Russische Behörden verurteilen HooligansRUSSLAND

Sieben Tage Haft für Nazi-Fahne in russischem Fußballstadion

Wie der Vorfall um die Nazi-Fahne im Fußballstadion der russischen Stadt Jaroslawl zeigt, gerät das, wogegen die Russen im zweiten Weltkrieg kämpften, bei den Jugendlichen allmählich in Vergessenheit – oder gar in Mode.

Von Ulrich Heyden

Ende Oktober kam es im Fußballstadion der russischen Stadt Jaroslawl zu einem nie dagewesenen Skandal. Auf der Fan-Tribüne von Spartak Moskau wurde während des Spiels von Spartak gegen Schinnik Jaroslawl eine original schwarz-rot-weiße Hakenkreuzfahne gezeigt. Die populäre Zeitung Sowjetski Sport dokumentierte den Vorfall am Folgetag mit einem Foto, doch der Aufschrei der Öffentlichkeit blieb aus.

Weil zwei Wochen nach dem Vorfall immer noch unklar war, ob die Polizei ein Strafverfahren gegen die Fahnen-Halter einleitet, brachte der Fußball-Club Spartak den Skandal zur Anzeige. Der Club-Besitzer und Milliardär, Leonid Fedun, begründete den Schritt gegenüber dem Internet-Portal http://www.rsport.ru damit, dass die Unklarheit darüber, ob die Sicherheitsorgane ein Strafverfahren gegen die Fahnen-Halter eingeleitet haben, „nicht hinnehmbar“ sei.

Der Fahnenträger gehört der „Russischen Front“ an

Drei Wochen nach dem Vorfall in Jaroslawl berichteten russischen Medien, dass einer der Fahnenträger wegen Demonstration faschistischer Symbolik zu sieben Tagen Haft verurteilt wurde. Bei dem Täter handelt es sich um den 24jährigen Roman Efimow. Der Verurteilte stammt aus dem östlich von Moskau gelegenen Gebiet Wladimir und gehört nach Angaben von Spartak-Chef Leonid Fedun der rechtsradikalen „Russischen Front“ an.

Die Strafe gegen den 24jährigen sei noch „milde“ gewesen, schreibt die Komsomolskaja Prawda, denn die Höchststrafe für das Zeigen einer Nazi-Fahne beträgt 15 Tage Gefängnis. Nach einem zweiten Fahnenhalter, der eine Gesichtsmaske trug, wird noch gefahndet.

Das Ewige Feuer mit Bier gelöscht

Dass die russische Öffentlichkeit auf den Vorfall nur wenig reagierte, weist auf ein generelles Problem hin. Der zweite Weltkrieg liegt lange zurück und die Heldentaten der Großväter haben für einen Teil der Jugendlichen keine Bedeutung mehr. Für viele Jugendliche scheinen die Weltkriegs-Denkmäler auch eher Monumente der offiziellen Politik zu sein, der man kritisch gegenübersteht. So kommt es immer wieder zu Schändungen von Kriegsdenkmälern, zuletzt im Februar in Astrachan, wo Jugendliche nachts das Ewige Feuer zum Andenken an die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs erstickten, weil es sie beim Fotografieren störte. In der nordrussischen Stadt Petrosawodsk löschten zwei betrunkene Jugendliche die ewige Flamme im August 2011 mit Bier. Immer häufiger gibt es auch Meldungen aus russischen Provinz-Städten und Dörfern, wo Kriegsveteranen von jungen Erwachsenen ihre Weltkriegs-Orden geklaut werden – zuletzt im Mai in der Stadt Lipezk -, um sie dann auf dem Schwarzmarkt zu verhökern.

Der Fußballclub Spartak Moskau hat schon seit Jahren ein Problem mit Rechtsradikalen, die sich unter den Fans festgesetzt haben. Nach dem Vorfall mit der Hakenkreuz-Fahne in Jaroslawl, hieß es in einer Erklärung des Fußballclubs, mit der Fahne sei das Andenken an die Soldaten geschändet worden, die gegen den deutschen Faschismus kämpften. Doch eine Debatte um den Vorfall blieb aus.

Manchen ist der Vorfall mit der Fahne peinlich

Der Vorfall mit der Hakenkreuzfahne ist vielen Fans peinlich. Doch auf dem Forum der Spartak-Fans http://www.fanat1k.ru findet man auch erstaunlich viele Einträge mit klarer rechtsradikaler Gesinnung. Es stünde in Deutschland nicht schlecht so schlecht um „rechte Symbolik“ wie man wegen der harten Strafen „dort“ annehmen müsse, schreibt etwa User „Clint Eastwood“ und veröffentlich als Beleg Fotos von rechten deutschen Ultras. Der User „Forcados“ schreibt, die Spartak-Fans hätten sich mit den Polizisten der Omon-Spezialeinheit „grandios“ geschlagen. Überall würden die Fans jetzt Kommentare posten wie „lass die Liberalen sehen, dass die Helden von Rus nicht ausgestorben sind.“

Derartige Posts überraschen nicht, hatten sich doch Moskauer Fußball-Fans in den letzten drei Jahren an ausländerfeindlichen Aktionen in Moskau beteiligt. Die letzte derartige Aktion ereignete sich Mitte Oktober nach dem Tod eines jungen Russen. 4.000 Anwohner griffen, unterstützt von Rechtsradikalen und Fußball-Fans einen Gemüse-Großhandel im Randbezirk Birjuljowo an, wo viele Kaukasier arbeiten.

