„Transsib-Lesebuch: Reiseerlebnisse auf der längsten Bahnstrecke der Welt“GELESEN

„Transsib-Lesebuch: Reiseerlebnisse auf der längsten Bahnstrecke der Welt“

Die Transsibirische Eisenbahn – die längste zusammenhängende Eisenbahnstrecke der Erde. Seit nunmehr einem Jahrhundert durchmißt sie die russischen Weiten zwischen Moskau und Wladiwostok am Pazifik.

Von Friedrich Mannstein

hrsg. v. Hans Engberding und Bodo Thöns

Berlin 2002, 364 Seiten, Trescher Verlag, 14,95 Euro, ISBN 3-89794-011-6

(Ein Interview mit Bodo Thöns finden Sie im EM 08/02)

EM – Die Transsibirische Eisenbahn – die längste zusammenhängende Eisenbahnstrecke der Erde. Seit nunmehr einem Jahrhundert durchmißt sie die russischen Weiten zwischen Moskau und Wladiwostok am Pazifik. Dort am Drei-ländereck zwischen China, Nord-Korea und Rußland eröffnete der letzte russische Zar, Nikolaus II., im Jahre 1891 die Arbeiten zum Bau des ersten Transsib-Bahnhofs. Zwölf Jahre später, im Juli 1903, konnte endlich der Regelzugverkehr aufgenommen werden. Weltenbummler und Abenteurer, Schriftsteller und Forschungsreisende haben das Streckennetz der Transsib seither immer wieder aufs Neue erkundet. Für das Transsib-Lesebuch wurde eine Auswahl von 28 Reiseberichten zusammengetragen.

Der Brite Sir John Foster Fraser befuhr 1901, also noch vor der offiziellen Einweihung der Transsibirischen Eisenbahn, die bereits fertiggestellten Streckenabschnitte. Die persönlichen Eindrücke seiner Fahrt bilden den Auftakt zu einer Vielzahl von Erlebnissen und Geschichten aus der gemächlich dahinschnaufenden Großen Sibirischen Bahn. Die Autoren erzählen von der Baugeschichte der Transsib, von den Wäldern und Steppen Sibiriens, von den bunt gemischten Reisegesellschaften, von ersten mühevollen Dialogen in Russisch oder Chinesisch, vom Provianteinkauf auf den Bahnsteigen oder von der unvergleichlichen Stimmung in den Abteilen. „Hier werden Zwiebeln geschält und ein Kind gesäugt, dort spielt man Balalaika. Hier wird geraucht, Tee getrunken und mit vollem Munde gekaut. Dort wird gelesen, geschnarcht, gegrölt und geschwatzt. Dazwischen wird Schach gespielt, Geld gezählt und Tee gekocht. Der eine schustert, ein anderer wechselt das Hemd,“ erinnert sich der Schwede Erik Bergengren.

Beiläufig erhält der Leser anregende Einblicke in die wechselhafte Geschichte Rußlands im vergangenen Jahrhundert. Der berühmte schwedische Geologe Sven Hedin reiste im Jahr 1923 von Peking aus durch die kurz zuvor gegründete Sowjetunion. Er beschreibt die eingeschneiten Landschaften Sibiriens durch sein mit Eisblumen bewachsenes Abteilfenster. Im übrigen vergräbt er sich hinter dicken Wälzern mit russischer Literatur und schmaust sowjetisches Schokoladenkonfekt.

Mit winterlicher Reise-Romantik dieser Art haben die Transsib-Erfahrungen des Polen Slavomir Rawitsch nicht das geringste gemein. Als Offizier der polnischen Armee wurde er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges vom sowjetischen Geheimdienst gefangen genommen und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er schildert die vierwöchige Fahrt nach Sibirien, eingepfercht in einen verplompten Viehwagon zusammen mit weiteren Tausenden von Gefangenen. „Wir rollten russischer Sklaverei entgegen und fluchten auf Hitler und die Deutschen,“ umreißt Rawitsch die verzweifelte Lage der Deportierten von damals.

Meist ist es die erste Bekanntschaft der Reisenden mit dem Kommunistischen Herrschaftssystem der UdSSR. Ihre Reflexionen über den sowjetischen Alltag reichen oft weit über die ratternden und wackelnden Transsib-Waggons hinaus. Schauspieler Hardy Krüger etwa streut immer wieder Erinnerungen von früheren Drehaufenthalten in Moskau ein. Dabei steckt sein Schreibstil voller Schwung und Energie. Krüger tourte ein Jahr vor dem Amtsantritt Gorbatschows (1985) entlang der Schienenstränge des sowjetischen Riesenreiches.

Eine Übersichtskarte des Transsib-Schienennetzes, Kurzbiographien der Autoren und ein Glossar machen das Buch noch informativer. Die stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Illustrationen sind das Tüpfelchen auf das i. Das Transsib-Lesebuch ist eine große Bereicherung für jeden Bücherschrank.


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Reise Rezension Russland

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