Wende in der AußenpolitikUKRAINE

Wende in der Außenpolitik

Kiew hofft auf verbilligte Gaslieferungen aus Russland und will Moskau den Zugang zu seinen Pipelines gewähren.

Von Ulrich Heyden

D er Antrittsbesuch des neu gewählten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Moskau verlief äußerst harmonisch. Russlands Präsident Dmitri Medwedew und die hohen Kreml-Beamten machten zufriedene Gesichter. Er hoffe, dass das „schwarze Kapitel“ zwischen Russland und der Ukraine nun zu Ende sei, erklärte Medwedew. Moskau und Kiew wollen in Zukunft in wirtschaftlichen Schlüsselsektoren, wie dem Energiebereich, der Atomenergie, der Luft- und Raumfahrt, sowie der Informations- und Nanotechnologie eng zusammenarbeiten, heißt es in einer Erklärung der beiden Präsidenten.

Medwedew kündigt Investitionen an

Auf der abschließenden Pressekonferenz erklärte der Kreml-Chef, Russland sei bereit, „langfristig große Summen“ in den ukrainischen Energiebereich und die dortige Infrastruktur zu investieren. Medwedew nannte zwar keine konkreten Projekte, aber offenbar handelt es sich bei der Investitionsankündigung um Hilfe bei der Modernisierung des ukrainischen Pipelinesystems, welche zu einer Kapazitätserhöhung führen soll, was für den Gas-Transit nach Europa wichtig ist.

Die internationale Finanzkrise hat die Ukraine wesentlich stärker getroffen als Russland. Die Notlage des Landes am Dnjepr zwingt Janukowitsch nun zu vorzeigbaren Erfolgen. Es geht vor allem um eine Entlastung der Staatskasse. Einen Staatsbankrott konnte die Ukraine nur durch Kredite des IWF und der Weltbank abwenden. Janukowitsch will in Gesprächen mit Moskau eine Senkung des russischen Gaspreises für die Ukraine erreichen. Doch nach russischen Angaben wurde gestern in Moskau nicht über den Gaspreis gesprochen. Im ersten Quartal dieses Jahres zahlt das Land am Dnjepr 305 Dollar für eintausend Kubikmeter. Der Preis sei angesichts der nachlassenden Weltkonjunktur „nicht gerecht“, heißt es in Kiew. Die Ukraine möchte nur noch 205 Dollar zahlen. 

Als Gegenleistung für einen niedrigeren Gaspreis will Janukowitsch Russland Zugang zum ukrainischen Pipeline-System gewähren. Zusammen mit der EU und Russland will Janukowitsch ein Gaskonsortium aufbauen. Dieses Konsortium soll die Pipelines bewirtschaften, aber nicht besitzen.

Mit dem Plan eines Konsortiums knüpft Janukowitsch an ein Modell an, welches 2002 von Gerhard Schröder und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma favorisiert wurde.

Angst vor Bedeutungsverlust

Janukowitsch erklärte in Moskau, er wolle einen „großen Umschwung“ in den Beziehungen mit Russland. Grundsätzlich hat die neue Führung in Kiew die Befürchtung, Moskau könne das Interesse an den ukrainischen Transitpipelines verlieren, da in den nächsten Jahren mit den neuen Pipelines North-Stream (Ostseepipeline) und South Stream für Russland Alternativen zur Verfügung stehen. Der Ukraine könnten wichtige Transit-Einnahmen verloren gehen. Doch mit seiner Investitionsankündigung machte Medwedew klar, dass die Ukraine für Russland ein wichtiges Gas-Transitland bleibt.

Als Gastgeschenk hatte Viktor Janukowitsch die Ankündigung mit nach Moskau gebracht, dass man die von seinem Vorgänger verfügte Ernennung des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera zum Helden der Ukraine bis Anfang Mai überprüfen werde. Bandera hatte mit der Hitler-Wehrmacht zusammengearbeitet. (Siehe EM 02-2010 „Überraschungs-Ei von Viktor Juschtschenko“).

Ein besseres Geschenk konnte der neue ukrainische Präsident dem Kreml nicht machen. Denn der 9. Mai wird in Moskau dieses Jahr mit einer großen Militärparade gefeiert. Zum 65. Mal jährt sich der Sieg über Hitler-Deutschland. Als Janukowitsch die Überprüfung des Bandera-Erlasses ankündigte, zeigte sich auf dem Gesicht von Dmitri Medwedew ein überaus zufriedenes Lächeln.

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