Russlands Präsident Putin über Kinder und WölfeLAGE DER NATION

Russlands Präsident Putin über Kinder und Wölfe

Der Kremlchef will den Geburtenrückgang stoppen und die USA durch die Modernisierung der Armee beeindrucken. Außerdem hat er der Korruption den Kampf angesagt und entsprechende Strafverschärfungen angekündigt. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, China und Indien soll weiter fortgeführt werden.

Von Ulrich Heyden

K napp zwei Jahre vor dem Ende seiner zweiten und damit wahrscheinlich letzten Amtszeit hat Wladimir Putin noch einmal politisches Profil gezeigt. Seine einstündige Rede zur Lage der Nation, die vom Fernsehen aus dem Marmorsaal des Kremls live übertragen wurde, begann der russische Präsident diesmal nicht mit Ausführungen zur Wirtschaftslage, sondern mit dem Thema Bevölkerungsrückgang. 

Was das Wichtigste im Lande sei, fragte Putin rhetorisch. Dann wandte sich der Kreml-Chef direkt an den Verteidigungsminister und erklärte, das Wichtigste sei „die Liebe, die Frauen und die Kinder.“ Die 1.000 geladenen Gästen, unter ihnen waren die Abgeordneten der beiden Parlamentskammern, der neu geschaffenen „Bürgerkammer“ und Vertreter der Kirchen, machten freundliche Gesichter und applaudierten kräftig. Der jährliche Rückgang der Bevölkerung um 700.000 Menschen sei das zur Zeit „drängendste Problem“ des Landes, erklärte Putin. Obwohl das Thema schon öfter angesprochen worden sei, habe sich „wenig geändert“. Der Kreml-Chef kündigte an, das Kindergeld und andere Zuschüsse für Mütter mit Beginn nächsten Jahres kräftig zu erhöhen.

Mehr Geld für ein Mütterprogramm

Das Kindergeld für das erste Kind soll von 750 auf 1.500 Rubel – das sind umgerechnet 44 Euro - und für das zweite Kind auf 3.000 Rubel (88 Euro) im Monat erhöht werden. Frauen, die ein zweites Kind bekommen, will der Staat mit einem „Mütter-Kapital“ von 250.000 Rubel (7.350 Euro) unter die Arme greifen. Damit soll die Aufnahme von Hypotheken möglich werden. Finanzminister Aleksej Kudrin erklärte, für das Mütterprogramm würden mit Beginn des nächsten Jahres 40 Milliarden Rubel (1,17 Mrd. Euro) bereitgestellt.

Der Kreml-Chef schlug außerdem vor, die Adoptierung von Waisenkindern materiell zu fördern. Zur Zeit leben in russischen Waisenhäusern 200.000 Kinder. „Die Ausländer adoptieren bei uns mehr Kinder als bei uns im eigenen Land adoptiert werden“, sagte der Präsident. Für Adoptivkinder soll der Zuschuss auf monatlich 4.000 Rubel (117 Euro) erhöht werden. Putin forderte auch eine „effektive Migrationspolitik“. Man müsse den Zuzug von „qualifizierten und gesetzestreuen“ Arbeitskräften aus dem Ausland fördern. Die zunehmenden rassistisch motivierten Überfälle auf Ausländer erwähnte der Präsident in seiner Rede nicht.

Weniger Korruption durch härtere Strafen

Als weiteres zentrales Problem nannte Putin die Korruption. In den 90er Jahren hätten sich bestimmte Leute „auf Kosten des Volkes“ in einem Maß bereichert, wie es das noch nie in der russischen Geschichte gegeben habe. Auch heute gäbe es noch Beamte und Unternehmer, die sich auf ungesetzlichem Wege bereichern. Diesen Leute werde man weiter „auf die Hühneraugen treten“.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Kreml-Chef die Korruption nun flächenmäßig ohne Berücksichtigung von Amt und Namen verfolgt. Eher wahrscheinlich sind Strafmaßnahmen mit Beispielcharakter, wie gegen den ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowski, der kein typischer „Korruptionär“ war, dafür aber politische Ambitionen gezeigt hatte.

Das Wettrüsten ist noch nicht zu Ende

Angesichts zunehmender Konfliktherde auf der Welt und der weiter existierenden Gefahr des Terrorismus sei die Modernisierung der Armee „äußerst wichtig“, erklärte Putin. Russland werde in nächster Zeit seine Marine mit zwei hochmodernen Atom-U-Booten ausrüsten. Dies seien die ersten strategischen Atom-U-Boote, die im neuen Russland in Dienst gestellt würden. Die Schiffe führten Lenkwaffen vom Typ „Bulawa“ („Keule“) mit sich. Die Raketen dieses Typs bildeten zusammen mit der an Land stationierten Lenkwaffe Topol M („Pappel“) jetzt das nukleare Rückrat des Landes. Bis 2008 sollen zwei Drittel des Armee-Personals Berufssoldaten sein. Der bürokratische Apparat würde abgebaut, die Wehrpflicht auf zwölf Monate herabgesetzt.

Der Kreml-Chef sparte nicht mit scharfen Worten Richtung Washington. „Wie das Sprichwort sagt: Kamerad Wolf weiß, wen er fressen muss. Er frisst ohne zuzuhören.“ Russland müsse ein sicheres und zuverlässiges Haus bauen, dürfe dabei aber nicht die Fehler der Sowjetunion wiederholen. Statt Hochrüstung gehe es um die Stärkung des intellektuellen Potentials. „Je stärker unser Militär ist, umso geringer wird die Versuchung sein, Druck auf uns auszuüben.“

Russland werde weiter mit der EU, den USA, China, Indien und anderen Staaten zusammenarbeiten. Mit der Europäischen Union wolle man die vier gemeinsamen Räume Wirtschaft, Innere Sicherheit, Äußere Sicherheit und  Kultur weiterentwickeln.

Der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow lobte die Rede von Putin, fragte aber auch: „Wer soll das umsetzen?“ Angesichts der Tatsache, dass die Korruption im Beamtenapparat so tiefe Wurzeln geschlagen hat, eine berechtigte Frage.

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