Schauprozeß gegen eigenwilligen OligarchenDER FALL YUKOS

Schauprozeß gegen eigenwilligen Oligarchen

Schauprozeß gegen eigenwilligen Oligarchen

Der ehemalige Yukos-Chef Chodorkowski steht vor Gericht – seine fruheren engsten Vertrauten gehen auf Distanz zu ihm und suchen den Schulterschluß mit dem Kreml.

Von Ulrich Heyden

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Michail Chodorkowski 

EM – Öl-Milliardär Michail Chodorkowski, der seit Ende Mai wegen Steuerhinterziehung und Betrug in Moskau vor Gericht steht, verfolgt das Verfahren aus einem Gitterkäfig. Neben ihm sitzt sein Finanzberater, der ehemalige Präsident der „Menatep Group“, Platon Lebedew. Chodorkowski drohen zehn Jahre Lagerhaft. Der ehemalige Chef des Yukos-Konzerns, dem immer noch größten Ölunternehmen Rußlands, lächelt. Er ist sich seiner Sache sicher. Vor dem Meschtschanski-Gericht skandieren Stundenten mit roten T-Shirts – auf dem Rücken das Konterfei Chodorkowskis – „Freiheit“, „Freiheit“. Die Anwälte forderten wiederholt die Freilassung des Angeklagten, bisher ohne Erfolg. In der russischen Bevölkerung findet das harte Vorgehen gegen die Yukos-Manager überwiegend Unterstützung. Laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts WZIOM halten es nur 16 Prozent der Russen für unzulässig wegen Steuerhinterziehungen angeklagte Bürger in einem Untersuchungsgefängnis zu inhaftieren.

Unterstützung bekamen Chodorkowski und Lebedew vom Vorsitzenden des russischen Unternehmerverbandes, Arkadi Wolski. Die Inhaftierung der Angeklagten sei „absolut unzulässig“, so etwas gäbe es „nirgendwo auf der Welt“, erklärte der erfahrene Verbandschef, der sich auch um das Schicksal der 175.000 Yukos-Mitarbeiter sorgt. „Was wird aus ihnen, wenn das Unternehmen in den Bankrott geht?“, fragte er im Radio Echo Moskwy.

Nach der Verhaftung Chodorkowskis im Oktober letzten Jahres war es im Unternehmerlager auffällig still geworden. Plötzlich suchten alle die Nähe zum Kreml, wie etwa Roman Abramowitsch, der nach dem Kauf des englischen Fußballclubs Chelsey nun auch den russischen Armeeclub ZSKA mit einer 54-Millionen-Dollar-Spende beglückte, offensichtlich, um den Beamten des russischen Rechnungshofes, die gegen ihn ermitteln, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Andere Oligarchen, wie Wladimir Potanin hielten sich auffällig lange im Ausland auf. Doch mit Inhaftierungen anderer Großunternehmer, die in den Zeiten der wilden Privatisierung der 1990er Jahre auf nicht immer legalen Wege zu Geld und Macht gekommen sind, rechnet eigentlich niemand.

Der Schauprozeß gegen die ehemaligen Yukos-Chefs ist offenbar als Demütigung der russischen Unternehmer gedacht. Der Kreml zeigt, wer sich – wie Chodorkowski – auf politisches Terrain begibt, liberale Oppositionsparteien unterstützt und amerikanischen Ölkonzernen strategische Unternehmensteile zum Verkauf anbietet, gegen den wird ermittelt. Und die Missetaten Chodorkowskis aus den 1990er Jahren sind schnell zusammengestellt.

Yukos-Aktien wieder gestiegen

Für Aufregung am Aktienmarkt sorgte Mitte Juni eine Äußerung von Wladimir Putin. Der Kreml-Chef hatte auf die Frage eines Journalisten erklärt, der Bankrott „eines Unternehmens wie Yukos“ sei nicht wünschenswert. Die Regierung solle „sich bemühen“, daß das Unternehmen erhalten bleibe. Nachdem der Präsident gesprochen hatte, stiegen die Aktienkurse des Öl-Konzerns um 34 Prozent. Bisher pendelten die Yukos-Aktien auf niedrigem Niveau, schließlich droht dem riesigen Unternehmen der Bankrott. Der russische Fiskus fordert die Zahlung von umgerechnet drei Milliarden Euro Steuerschulden. Das Verfahren läuft getrennt vom Prozeß gegen den ehemaligen Yukos-Chef.

Wenn der Konzern seine Zahlungsunfähigkeit erklären muß, was wahrscheinlich ist, weil große Teile des Yukos-Eigentums vom Staat beschlagnahmt wurden, wird das Eigentum des Konzerns konfisziert und versteigert. Die Tageszeitung „Iswestija“ berichtete, während der Zahlungsfrist werde voraussichtlich bereits „über die Bedingungen der Kapitulation verhandelt“. Es gehe dabei um den zukünftigen Anteil des Staates an dem bisher privaten Ölkonzern. Die Verhandlungen mit dem Staat führt voraussichtlich der ehemalige russische Zentralbankchef Viktor Geraschenko, der auf der Aktionärsversammlung am 24. Juni zum neuen Vorsitzenden des Yukos-Direktorenrates gewählt wurde.

Kapitulationserklärung der Manager

Bei den Yukos-Managern führte die Aussicht auf einen möglichen Bankrott des Unternehmens offenbar zu einer Panik. Ein von der „Iswestija“ veröffentlichter Brief der Manager an den russischen Ministerpräsidenten Michail Fradkow gleicht einer Kapitulationserklärung. In dem Brief, der von Yukos-Vize Juri Bejlin und dem Vorsitzenden des Yukos-Gewerkschaftskomitees Aleksej Chamrakulow unterschrieben ist, wird ein Plan zur Rettung des Unternehmens entworfen. Die Manager distanzieren sich von dem inhaftierten Ex-Chef Michail Chodorkowski, der allerdings nicht namentlich genannt wird. „Die Finanzpolitik der früheren Leitung und einiger Großaktionäre“ habe „zu einem erheblichen Steuerrückstand und das Unternehmen Yukos an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geführt“, heißt es in dem Schreiben. Unabhängig von der Gerichtsentscheidung über die Steuerschulden sehe das Unternehmen „die Notwendigkeit“ „zusätzlicher Steuerzahlungen“ für die letzten Jahre. Die Manager erklären, man werde das Aktienkontrollpaket von Yukos – welches der auf Gibraltar ansässigen Investmentgesellschaft „Menatep Group“ gehört – zur Begleichung der Yukos-Steuerschulden einlösen.

Die Hauptaktionäre der Menatep-Gruppe – zu ihnen gehört auch der inhaftierte Michail Chodorkowski – sollen nach Medienberichten zum Verkauf bereit sein. Ein Teil der Yukos-Aktien soll dann, so heißt es in dem offenen Brief weiter, an staatliche oder „vom Staat gebilligte Unternehmen“ verkauft werden. Wenn man die Rückzahlungsfrist der Steuerschulden um zwei Jahre ausweite, so hoffen die Manager, könnten mit dem Erlös die Schulden von drei Milliarden Euro beglichen werden. Wie die „Iswestija“ berichtete, ist das Yukos-Management zum Rücktritt bereit, wenn der Staat dies fordere. Das russische Unternehmerlager schweigt bisher. Offenbar wartet man auf den Ausgang des Verfahrens. Roman Abramowitsch – so wird gemunkelt – ist dabei seine Geschäfte ins Ausland zu verlegen.

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