Russischer Oberarzt empfiehlt Hitze-SiestaMOSKAU

Russischer Oberarzt empfiehlt Hitze-Siesta

Weil die meisten Arbeitsplätze nicht klimatisiert sind, empfiehlt Russlands Oberarzt Gennadi Onistschenko eine Siesta nach spanischem Vorbild. Doch die Arbeitgeber fürchten ein Ausufern der Disziplinlosigkeit.

Von Ulrich Heyden

E s ist sehr schwer zu arbeiten, man möchte ständig schlafen.“ Oder:  „Es ist unmöglich sich zu konzentrieren und zu denken.“ Das waren einige der typischen Antworten einer Befragung, welche die Moskauer Internetzeitung gazeta.ru in diesen Tagen veröffentlichte.

In ganz Russland wurden in den letzten Wochen historisch einmalige Temperaturrekorde gemeldet. Die Nachfrage nach Klimaanlagen ist um 300 Prozent, die Nachfrage nach Ventilatoren gar um 460 Prozent gestiegen, berichtet gazeta.ru.

In Moskau kann es im Sommer sehr heiß werden. Doch eine derartige Hitzewelle hat es in der 13-Millionen-Metropole noch nie gegeben. Seit vier Wochen pendelt das Thermometer in der Metropole um die 35 Grad.

In Moskauer Großunternehmen gibt es immerhin Klimaanlagen, aber in der russischen Provinz müssen sich die meisten Angestellten mit einfachen Ventilatoren begnügen. Nach einer Umfrage der Personal-Firma Headhunter, sind von 2.100 Befragten in ganz Russland nur 37 Prozent zufrieden mit der Klimaregulierung am Arbeitsplatz. Die Hälfte der Befragten würde am Liebsten den Arbeitsplatz wechseln.

Mancher stiehlt sich von der Arbeit davon

Viele Angestellte suchen nach individuellen Auswegen. Manche machen unbezahlten Urlaub oder lassen sich wegen einer Bronchitis krankschreiben. Manch einer stiehlt sich früher vom Arbeitsplatz weg und hofft, dass es nicht bemerkt wird. Zehn Prozent aller Moskauer Büros schicken ihre Mitarbeiter inzwischen ein bis zwei Stunden früher nach Hause. Manche Unternehmen genehmigen auch jede Stunde 15 Minuten Pause. Der strenge Dress-Code im Büro, Jacket und Schlips bei den Männern, Seidenstrümpfe und bedeckte Arme bei den Frauen wurde längst gelockert, die für den Juli angesetzten Betriebsfeiern hat man in den Herbst verlegt. Doch den Angestellten graut vor den nächsten Tagen. Das Thermometer soll in Moskau auf 40 Grad steigen, die Hitzewelle bis zum August anhalten.

Die Straßen werden besprengt

Die Hitze in der Metropole Moskau ist wegen Staub und erhitztem Asphalt und Beton nur schwer zu ertragen, das meinen selbst die Gemüsehändler aus Aserbaidschan, die in ihrer Heimat ähnliche Temperaturen gewohnt sind. „In Baku ist das Klima besser“, meint Ganimat, ein Verkäufer aus Baku. Sein Kollege nickt zustimmend.

Die Moskauer Stadtverwaltung tut was sie kann. Springbrunnen plätschern nun auch nachts. Frühmorgens fahren Tankwagen durch die Straßen und Wohnbezirke. Sie besprengen den erhitzten Asphalt mit Wasser. Dass die Moskauer inzwischen auch überall dort in den Moskwa-Fluss springen, wo große Badeverbots-Schilder stehen, ist scheinbar unausweichlich. Notgedrungen bewachen die Mitarbeiter des Katastrophenschutzes jetzt auch „wilde“ Badestrände.

Arbeitgeber gegen Siesta

Russland Oberarzt Gennadi Onistschenko hat den Arbeitgebern bereits vorgeschlagen nach dem Mittagessen eine Extrapause einzuführen. Doch von einer Siesta nach spanischem Vorbild wollen die russischen Arbeitgeber nichts wissen. Sie fürchten ein Ausufern der Disziplinlosigkeit am Arbeitsplatz. Der Direktor des Personal-Unternehmens Headhunter, Michail Schukow, meinte, „man muss arbeiten, die Zeit während des Arbeitstages klug nutzen, und nicht noch einen Vorwand suchen, um nichts zu tun.“ Die Arbeitgeber sollten sich aber um eine gute Belüftung der Arbeitsplätze kümmern und den Angestellten gelegentlich ein Eis kaufen. „Das hebt die Stimmung“, so der Personal-Experte.

Etwa die Hälfte der Moskauer hat eine Datscha im Umland. Insbesondere die älteren Leute haben sich jetzt mit ihren Enkeln dorthin zurückgezogen. Doch auch auf den Datschen ist es jetzt ebenfalls sehr heiß. Und inzwischen herrscht dort auch Wassernot. Die Brunnen sind ausgetrocknet, so dass die mühsam gezogen Tomaten auch hier zu vertrocknen drohen.

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