Warum der Duma-Abgeordnete Gudkow sein Mandat verlorMOSKAU

Warum der Duma-Abgeordnete Gudkow sein Mandat verlor

Die Duma-Mehrheit machte kurzen Prozess mit dem Links-Abgeordneten Gennadi Gudkow, der mal Geheimdienstmann war und jetzt Sprecher der Protestbewegung ist.

Von Ulrich Heyden

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it drohend geballter Faust und dem Ruf „wir kommen wieder“ verabschiedete sich der Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow http://gudkov.ru/ von seinen Kollegen im russischen Unterhaus. Mit 291 gegen 150 Stimmen wurden dem Abgeordneten das Mandat entzogen. Gudkow bezeichnete den Mandatsentzug als „Rache“ des Kremls wegen seiner aktiven Rolle in der russischen Protestbewegung.

Der Abgeordnete erklärte, er werde den Mandatsentzug vor dem Obersten Gericht anfechten. Das Europäische Parlament hatte den Mandatsentzug bereits am Donnerstag in einer Resolution als Einschüchterungsmaßnahme gegen Abgeordnete bezeichnet, die sich der russischen Protestbewegung anschließen.

Angeblich ungesetzliche Tätigkeit

Gudkow war von 1981 bis 1992 als Oberst im aktiven Dienst des KGB und bis vor kurzem stellvertretender Leiter des Duma-Sicherheitsausschusses. In den 1990er Jahren gründete er private Sicherheitsfirmen, die jetzt von seiner Frau geleitet werden. Doch das russische Ermittlungskomitee will herausgefunden haben, dass Gudkow immer noch in das Geschäftsgeschehen eingreift, was nach dem russischen Gesetz nicht mit der Tätigkeit als Abgeordneter vereinbar ist.

Diese Vorwürfe gegen den Abgeordneten seien vorgeschoben, meinen Kreml-Kritiker, da man solche auch gegen viele andere Duma-Abgeordnete erheben könne. Dass viele Parlamentarier der kremlnahen Partei Einiges Russland in geschäftliche Aktivitäten und sogar Lobbyismus verwickelt sind, gilt in Russland als offenes Geheimnis.

In seiner letzten Rede vor dem Parlament listete Gudkow die zahlreichen Repressions-Maßnahmen gegen die Protestbewegung auf und erklärte, der russische Geheimdienst habe sich offenbar in „Opritschniki“ verwandelt. Die Opritschniki waren eine gefürchtete Militäreinheit des Zaren Iwan des Schrecklichen, die dem Herrscher besonders ergeben war.
Die Abgeordneten lauschten der Rede des ehemaligen KGB-Mannes wie gebannt http://www.vesti.ru/only_video.html?vid=446521. Offenbar erwarteten sie etwas Unerhörtes, denn als ehemaliger Sicherheitsexperte kennt sich Gudkow im Innenleben der russischen Machtstrukturen bestens aus.

Als der Abgeordnete seine Rede beendet hatte, hörte man im Saal den Ruf „Juda“. Wie sich später herausstellte, war der Rufer Wladimir Pechtin, Abgeordneter der Partei Einiges Russland http://www.rusnovosti.ru/news/222722/.
 
Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Gudkow sind noch nicht abgeschlossen. Doch offenbar hatte es der Kreml eilig. Denn der Mandats-Entzug wurde am 14. September, einen Tag vor der Großdemonstration der Opposition gegen Putin, vollzogen und sollte der Protestbewegung und vor allem den Unentschlossenen und Schwankenden zeigen, dass man als Sprecher der Opposition mit ernsten Schwierigkeiten rechnen muss.

Schon vor der letzten Großdemonstration, Mitte Juni, hatte es bei zahlreichen bekannten Oppositionsführern wie Aleksej Nawalny, Ksenia Sobtschak und Sergej Udalzow Hausdurchsuchungen gegeben.

Missgunst gegen die „Priveligierten“

Seit Monaten machen staatliche Fernsehkanäle und kremlnahe Politiker Stimmung gegen die Führer der Protestbewegung. Die Opposition – so wird behauptet – wird aus dem Ausland gesteuert und vertritt die Interessen einer Schicht elitärer Russen, die in den 1990er Jahren politisch Einfluss hatten. „Untermauert“ werden diese Vorwürfe dann mit der Beschlagnahmung von 1,5 Millionen Euro, die bei der Durchsuchung der Wohnung von Fernseh-Moderatorin Ksenia Sobtschak Mitte Juni sichergestellt wurden –Sobtschak sagt, das sei selbstverdientes Geld – und mit Fernsehbildern von liberalen Oppositionspolitikern, die zu einem Gespräch in die Moskauer US-Botschaft eilen.  

Die Protestbewegung hatte im Winter mit ihrer Parole gegen „Einiges Russland“, die Partei der „Betrüger und Diebe“ Furore gemacht. Jetzt dreht „Einiges Russland“ den Spieß um. So in der Parlamentsdebatte um den Fall Gudkow. Der Abgeordnete Andrej Isajew erklärte zum Fall Gudkow, „die Menschen erwarten Gerechtigkeit. Jeder ist vor dem Gesetz gleich.“ Der Abgeordnete Wladimir Wasiljew sagte süffisant, mit dem Mandats-Entzug für Gudkow habe man habe faktisch den Willen der Protestbewegung ausgeführt, die mit dem Kampfruf gegen „Betrüger und Diebe“ auf die Straße ging.

Putins Wahlkampfleiter stimmt dagegen

Für den Entzug des Mandats des Abgeordneten Gudkow stimmten – fast geschlossen – die Fraktionen Einiges Russland und die Liberaldemokraten. Dagegen stimmten – bis auf wenige Ausnahmen – die Kommunisten und die Links-Partei Gerechtes Russland http://www.s/pravedlivo.ru,  deren Fraktion Gudkow angehörte. Erstaunlich war, dass auch Putins Wahlkampfleiter bei der Präsidentschaftswahl, der Film-Regisseur Stanislaw Goworuchin, gegen den Entzug des Mandats votierte.  

Es ist das zweite Mal, dass ein Abgeordneter des nachsowjetischen Parlaments sein Mandat verliert. Das erste Mal widerfuhr dies 1995 dem Abgeordneten Sergej Mawrodi, der  Tausende von Anlegern mit seiner betrügerischen Finanz-Pyramide MMM um ihr Geld brachte.

Bei Fernseh-Moderatoren der staatlichen Fernsehkanäle war bei der Berichterstattung zum Fall Gudkow ein gewisses Unbehagen zu spüren. Immerhin ist es das erste Mal in der nachsowjetischen Geschichte, dass ein Abgeordneter sein Mandat verliert, der keine kriminelle Tat verübt hat und gegen den das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

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