13.01.2023 14:10:35
SIBIRIEN
Von Ulrich Heyden
ordanschläge auf russische Antifaschisten und Umweltschützer gab es bisher nur in großen Städten wie St. Petersburg und Moskau. Jetzt wurden 25 sibirische Umweltaktivisten überfallen, die in einem Zeltlager vor der Atomfabrik Angarsk campierten.
Es geschah im Morgengrauen. Die meisten schliefen noch, als 15 maskierte Jugendliche in Tarnuniformen mit Baseballschlägern, Eisenstangen und Druckluftgewehren über das Zeltlager herfielen. Der 26jährige Ilja Borodajenko aus der Stadt Nachodka hatte gerade Nachtwache. Das Mitglied der Gruppe „Autonome Aktion“ starb nach dem Überfall an einer Verletzung der Wirbelsäule. Sieben Umweltaktivisten liegen im Krankenhaus. Einem Jugendlichen mit einem Milzriss geben die Ärzte nur geringe Überlebenschancen.
Der staatliche russische Fernsehkanal RTR berichtete ausführlich über den Überfall. Der Sender verbreitete die Version der Polizei. Danach wollten „Hooligans“ das Zeltlager ausrauben. Einen politischen Hintergrund habe die Aktion nicht. Die Polizei nahm elf Verdächtige fest. Bei einem fand man einen Rucksack und ein Handy der Umweltschützer.
Die überfallenen Jugendlichen berichteten, die Angreifer hätten Nazi-Parolen gerufen, wie „Antifa – Abschaum“. Nach den Parolen und der Kleidung zu urteilen, habe es sich bei den Angreifern um Skinheads gehandelt. Die Polizei traf erst eine halbe Stunde nach dem Überfall im Zeltlager ein.
Die russische Atombehörde Rosatom drückte den Angehörigen der Jugendlichen ihr „tiefes Beileid“ aus. Man sei an der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen interessiert, erklärte Rosatom-Sprecher Sergej Nowikow. Nur so könne „die Kontrolle durch die Gesellschaft“ gewährleistet werden.
In einer Erklärung der russischen Umweltschutzorganisation „Ecodefense“ wird gefragt, wie die geplante Urananreicherungsanlage geschützt werden soll, „wenn die Sicherheit der Menschen von der Polizei nicht garantiert werden kann.“
Nach einem Vorschlag von Wladimir Putin soll das 1954 eröffnete Chemiekombinat von Angarsk, welches den Rohstoff für AKW-Brennstäbe herstellt, für 2,5 Milliarden Dollar zu einer internationalen Urananreichungsanlage ausgebaut werden. Umweltschützer befürchten eine Verseuchung der Region. Angarsk liegt nur 90 km vom Baikalsee entfernt.
Im Dezember demonstrierten 250 Umweltschützer gegen die Ausbaupläne in der Stadt Irkutsk. Die Proteste richteten sich auch gegen die Lieferungen von abgereichertem Uran aus dem westfälischen Gronau. Das abgereicherte Uran stammt aus der Urananreicherungsanlage des deutsch-britisch-holländischen Unternehmens Urenco.
Die russischen Behörden bestreiten, dass es sich bei den Lieferungen aus Deutschland um Atommüll handelt. Doch nach Meinung der russischen Umweltorganisation „Ecodefense“ ist das Uranhexafluorid aus Gronau noch sehr gefährlich. Auch kritisieren die Umweltschützer, dass nur ein sehr kleiner Teil des Atommülls aus Deutschland wieder angereichert werde. „Tausende Kilometer von Gronau entfernt türmen sich die radioaktiven Abfallberge“, erklärte der Sprecher von „Ecodefense“, Wladimir Slivjak.
Trotz des Überfalls hat die auch in Deutschland bekannte Organisation „Ecodefense“ am 26. Juli zusammen mit der Umweltorganisation „Baikal-Welle“ ein weiteres Öko-Camp in der Nähe des Chemiekombinats von Angarsk eröffnet.
Die Staatsanwaltschaft Münster hat ihr Ermittlungsverfahren gegen die Urenco Deutschland GmbH eingestellt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft stellt das von Urenco ausgeführte, abgereicherte Uran in Form von Uranhexafluorid keinen radioaktiven Abfall im Sinne des Strafgesetzbuches dar. In ihrem Einstellungsbescheid bestätigte die Justizbehörde die Rechtmäßigkeit der Transporte von abgereichertem Uran nach Russland.
Wegen „rechtswidriger Endlagerung von Atommüll“ in Russland hatten im vergangenen November Vertreter der russischen Umweltorganisation „Ecodefense“ gemeinsam mit dem „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.“ und dem „Arbeitskreis Umwelt Gronau“ bei der Staatsanwaltschaft Münster Anzeige gegen die Urenco Deutschland erstattet. Die ist nun vom Tisch.
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