13.01.2023 14:10:35
RUSSLAND
Von Ulrich Heyden
utins neuester Auftritt in der sibirischen Wildnis brachte Kommentatoren in Erklärungsnot. Warum der Macho Putin sich nun plötzlich als Schützer schwacher Vögel in einen zerbrechlichen Gleitdrachen zwängt, lässt sich mit den üblichen Begriffen, wie „Macho“ und „Diktator“, nicht erklären.
Der Kreml-Chef war Anfang Dezember mit einem motorisierten Gleitdrachen den Kranichen vorangeflogen http://rt.com/news/putin-cranes-flying-hope-460/. Doch wer genauer hinschaut, dem bleibt nicht verborgen, dass der Kreml-Chef mit seinen Auftritten als Jäger und Lada-Fahrer in Sibirien und als Amphoren-Taucher im Schwarzen Meer ganz verschiedene Bevölkerungsschichten und Interessensgruppen anspricht. Dahinter steht ein politisches Konzept (http://www.nachdenkseiten.de/?p=10766.) Der Kreml-Chef versteht sich nicht nur als Moderator verschiedener Macht-Clans aus Wirtschaft und Sicherheitsorganen sondern auch als Projektionsfläche für Wünsche und Hoffnungen aus allen Teilen der Bevölkerung. Und dass ein Präsident sich für schwache Vögel stark macht, bringt ihm durchaus Sympathie ein, allerdings auch Spott.
Mit seinem Flug im Gleitdrachen, auf den sich der Kreml-Chef eineinhalb Jahre vorbereitet hatte, klinkte sich der Präsident in das seit zwanzig Jahren laufende Programm zur Rettung der vom Aussterben bedrohten sibirischen Kraniche ein. Nach Schätzungen leben in Russland nur noch 2.000 dieser Tiere. Russische Vogelschützer bemühen sich jetzt um ihre künstliche Aufzucht. Doch damit die Jung-Kraniche nicht wie bisher bei ihrem Flug ins indische Winterquartier Opfer von Wilderern werden, haben die Ornithologen ein Ersatzquartier in Süd-Usbekistan ausfindig gemacht. Den zweiwöchigen Weg dorthin soll den Tieren ein weißes Leichtflugzeug als „Leittier“ weisen. Schon wochenlang haben weiß gekleidete Vogelschützer in einem Gleitflieger mit den Jung-Kranichen für die bevorstehende Reise in den Süden „trainiert“. Und auch Putin trainierte die Vögel mit seinem Einsatz im motorisierten Gleitflieger, wurde dabei allerdings tatkräftig von einem zweiten Mann im Flieger unterstützt.
Nach der spektakulären Flug-Aktion, schwärmte der Kreml-Chef von seinen „schönen Brüdern“ und dem „angenehmen Gefühl“ mit ihnen zu fliegen. Das Adrenalin habe „verrückt gespielt“, weil die Technik viel sensibler sei, als damals, bei seinem Flug im Kampfflugzeug nach Grosny.
Die russische Internet-Gemeinde wurde durch Putins PR-Aktion als Vogelschützer zu Höchstleistungen angespornt. Die User posteten Witzeleien ohne Ende http://www.livejournal.ru/themes/id/58193.
„Offenbar hat Wolodja nichts zu tun im Land. Ihm ist langweilig“, frotzelte der Livejournal.ru-User credo_n in Anspielung auf die Masse ungelöster sozialer Probleme im Land. User kuk_i witzelte, „bald wird er wahrscheinlich das Ei eines Dinosauriers ausbrüten“.
Spott gab es auch von Seiten der russischen Linken http://www.krasnoe.tv/node/15706.
Die linken Aktivisten meinen, dass Putin mit seinen PR-Auftritten versuche von sozialen Problemen abzulenken. Die akutesten Sorgen der Bevölkerung seien die Erhöhung der Wohnungs-Bewirtschaftungskosten, die Einführung von Schulgeld, die steigenden Kosten für die medizinische Versorgung und die Pläne des Arbeitgeber-Verbandes für eine 60-Stunden-Woche http://ria.ru/society/20101102/291842374.html.
Putin war offenbar gut vorbereitet. Auf einer Pressekonferenz wurde er von einem Journalisten gefragt, warum nicht gleich beim ersten Flug – Putin absolvierte insgesamt drei Flüge mit dem Gleitdrachen - alle Kraniche mitgeflogen seien. Dabei zog der Pressevertreter einen Vergleich mit den Russen, die Putin bei der Wahl die Stimme verweigert hatten.
Diese Anspielung parierte der Kreml-Chef souverän: Die „schwachen Kraniche“ seien beim ersten Flug nicht mitgeflogen, hätten sich aber beim zweiten Flug alle angeschlossen. Dass nicht gleich alle Kraniche mitgeflogen seien, sei „Schuld des Piloten“, der „zu schnell beschleunigt“ habe, meinte der Kreml-Chef ironisch und mit Anspielung auf die Bürger die ihn nicht unterstützten und sogar gegen ihn auf die Straße gehen. Versöhnlich meinte er, die Vögel, die ihr eigenes Nest bauen, seien so oder so „Mitglieder unserer Population“. Man müsse sie „vorsichtig behandeln“. http://www.gazeta.ru/business/news/2012/09/09/n_2521705.shtml.
Putins Flug mit den Kranichen beflügelte die Phantasien im russischen Internet. Hier noch einige Kostproben:
http://kon-budenogo.livejournal.com/356214.html
http://mamba.ru/diary/post.phtml?post_id=1579
http://blogs.mail.ru/mail/hamm77/5317CDBF6CCD6535.html
http://doctalovtyz.livejournal.com/1291392.html
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