Streik in der russischen AutomobilindustrieGEWERKSCHAFTEN

Streik in der russischen Automobilindustrie

Streik in der russischen Automobilindustrie

Es ist der größte Arbeitskampf seit Jahren. Die Bandarbeiter bei Ford in St. Petersburg fordern Lohnerhöhungen und Arbeitsplatzgarantien. Der Versuch, durch importierte Autos von Ford in Deutschland den Streik zu unterlaufen, scheiterte an der Solidarität der dortigen Gewerkschaften.

Von Ulrich Heyden

Der im Werk Wsewoloschsk hergestellte Ford Focus ist in Russland sehr beliebt  
Der im Werk Wsewoloschsk hergestellte Ford Focus ist in Russland sehr beliebt  

A m 14. Februar standen in dem 2002 gebauten Ford-Autowerk bei St. Petersburg für einen Tag die Bänder still. 1.500 der 2.000 Beschäftigten in dem Werk Wsewoloschsk waren für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in einen Streik getreten. Bei dem Streik, den ein Bezirksgericht für illegal erklärt hatte, handelte es sich um die größte Arbeitsniederlegung der letzten Jahre. Die Ford-Arbeiter forderten Lohnerhöhungen, die Anerkennung berufsbedingter Krankheiten, sowie eine Absage an befristete Arbeitsverträge. Die Betriebsgewerkschaft verhandelt jetzt mit der Unternehmensleitung über einen neuen betrieblichen Tarifvertrag. Doch eine Einigung ist bisher nicht in Sicht. Ford möchte den neuen Vertrag bis Anfang März unter Dach und Fach bringen. Man will Zugeständnisse bei den Löhnen machen, fordert im Gegenzug aber einen Streikverzicht für die Dauer des Vertrages.

Ein Tag Band-Stillstand kostet dem Unternehmen vier Millionen Dollar. Um Kundenwünsche zu erfüllen, wollte Ford Motor Company 1.700 Neu-Wagen aus Werken in Deutschland und Spanien importieren. Nach russischen Presseberichten soll der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ford in Deutschland erklärt haben, man werde nicht zulassen, dass der Streik durch die Lieferungen unterlaufen werde.

Es ist bereits der dritte Streik bei Ford

Schon dreimal haben Fordarbeiter in Russland die Arbeit niedergelegt. Im Jahr 2006 hatten die Arbeiter mit Bummelstreiks Lohnerhöhungen zwischen 14 und 17 Prozent durchgesetzt. Damals forderte die Gewerkschaft 30 Prozent Lohnerhöhung.

Um einen Streik zu verhindern, hatte die Werksleitung diesmal Lohnerhöhungen von bis zu 17 Prozent angeboten. Doch das war den Beschäftigten – die zurzeit zwischen 450 und 550 Euro im Monat bekommen - zu wenig. Die Inflationsrate in Russland liegt immerhin bei neun Prozent.

Der Führer der betrieblichen Gewerkschaft,  Aleksej Etmanow, erklärte, die ausländischen Unternehmen kämen wegen der niedrigen Löhne nach Russland. Aufgabe der Gewerkschaft sei es, die Interessen der Arbeiter zu schützen.

Für den Kreml kommt der Stopp der Bänder ungelegen

Dem Kreml kommt der Streik höchst ungelegen. Man fürchtet, dass ausländische Investoren verschreckt werden. Außerdem stehen in diesem Jahr Parlamentswahlen an. Der Streik war von fast allen Oppositionsparteien unterstützt worden. Am Mittwoch hatte KP-Chef Gennadij Sjuganow das Autowerk besucht. Ihre Unterstützung für die Streikenden hatte auch die liberale Jabloko-Partei und die Vereinigte Bürgerfront des Ex-Schachweltmeisters Garri Kasparow erklärt. Selbst Sergej Mironow, der Führer der vom Kreml geschaffenen neuen Links-Partei, „Gerechtes Russland“, hatte die Forderungen der Arbeiter während eines Treffens mit Gewerkschaftsführer Etmanow als „vernünftig“ bezeichnet, jedoch hinzugefügt, „man muss einen Kompromiss finden.“ Der Gewerkschaftsführer Etmanow warnte vor einer „Puppen-Show“. Der Streik könne durch politische Parteien diskreditiert werden.

Der Ford Focus findet in Russland reißenden Absatz

Ford produziert seit 2002 vor den Toren von St. Petersburg. Der im Werk Wsewoloschsk hergestellte Ford Focus ist in Russland sehr beliebt. Im vergangenen Jahr gingen in dem Ford-Werk 60.000 Fahrzeuge vom Band. In diesem Jahr wollte die Unternehmensleitung die Produktion wegen der hohen Nachfrage auf 75.000 Fahrzeuge steigern.

Der Streik bei Ford wird von anderen ausländischen Automobilherstellern, die Werke in Russland planen, aufmerksam beobachtet. Volkswagen und Skoda haben mit dem Bau eines 370 Millionen Dollar teuren Werks in Kaluga bei Moskau begonnen. General Motors, Toyota und Nissan planen Werke bei St. Petersburg. Wie ein Sprecher von „Nissan Motor Russland“ gegenüber der Internetzeitung „Fontanka.ru“ erklärte, habe man in den Nissan-Werken keine derartigen Probleme wie bei Ford. Man lerne aus den Fehlern anderer Unternehmen. Arbeitssuchende mit Gewerkschaftsvergangenheit würden bei der Formierung der neuen Nissan-Belegschaft nicht herausgefiltert, erklärte der Sprecher. 

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