Aktionen unter dem Deckmantel öffentlicher Interessen Unternehmer und Sportfunktionäre ihr ureigenen Ziele verfolgen. Umgekehrt nutzen Politiker die Welt des Sports zu Durchsetzung ihrer politischen Ziele. So entsenden Politiker Sportler in den Wahlkampf.  Sie stellen die Masse der Helfer und des Wachpersonals. Sportler, Schläger und Schutzleute schirmen bei Wahlen im Osten die Wahllokale vor unliebsamen Personen ab, sie setzen die Wahlkommissionen unter Druck und schüchtern Wahlbeobachter ein. Sie sorgen für alle möglichen Arten von Wahlmanipulationen, schleppen Urnen mit schon im Voraus eingeworfenen Stimmzetteln ein und verschaffen den Kandidaten des Regimes das gewünschte Ergebnis. Sie treten als Leibwächter führender Politiker auf, sorgen bei Demonstrationen für Ordnung oder torpedieren Aktionen der Opposition. Dies konnte man in den beiden vergangenen Jahren bei den Massendemonstration von Kremlanhängern, Nationalisten und Aktionen der Opposition etwa unter ihrem Politstar Alexei Nawalny gut beobachten.

Bei all dem kommt es sehr auf die Moral der Sponsoren und Sportfunktionäre an, ob sich ihre Sportzentren in Verbrechenslager verwandeln. Es gehört große Selbstdisziplin dazu, dass Fußballertransfers in Millionenhöhe, der Bau von Stadien und andere Sportanlagen und damit verbundene Finanztransfers nicht zu einer riesigen Aktion der Geldwäsche und des Betrugs ausarten. Weltmeisterschaften im Fußball und anderen Sportarten, die Olympischen Spiele wie bald in Sotschi 2014 und andere internationale Wettbewerbe verschaffen den siegreichen Ländern wie auch ihren Politikern enormes Prestige, eignen sich aber zugleich als Geldquellen legaler und illegaler Geschäfte.

Die Präsenz von Spitzenpolitikern in internationalen Sportverbänden verschafft ihnen ein zusätzliches Forum für Kontakte mit den Vertretern anderer Länder. So ist Präsident Putin Ehrenpräsident des Internationalen Samboverbands – Sambo ist eine russisch-sowjetische Kampfsportart.

Erfolgreiche Sportler können über ihre Sportkarriere den Sprung in die Politik wagen, meist werden sie von führenden Politikern dazu eingeladen. So wurde der berühmte georgische Fußballer Kacha Kaladse von Premier Iwanischwili zum Vizepremier und Energieminister befördert. Der Spitzenboxer Vitaly Klitschko kandidierte für das Bürgermeisteramt von Kiew. Er wurde als Parteiführer ins Parlament der Ukraine gewählt. 2015 will er für das Präsidentenamt kandidieren.

Ein typisches Beispiel für die Mischung von Politik, Business, Sport und Crime ist der kürzlich bei der Wahl des Präsidenten des Weltradsportverbands  (UCI) wieder einmal ins Rampenlicht getretene russische Oligarch Igor Makarow. Der Eigentümer des Öl- und Gaskonzerns ITERA, 51 Jahre alt, stammt aus Aschchabad, der Hauptstadt Turkmenistans. Er machte in Russland Karriere in der Wirtschaft und im Radsport und gehört laut Forbes-Liste zu Reichsten Männern der Welt. (http://www.forbes.com/profile/igor-makarov).

Dank seiner Beziehungen zu Präsident Putin steht er heute noch an führender Stelle im Öl- und Gasgeschäft sowie im Radsport. Er ist Präsident des Russischen Radfahrerverbands, Mitglied des Europäischen Radfahrerverbands und des Vorstands der International Cycling Union (UCI). Makarow gilt dank seiner Stellung und seiner Sponsorentätigkeit als einer der einflussreichsten Personen im modernen Radsport.

Im Ringen um eine neue Führung des Weltradsportverbands unterstützte Makarow den Briten Brian Cookson, der am 27. September 2013 auf dem Kongress in Florenz zum neuen Verbandspräsidenten gewählt wurde. Seine Wahl förderte er mit finanziellen Zuwendungen und einem spektakulären Dossier für UCI-Mitglieder über Korruption, Doping und andere Missstände unter dem alten Vorsitzenden Pat McQuaid. Zudem ist Makarow immer noch verärgert, dass die UCI unter dem damaligen Präsidenten McQuaid seinem Team Katjuscha 2012 „aus ethischen Gründen“, sprich Doping, die World-Tour-Lizenz verweigerte. Dabei rückte Makarows eigene Vergangenheit in den Hintergrund, dass nämlich sein Aufstieg als einstiger UdSSR-Spitzenfahrer von Gerüchten über Mafiakontakte und Geldwäsche begleitet war.  Makarows weithin verbreiteten Praktiken bringen den Sport in Russland und der anliegenden Region insgesamt in Verruf, so dass Experten diesen wohl nicht zu Unrecht als „Gangster-Sport“ bezeichnen.

Siehe auch: http://www.nzz.ch/aktuell/sport/uebersicht/eine-sehr-vertrackte-kampfwahl-1.18157242  und http://www.nzz.ch/aktuell/sport/uebersicht/cookson-stuerzt-mcquaid-1.18157917.

Russland Sport Ukraine Wirtschaft

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