Schonraum für den Kronprinzen Sergej IwanowPUTIN-NACHFOLGE

Schonraum für den Kronprinzen Sergej Iwanow

Schonraum für den Kronprinzen Sergej Iwanow

Anstatt sich mit den Problemen der russischen Armee herumschlagen zu müssen, bekommt der ehemalige Verteidigungsminister Sergej Iwanow nun von Putin die Möglichkeit, sich für die Präsidentschaftswahlen 2008 in ein günstiges Licht zu setzen. Als erster stellvertretender Ministerpräsident ist er von den Alltagssorgen wegen nicht enden wollender Armeeskandale befreit.

Von Ulrich Heyden

Sergej Iwanow  
Sergej Iwanow  

W enn er irgendwo auftritt, wirkt er oft so steif, als habe er einen Stock verschluckt. Sein Lächeln ist nicht gewinnend, eher listig. Doch überheblich ist Sergej Iwanow, den Putin am Donnerstag zum „ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten“ beförderte und vom Amt des Verteidigungsministers befreite, nicht. Das macht wohl die Schule für Aufklärer, die Iwanow in den 70er Jahren absolvierte. Der 54jährige fixiert seine Gesprächspartner sehr aufmerksam. Dabei scheint er die Informationen in verschiedene Schubladen zu packen, so wie in den 80er Jahren, als er für die sowjetische Spionage in Finnland, Großbritannien und Kenia arbeitete.

Iwanow kommt aus einer Familie von Militärangehörigen. Vom Typ ist er Intellektueller. Als Putin ihn Ende 2001 zum Verteidigungsminister berief, war das für den Geheimdienstmann eine echte Herausforderung. An den rauhen Ton in der Armee und die immense Aufgabenlast musste er sich erst gewöhnen. Mehrmals beklagte Iwanow die Überlastung durch das Amt. Eines Tages klemmte plötzlich ein Nerv. Tageland sah man den Verteidigungsminister mit steifem Bein humpeln. „Es ist schon schwer, auf zwei Stühlen zu sitzen, jetzt versuche ich auf dreien zu balancieren“, erklärte er in einem Al Dschasira-Interview im Dezember 2006.

Am Kabinettstisch sitzen sich die möglichen Putin-Nachfolger gegenüber

An dem langen Tisch des russischen Regierungskabinetts sitzen sich nun die beiden möglichen Putin-Nachfolger Sergej Iwanow und Dmitri Medwedjew direkt gegenüber. Beide sind jetzt „erster stellvertretender Ministerpräsident“ und somit ranggleich.
 
Der Professorensohn und Jurist Medwedjew ist das Gegenteil von Iwanow. Er wirkt gewandt, gibt sich liberal und hört sich gerne die Sorgen der einfachen Leute an. Das russische Fernsehen zeigte in den letzten Monaten, wie Medwedjew durch russische Provinzstädte tourt und die Umsetzung der neuen russischen Sozialprogramme kontrolliert.

Der ehemalige Verteidigungsminister war immer an Putins Seite. Während seiner Ausbildung beim KGB und der Tätigkeit für die Auslandsaufklärung kreuzten sich die Wege von Iwanow und Putin mehrmals. Als der Kreml-Chef 1998 den Inlandsgeheimdienst FSB leitete, war Iwanow sein Stellvertreter.  Dass Putin seinen langjährigen Vertrauten gerade jetzt befördert, hängt offenbar auch mit der Rede zusammen, die der Kreml-Chef in München hielt.  Auf der internationalen Sicherheitskonferenz hatte der Kreml-Chef „die Sicherheit als Priorität bezeichnet, darum ist die Rolle von Iwanow gestiegen“, erklärte der kremlnahe Polit-Technologe Gleb Pawlowski.

Dem Westen gegenüber ist Iwanow höchst misstrauisch. Die geplante amerikanische Raketenabwehr in Osteuropa kritisierte er mit scharfen Worten. Iwanow gefällt sich in der Rolle des Prellbocks gegenüber den USA. Unter Verteidigungsminister Iwanow wurden Milliarden-Rüstungsaufträge mit Indien abgewickelt. Auch das erste russisch-chinesische Manöver, bei dem eine Luftlandeoperation gegen Separatisten geübt wurde, fand unter der Ägide Iwanow statt.   

Mit der Amtsbeförderung möchte Putin nun - ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen – seinen Vertrauten Iwanow von Alltagssorgen befreien und vor Armee-Skandalen schützen. Iwanow soll sich weiter um die Rüstungsindustrie kümmern. Zusätzlich gehört jetzt auch die „Erneuerung“ der übrigen russischen Industrie zu seinem Aufgabenbereich. Putin lobte Iwanow für das bisher Geleistete. Die russische Rüstungsindustrie habe im letzten Jahr ein Export-Rekordergebnis von sechs Milliarden Dollar eingefahren. Erste Erfahrungen mit dem zivilen Bereich der Wirtschaft machte Iwanow bereits. Im letzten Jahr leitete er die Zusammenführung der zivilen und militärischen russischen Flugzeugbauer in einem Konzern.

Iwanows Sohn fuhr eine Frau tot – die Geschichte hat dem Image des Vaters geschadet

Bei den immer wiederkehrenden Armee-Skandalen hatte der nun ehemalige Verteidigungsminister eine oft mehr als peinliche Figur abgegeben. Als Fernsehreporter ihn im Januar 2006 auf den Rekruten Andrej Sytschow ansprachen, erklärte Iwanow: „Ich glaube, dass es dort nichts Ernstes gibt. Andernfalls hätte ich auf jeden Fall davon gehört.“  Dem Wehrpflichtigen Sytschow hatten nach Quälereien durch andere Soldaten in der Sylvesternacht beide Beine und die Geschlechtsteile amputiert werden müssen. In der Armeeführung hielt man den Fall offenbar für so gewöhnlich, dass man den Verteidigungsminister gar nicht erst informierte.

Iwanow hängt noch eine andere Geschichte an, die seinem Image schweren Schaden zufügte. Sein Sohn Aleksandr hatte im Mai 2005 eine alte Frau überfahren, die Zeugenaussagen zufolge bei Grün über einen Zebrastreifen ging. Die Frau verstarb, Iwanows Sohn wurde freigesprochen. Die Fernsehjournalistin Olga Romanowa, die über den Fall beim russischen Kanal Ren TV berichtete, wurde im November 2005 entlassen.

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