09.08.2023 13:11:56
BALKAN
Von Ulrich Heyden
as das Kosovo betrifft, stellt sich Russland quer. Als Wladimir Putin im Herbst westliche Russland-Experten und Journalisten in seine Vorstadtresidenz Nowo-Ogarjewo geladen hatte, wurde dies schnell klar. Seinen Besuchern sagte der Kreml-Chef ohne Umschweife, für den Fall, dass im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution zur Unabhängigkeit des Kosovo vorgelegt wird, „schließen wir nicht aus, dass wir von der Möglichkeit unseres Veto-Rechts Gebrauch machen.“ Der russische Präsident unmissverständlich: „Wir haben die Resolution Nr. 1244 und niemand hat sie außer Kraft gesetzt.“ Mit dieser 1999 beschlossenen UN-Resolution wurde das Kosovo zwar unter UN-Aufsicht gestellt, gleichzeitig wurde die Region aber als Teil Serbiens definiert.
Mit Putins „Njet“ wird ein von den westlichen Staaten ausgearbeiteter Plan für eine bedingte Unabhängigkeit des Kosovo in Frage gestellt. In der Jugoslawien-Kontaktgruppe sind neben Russland und den USA, Deutschland, England, Frankreich und Italien vertreten. Nach den Vorstellungen der westlichen Staaten soll das Kosovo einen Sitz in den Vereinten Nationen, eine eigene Armee und einen eigenen Geheimdienst bekommen. Den völkerrechtlichen Status klammerte man vorerst aus.
Der außenpolitische Experte Sergej Karaganow glaubt, dass sich Russland im Sicherheitsrat der Stimme enthält. Im Interview mit dem EURASISCHEN MAGAZIN erklärte Karaganow, der auch die Regierung berät, Russland habe bewusst keinen eigenen Plan für das Kosovo vorgelegt. „Wir werden unsere Freunde im Westen nicht vor den Folgern ihrer Fehler retten und dafür die Verantwortung übernehmen.“
Wenn es nach dem Kreml geht, wird die Anerkennung des Kosovo für den Westen teuer. Russland will im Gegenzug Abchasien und Süd-Ossetien, die sich 1992 in Bürgerkriegen von Georgien abgespalten hatten, als unabhängige Staaten anerkennen. Putin erklärte in Novo-Ogarjewo, der Kosovo und die Gebiete in Georgien „unterscheiden sich nicht. Man kann nicht hinsichtlich des Kosovo eine Regel anwenden und in Bezug auf Abchasien und Süd-Ossetien eine andere.“ Putin warnte, die Unabhängigkeit des Kosovo könne zur Destabilisierung „in der Region“ führen. Noch leben im Kosovo 100.000 Serben. Wenn die Region unabhängig werde, droht ihnen – so die Moskauer Prognose - die Vertreibung. Putin verwies auf die Erfahrungen im Irak. Im kurdischen Teil des Landes „hängen nur noch kurdische Flaggen, irakische Flaggen hängen dort nicht mehr.“
Dass es in Bezug auf die „eingefrorenen Konflikte“ im Kaukasus und in Moldawien erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Westen gibt, zeigt auch der Konflikt um Transnistrien, welches sich 1992 nach einem Bürgerkrieg von Moldawien abspaltete. Putin erklärte seinen Zuhörern in Nowo-Ogarjewo, Russland sei bereit mit den Partnern in Europa an der Regulierung von Konfliktsituationen - „wo sie auch entstehen“ - zu arbeiten. Der Kreml-Chef nannte die selbsternannte armenische Republik Nagorni-Karabach in Aserbaidschan, die abtrünnigen Gebiete in Georgien und das in Moldawien gelegene Transnistrien.
Leider gelänge es aber „nicht immer unsere Tätigkeit abzustimmen.“ Der 2003 von Russland vorgelegte Föderalisierungs-Plan für Moldawien scheiterte – so Putin - „an den Ängsten unserer westlichen Partner“. Russland hatte mit einem Memorandum versucht, seinen Einfluss in Moldawien langfristig zu sichern. Mit dem Dokument wäre die korrupte Regierung der selbsternannten „Transnistrien-Republik“ aufgewertet worden und die in Transnistrien stationierten russischen Truppen hätten eine Bestandsgarantie für 20 Jahre bekommen. Der EU-Sicherheitsbeauftragte Javier Solana hatte damals bis zur buchstäblich letzten Minute um den Einfluss des Westens gekämpft. In einem nächtlichen Telefongespräch hatte er den moldawischen Präsidenten Wladimir Woronin dazu überredet, das russische Memorandum nicht zu unterschreiben.
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