„Tanz der Riesen – Indien und China prägen die Welt“ von Karl PilnyGELESEN

„Tanz der Riesen – Indien und China prägen die Welt“ von Karl Pilny

Wieder hat der Berliner Wirtschaftsanwalt Karl Pilny die heraufziehende Übermacht Asiens beschworen. Indien und China stellen rund ein Drittel der Weltbevölkerung und haben in der globalen Wirtschaft trotz unterschiedlicher Staats- und Rechtsform in den letzten Jahren auf eindrucksvollen Weise Einfluss gewonnen. Er spricht bereits von „Chinindia“, bezeichnet den Subkontinent als „Callcenter der Welt“ und das Reich der Mitte als „Weltfabrik“.

Von Johann von Arnsberg

„Tanz der Riesen – Indien und China prägen die Welt  
„Tanz der Riesen – Indien und China prägen die Welt" von Karl H. Pilny  

I ndien hat eine eindrucksvolle privatwirtschaftliche Struktur mit alteingesessenen Familienunternehmen. Im Westen ist man darauf erst angesichts der Einkaufstouren des TATA-Imperiums zum ersten Mal so richtig aufmerksam geworden. Karl Pilny, profunder Kenner Asiens und seiner Wirtschaftswelten, stellt dies natürlich heraus und verblüfft damit sicher den einen oder anderen Leser.

In seinem neuen Buch „Tanz der Riesen. Indien und China prägen die Welt“ führt er fort, was er 2005 schon begonnen hat: er beschwört das „Asiatische Zeitalter“. Diesmal stehen nicht Japan und China im Vordergrund, sondern Indien und China. Außerdem nimmt er daneben auch Taiwan und Korea ins Visier.

Dabei erfindet er mit dem Begriff „Chinindia“ für die beiden tanzenden Riesen eine einprägsame wirtschaftliche Metapher. Sie müssen sich gemeinsam entwickeln – oder sie werden wieder zurückfallen. Gegeneinander oder gar im Versuch den andern zu dominieren, kann es nicht gelingen. China ist bereits Mitglied der Schanghai-Organisation. Indien steht auf der Warteliste. Wenn beide ihr Wachstum fortsetzten, können sie eines fernen Tages machtvoll wie die Nato und prosperierend wie die EU sein. Zumal sie ja auch noch Russland im Boot haben. Dies ist in etwa der Ausblick den Pilny anbietet.

Indien und China werden eine neue Weltordnung begründen

Er bezeichnet den indischen Subkontinent als „Callcenter der Welt“ und China als „Welt-Werkstatt“. Im Reich der Mitte werden die meisten Computer gebaut, in Indien boomt die Software-Industrie. „Chinindia“ wird eine multipolare Welt prägen, in der die Vorherrschaft der USA endgültig der Vergangenheit angehört.

Dies hat der Autor bereits im Interview mit dem EURASISCHEN MAGAZIN (EM 07-05) prognostiziert, und seither hat ihm die Entwicklung weitgehend Recht gegeben. Pilny analysiert Wirtschaft, Politik und Kultur beider Länder und erklärt deren bisherige Beziehungen zueinander. Ihre zukünftige globale Bedeutung in politischer und ökonomischer Hinsicht wird dem Autor zufolge eine neue Weltordnung begründen.

Ein wenig erliegt der Autor dem Hang zum Superlativ. Es gibt auch viele gebetsmühlenartige Wiederholungen und einige Überschneidungen innerhalb des Buches und mit dem zitierten Werk von 2005. Auf dieses verweist Pilny auch ausdrücklich, um zu begründen weshalb er die Zusammenfassung des historisch-kulturellen Hintergrunds in dem China gewidmeten Teil weggelassen hat. Für Indien wartet er dagegen ziemlich überzeugend damit auf.

Indiens Pferdefuß ist die Infrastruktur – Chinas Problem die Vergreisung

Pilny verschweigt bei aller Indieneuphorie nicht, dass der Aufstieg des Subkontinents zu einer globalen Wirtschaftsmacht trotz des großen Interesses, das dieser im Westen findet, erst in Ansätzen auszumachen ist. Insbesondere die großen Infrastrukturprobleme machten sich immer wieder als Bremsklötze bemerkbar, die das Tempo drosseln.

Andererseits habe Indien sich eine Art Zwei-Parteien-System zugelegt. Es gäbe nun eine gesunde Konkurrenz. Die jahrzehntelange Vorherrschaft der Kongresspartei, die nicht selten lähmend auf das Land gewirkt habe, scheine überwunden.

China stehe vor einem demographischen Problem, dessen dramatische Dimension erst in den kommenden Jahren ersichtlich werden wird: seine Überalterung. Die Familienpolitik Pekings mit der Ein-Kind-Ehe etc. hat dazu geführt, dass es zu wenig junge Frauen gibt und so der verjüngende Nachwuchs ausbleibt. Außerdem wird auch der Durchschnittschinese immer älter, was auf absehbare Zeit ein Renten- und Pflegeproblem heraufbeschwört, wie es bislang nur im Westen bekannt war. Der Staatshaushalt geht gewaltigen Belastungen entgegen.

Insgesamt ist Pilnys fundiertes und intelligent geschriebenes Werk zwar kein Fachbuch für Wirtschaftstheorien und global agierende Unternehmen. Aber es ist eine starke Entscheidungshilfe für die leitenden Angestellten europäischer Konzerne, die sich mit dem Gedanken tragen, nach Asien zu gehen und die wissen wollen, wie man dort denkt und welches Entwicklungspotential in „Chinindia“ noch schlummert.

*

Rezension zu: „Tanz der Riesen – Indien und China prägen die Welt" von Karl H. Pilny, Campus Verlag Frankfurt/Main, 2006, 372 Seiten, ausführliches Namens- und Sachregister, 24,90 Euro. ISBN: 978-3-593-380988-8.

Lesen Sie dazu auch:
EM 07-05: „Weltmacht des „asiatischen Jahrhunderts“
EM 09-05: „Das asiatische Jahrhundert“

China Indien Rezension Wirtschaft

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker