Strahlende LuftfrachtKERNENERGIE

Strahlende Luftfracht

Kurz vor Weihnachten wurden 300 Kilo Uran mit dem Flugzeug von Dresden nach Russland transportiert. Es war Kernbrennstoff aus der ehemaligen Sowjetunion. Die atomare Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland wird immer enger – auch bei der Verschrottung der rostigen Armada ausgemusterter Atom-U.Boote arbeiten beide Länder zusammen.

Von Ulrich Heyden

D eutschland und Russland - Brüder im Atom-Geschäft? Vieles deutet darauf hin. Kurz vor Weihnachten wurden vom Flughafen Dresden 200 Kilogramm hoch angereichertes und 100 Kilogramm schwach angereichertes Uran nach Russland ausgeflogen. Sie stammen aus dem Forschungsreaktor Rossendorf. Am 18. Dezember  traf das Material im Rosatom-Zwischenlager Podolsk, 40 Kilometer südlich von Moskau ein. Der Transporttermin wurde aus Sicherheitsgründen geheimgehalten.

Das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter erklärte, dass selbst bei einem Flugzeugabsturz das zu transportierende Inventar nicht kritisch werden würde und der erforderliche Schutz der Bevölkerung gegenüber radiologischen Auswirkungen gegeben sei. Wie das Amt außerdem mitteilte, wurden zwischen 1990 und 2005 bereits sieben Flüge mit hochangereichertem Uran an Bord genehmigt. Dabei ging es meist um den Transport von nuklearem Material in deutsche Forschungszentren.

Das schwach radioaktive Material aus Rossendorf – dabei handelt es sich um Brennstäbe und so genannte Pellets - wurde in 18 Spezialbehältern zum Dresdner Flughafen gebracht. Von dort hat es eine russische Transportmaschine nach Russland ausgeflogen. Der Transport kostete eine Million Euro.

Wladimir Slivjak von der russischen Umweltschutzorganisation Ecodefense kritisiert den Transport. Die Operation sei „sehr teuer“. Außerdem könne man nicht ausschließen, dass das Material in die Hände von Terroristen kommt. Auch der Absturz eines solchen Flugzeugs könne ja nicht ausgeschlossen werden. „Dann würde ein großes Territorium verseucht. Viele Menschen müssten evakuiert werden“, befürchtet Slivjak im Gegensatz zum Bundesamt für Strahlenschutz. Er meint, man solle das Uran lieber in Deutschland lassen, wo die Sicherheit in Atomanlagen „besser gewährleistet ist als in Russland.“

Russland ist an atomarer Zusammenarbeit mit Deutschland sehr interessiert

Der Forschungsreaktor Rossendorf wurde 1957 in Betrieb genommen und 1991 abgeschaltet. Während dieser Zeit wurde Uran-Brennstoff, den man aus der Sowjetunion bezog, zu Forschungszwecken bestrahlt. Nach monatelangem juristischem Streit wurden im letzten Jahr bereits 18 Castoren mit insgesamt 951 Brennstäben in das Zwischenlager Ahaus gebracht.

Das sächsische Wirtschaftsministerium verspricht sich von der Rückführung des Urans nach Russland die Einstufung der Anlage in Rossendorf in eine niedrigere Sicherheitskategorie. Zur Zeit gibt das Bundesland für die Bewachung des radioaktiven Materials pro Monat 92.000 Euro aus. Nach der Rückführung verbleiben in Rossendorf 4,5 Tonnen Uran in natürlicher Zusammensetzung, eine kleinere Menge abgereicherten Urans sowie 9,7 Gramm Plutonium.

Für die russische Regierung ist der Transport aus Dresden unproblematisch. Russland, welches in den nächsten 30 Jahren 40 neue Atomkraftwerke bauen will, ist an der Zusammenarbeit mit Deutschland auf atomarem Gebiet sehr interessiert. Nach Angaben der russischen Umweltschutzorganisation Ecodefense werden jährlich 3.000 bis 4.000 Tonnen Uranhexafluorid aus Deutschland per Schiff und Bahn nach Russland gebracht. Drei- bis viermal jährlichen rollen die Züge mit jeweils 100 Waggons zu sibirischen Chemiekombinaten. Zielorte sind die Städte Angarsk, Nowouralsk und Sewersk.

