Verteidigungsminister mit Kreml-AmbitionenRUßLAND

Verteidigungsminister mit Kreml-Ambitionen

Sergej Iwanow zeigt zunehmend öffentliche Präsenz. Will er 2008 Kreml-Chef werden?

Von Ulrich Heyden

EM – Am Dienstag verkündete der russische VerteidigungsministerSergej Iwanow in Neu Delhi einen Waffendeal, der es in sich hatte. Nach zehnjährigenVerhandlungen kauft Indien den russischen Flugzeugträger „Admiral Gorschkow“.Den 20 Jahre alten Flugzeugträger bekommt Neu Delhi umsonst, die Nachrüstungdes Schiffes aber spült 650 Millionen Dollar in russische Kassen. Zusätzliche730 Millionen Dollar bezahlt Indien für die Bestückung des Flugzeugträgersmit 16 MIG-29 Kampfflugzeugen und 18 Ka-Marine-Hubschraubern. Der Umfang desGeschäfts könnte nach Einschätzung russischer Experten nochauf ein Volumen von drei Milliarden Dollar aufgestockt werden.

Indien bezieht zwei Drittel seiner Waffen aus Rußland. Weitere Lieferantensind Frankreich, Israel und die USA. Das letzte große Waffengeschäftmit Indien hatte Wladimir Putin 2001 bei seinem Antrittsbesuch in Neu Delhiverkündet. Damals war die Lieferung von 310 russischen T-90-Panzer imWert von 700 Millionen Dollar vereinbart worden. Knapp die Hälfte derPanzer wurde bisher geliefert.

Daß ein Verteidigungsminister mit großem Pomp den Verkauf dereigenen Waffen verkündet ist ungewöhnlich. Doch der 49jährigeSergej Iwanow hat sonst nicht viel zum Herzeigen. Der von ihm geplante Aufbaueiner schnellen russischen Eingreiftruppe aus Berufssoldaten kommt nur schleppendvoran. Immer wieder gelangen Greuelgeschichten aus dem Armeealltag an die Öffentlichkeit,wie kürzlich die Geschichte von den 119 Soldaten, die beim Transport durchSibirien fast erfroren. (Siehe Beitrag „Härtetest mit tödlichemAusgang“)

Iwanow bald neuer Ministerpräsident?

Doch es gibt womöglich noch einen anderen Grund für Iwanows zunehmende öffentlichePräsenz. In Moskau hält sich das Gerücht, der Minister werdenach Putins Wiederwahl im März zum Ministerpräsidenten ernannt undim Jahr 2008 die Nachfolge Putins im Amt des russischen Präsidenten antreten.

Putin und Iwanow sind enge Vertraute. Beide stammen aus St. Petersburg undmachten Karriere im sowjetischen Geheimdienst. Während Putin in Deutschlandkundschaftete, arbeitete der Englisch und Schwedisch sprechende Iwanow in Kenia,Finnland und England. Bei einem Empfang mit Paul McCartney in Moskau erzählteder sonst immer etwas steif und blaß wirkende Verteidigungsminister ingelöster Atmosphäre, mit der Musik der Beatles habe er Englisch gelernt.Das fand auch der Ex-Beatle nett.

Kurz bevor Iwanow in Neu Delhi das Waffengeschäft verkündete, machteer Schlagzeilen mit einem Trip durch Sibirien. Dabei besuchte der Ministernicht nur wie üblich Garnisonen, sondern traf sich auch mit Veteranen,Gouverneuren und Journalisten. Iwanow warb für eine verstärkte Arbeitder Militärs in der Bevölkerung. Die Vertragssoldaten für diegeplante schnelle Eingreiftruppe sollen aus Sibirien kommen.

Der Ex-Tschekist avancierte zum politischen Schwergewicht

Der politische Einfluß des Verteidigungsministers ist im letzten Jahrerheblich gewachsen. Der Putin-Vertraute setzte durch, daß alle militärischenStrukturen vom Generalstab koordiniert werden. Nur noch das Verteidigungsministeriumerteilt jetzt Rüstungsaufträge. Das einzige staatliche Rüstungsexportunternehmen „Rosoboronexport“ wurdedem Iwanow-Ministerium untergeordnet.

Kürzlich wurde der umtriebige Minister gefragt, ob er 2008 das Amt desKreml-Chefs anstrebe. Iwanow antwortete nicht direkt sondern zitierte eineWahrsagerin, die erklärt habe, der künftige russische Präsidentwerde Iwanow heißen. Sein Amtsantritt sei nach der Wahrscheinlichkeitstheoriedemnach durchaus möglich. Niemand widersprach, denn es war klar, daß nichtder russische Außenminister, der zweite „Iwanow“ in der Regierung gemeintwar.

Wie ernst die Ambitionen Iwanows zu nehmen sind, demonstrierte der MinisterEnde letzten Jahres. Da flog der Verteidigungsminister in einer Tupolew 160,einem strategischen Bomber, in den russischen Fernen Osten. Dieses martialischeRitual hatte Putin 1999 – damals noch als Ministerpräsident – eingeführt.Mit einem Suchoi-Kampfflugzeug landete der damalige Thronanwärter in derTrümmerstadt Grosny.

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