Raketen landen auf dem Spielfeld

Das Spiel zwischen Spartak Moskau und Schinnik Jaroslawl am 30. Oktober, bei dem die Hakenkreuzfahne gezeigt wurde, wurde noch aus einem anderen Grunde zum  Skandal. In der zweiten Halbzeit kam es zu einer Massen-Schlägerei zwischen Spartak-Fans und behelmten Polizisten der Spezialeinheit Omon. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein. 78 Fans wurden festgenommen. Schinnik-Fans waren nach Augenzeugenberichten an den Schlägereien nicht beteiligt.

Ausgelöst wurde die Randale durch einen Flitzer im schwarzen Trainingsanzug, der einmal quer über das Spielfeld zur Tribüne der Spartak-Fans lief, wo er lachend begrüßt wurde. Wie sich später herausstellte war der Flitzer – ein Mann in mittlerem Alter - in Moskau gemeldet. Der Club Schinnik Jaroslawl erklärte in einer Stellungnahme, der Mann sei unter den Fans in Jaroslawl nicht bekannt.

Als der Flitzer dann in einer Gruppe von behelmten Polizisten verschwand und offenbar festgenommen wurde, begannen Spartak-Fans die Polizisten mit herausgerissenen Sitzschalen zu bewerfen. 800 Stühle gingen zu Bruch. Fans durchbrachen die Absperrung zum Spielfeld. Die mit  Helmen und Schildern ausgerüsteten Mitglieder der Spezialeinheit Omon (im russischen Fan-Slang „Kosmonauten“) stoppten hunderte von Spartak-Fans, welche die Absperrungen zum Spielfeld durchbrochen hatten.

Das Spiel musste für 30 Minuten unterbrochen werden. Doch trotz dieser extremen Vorfälle entschieden sich die Organisatoren, das Spiel fortzusetzen. Spartak siegte gegen den Fußballclub aus Jaroslawl mit 1:0.

Wasserwerfer-Einsatz schadet dem Image Russlands

Die Russische Fußball-Union verhängte wegen der Krawalle gegen die beiden Clubs Spartak Moskau und Schinnik Jaroslawl harte Strafen. Schinnik musste dreimal vor leeren Tribünen spielen und 11.000 Euro zahlen.  Spartak musste zweimal ohne Zuschauer spielen und 13.000 Euro zahlen. Spartak erhielt die Strafe wegen dem massenhaften Einsatz von Pyrotechnik und dem Zeigen der Hakenkreuzfahne. Schinnik erhielt die Strafe wegen ungenügender Sicherheitsvorkehrungen im Stadion
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Wie man auf den Foren der Spartak-Fans im Internet lesen kann, ist der Ärger über die Strafen für den eigenen Club – zwei Spiele ohne Zuschauer - groß. Doch niemand scheint daran zu glauben, dass diese Strafen etwas an der Gewaltbereitschaft der Störer ändern werden. Der User liver0910 meint, die Unruhestifter würden sich durch solche Strafen nicht abschrecken lassen. Nach „ihrer Psychologie“ sei „sowieso alles Scheiße“.

Über den Wasserwerfer-Einsatz sind die Spartak-Fans zwar sauer, aber die Wut darüber scheint schon wieder abgeebbt zu sein. Der Einzige, der den Einsatz des Wasserwerfers öffentlich kritisierte, war der Sportminister Russlands, Vitali Mutko. „In welchem Land der Welt kann man so was noch sehen“, fragte der Minister. Ein  Wasserwerfer-Einsatz schade dem Image Russlands und schrecke Investoren ab. So ein Einsatz sei „nicht normal“ für ein Land, welches 2018 die Fußballweltmeisterschaft durchführen will.

Angespannte Stimmung in Moskaus Außenbezirken

Was sich in der Moskauer Fußball-Fan-Szene abspielt, gibt auch Aufschluss über die gespannte Stimmung in den Plattenbau-Vierteln der Moskauer Außenbezirke, wo es keine teuren Restaurants und Boutiquen gibt und wo keine Bentleys vor Nachtclubs parken. Dort leben Jugendliche, die sich keine großen Anschaffungen leisten können und die angereisten Gastarbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien nicht nur als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt sondern auch als Feinde sehen, die man am liebsten mit Gewalt vertreiben würde. Durchaus typisch für die aggressive Stimmung in Teilen der Moskauer Jugend ist folgender Post in der Online-Ausgabe Komsomolskaja Prawda zum Polizeieinsatz während des Spiels in Jaroslawl: „Die kampffähigen Einheiten der Jugend werden langsam vernichtet. Es bleiben nur feige Zeitgenossen im Renten-Alter und Schwule. Danach kann man Russland mit nackten Händen nehmen und in ein Kalifat verwandeln.“

Eine demokratische und linke Fan-Szene, die der Wühlarbeit rechter Extremisten in den Fußball-Clubs mit eigener Aufklärungsarbeit etwas entgegensetzt, gibt es bisher nicht. Linke Sportclubs sind lediglich im Bereich Freistilringen aktiv. Die populäre Zeitschrift Sowjetski Sport veröffentlichte einen Tag nach dem von Randale überschatteten Spiel das Foto von der Hakenkreuz-Fahne http://www.sovsport.ru/s/user/PIZkUyByCiAKVmd1.JPG.

Auch der Vorfall, mit dem die Randale begann, als ein Flitzer, der in Moskau gemeldet ist, einmal quer über das Spielfeld zur Spartak-Tribüne lief und dort offenbar festgenommen wurde, ist im Internet zu sehen https://www.youtube.com/watch?v=XfPzD1KdBR0.

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