Aus Sorge vor den wachsenden Halden mit radioaktiven Abfällen und einer Verseuchung des Baikalsees – er liegt nur 100 km von Chemiekombinat Angarsk entfernt - demonstrierten Anfang Dezember 250 Umweltschützer in der Baikal-Stadt Irkutsk gegen die Atom-Importe aus Deutschland und die Pläne der russischen Regierung, das Chemiekombinat von Angarsk zur internationalen Uran-Anreicherungsfabrik auszubauen.

„Wertstoff“ oder Atommüll?

Das nach Russland gelieferte Uranhexafluorid stammt aus einer Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau, wo es als Arbeitsmedium bei der Anreicherung eingesetzt wird. Wie der Umweltschützer Wladimir Slivjak erklärte, werden von dem in Angarsk angelieferten Uranhexafluorids nur zehn Prozent als angereichertes Uran wieder zurück nach Deutschland geschickt. Der Rest wird in Angarsk gelagert. Russland – so der Umweltschützer – bekomme für die Lagerung keinen Cent.

Uranhexafluorid ist nach Angaben der Urenco, dem Betreiber der Anreicherungsanlage in Gronau, nur schwach radioaktiv. Nach Meinung des  Unternehmens handelt es sich bei dem Material nicht um atomaren Abfall, sondern um einen „Wertstoff“. Deutsche und russische Umweltschützer meinen, mit dieser Klassifizierung umgehe das Unternehmen das russische Importverbot für Atommüll.

„Tschernobyl des Nordens“

Während Umweltschützer am Baikalsee gegen Uran-Importe aus Deutschland protestierten, lobten die Ökologen im nordrussischen Murmansk die deutsche Hilfe bei der Entsorgung von ausgemusterten Atom-U-Booten. Im Juli dieses Jahres wurde in der Sajda-Bucht unter Beisein von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos der erste vollständig von Deutschland finanzierte Bauabschnitt einer Langzeit-Lagerstätte für die Reaktoreinheiten von 120 ausgemusterten Atom-U-Booten eingeweiht. Auf einem bewachten Platz werden die bis zu zehn Meter hohen Reaktoren - ohne Brennstäbe – und andere strahlenden Überreste der Atom-U-Boote gelagert. Der Aufbau der Entsorgungs-Infrastruktur von der Werft bis zum Reaktor-Lagerplatz wurde von Deutschland mit 300 Millionen Dollar unterstützt. Die Sajda-Bucht, 60 Kilometer nördlich von Murmansk, gilt als größte Atommüllhalde der Welt, als „Tschernobyl des Nordens“. Dort rosten zahlreiche atomgetriebene Eisbrecher, Kriegsschiffe, U-Boote und ausgeschlachtete Reaktoren vor sich hin. 

Umweltschützer befürchten Veruntreuung

Insgesamt 197 atomgetriebene U-Boote hat Russland bisher außer Dienst gestellt, 145 Atom-U-Boote wurden bisher entsorgt. Die Brennstäbe werden in das zentralrussische Atomzentrum Majak gebracht, die U-Boote zerlegt. Von offizieller russischer Seite rechnet man damit, dass pro Jahr zehn bis zwanzig U-Boote entsorgt werden können. Sergej Schawaronki von der Umweltschutzorganisation Bellona erklärte, die Entsorgung der radioaktiven Altlasten in der Sajda-Bucht werde noch über zehn Jahre dauern. Außer den U-Booten müssten noch 50 Schiffe entsorgt werden, welche die U-Boote mit radioaktivem Brennstoff versorgt hatten. Außerdem müsse man die radioaktiv verseuchten Häfen ebenfalls reinigen.

Was die Verwendung der ausländischen Hilfe betrifft, gibt es ebenfalls skeptische Stimmen. Der bekannte Umweltschützer Aleksandr Nikitin bemängelt, dass man keinen Einblick in die Unterlagen habe. Er befürchtet, dass ein Teil der Gelder aus Deutschland von russischen Beamten unterschlagen wird. 

Russland

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