09.08.2023 13:11:56
RUßLAND
Von Ulrich Heyden
EM – Rußland habe sich noch „nicht selbsteingeholt“, erklärte Putin am 26. Mai in seiner Jahresbotschaftvor der Föderalen Versammlung. Der Kreml-Chef paraphrasierte damit dievom Sowjetreformer Nikita Chrutschow vor 43 Jahren ausgegebene Losung, dieSowjetunion müsse den kapitalistischen Westen „einholen und überholen.“ Immerhin,so erklärte der Staatschef, habe man in den letzten vier Jahren 40 Prozentder in den 90er Jahren verlorenen Wirtschaftskraft wieder aufholen können.
Vor über 1.000 Vertretern aus dem politischen und geistigen Leben verkündetePutin den Beginn einer dritten Reformetappe. Nachdem in der ersten Etappe dasalte ökonomische System „demontiert“ und in der zweiten Phasedie Trümmer beiseite geräumt worden seien, gehe es in der drittenEtappe jetzt um die Verwirklichung „langfristiger Ziele“. Dazugehöre vor allem die Verdoppelung des Wirtschaftswachstums innerhalb dernächsten zehn Jahre. Wenn das bisherige Wirtschaftswachstum beibehaltenwerde – in den ersten vier Monaten dieses Jahres lag es bei acht Prozent – könneman dieses Ziel sogar schon 2010 erreichen. Nur so sei der Kampf gegen dieArmut zu gewinnen. Nach Angaben des Kreml-Chefs leben 30 Millionen Russen unterdem Existenzminimum.
Putin stellte weitere, ehrgeizige Ziele auf. So soll in einem Jahr die Inflationsrateauf drei Prozent gedrückt, in zwei Jahren der Rubel zur frei konvertierbarenWährung entwickelt werden.
Die Verdoppelung des Wirtschaftswachstums in zehn Jahren hatte Putin indesschon in seiner letzten Jahresbotschaft zum Leitsatz erhoben. Doch bisher istunklar, ob die russische Wirtschaft wirklich gesundet. Die zwei Tage vor derPutin-Rede veröffentlichten Zahlen des „Zentrums für Wirtschaftskonjunktur“ derRegierung bestätigen den vom Präsidenten verkündeten positivenTrend nicht. Danach ist die Industrieproduktion in den ersten beiden Monatendieses Jahres nur um 0,2 bis 0,3 Prozent gestiegen. Im März und Aprilgab es nach Angaben der Regierungsstatistiker sogar ein Null-Wachstum.
Ein großen Teil seiner Rede widmete Putin drängenden sozialenProblemen. Mit Krediten für den Wohnungsbau müsse das Wohnungsdefizit – insbesonderefür junge Familien – gelöst werden. Bis 2010 soll ein Drittelder Bevölkerung in der Lage sein, sich mit Hilfe von Sparguthaben undKrediten eine Wohnung zu kaufen.
Die medizinische Grundversorgung, so der Staatschef, müsse kostenlossein. Putin forderte die Einführung klarer Standards. Ein Grund fürdie niedrige Lebenserwartung in Rußland sei das „nicht effektive“ Gesundheitssystem.In den russischen Polikliniken herrsche zur Zeit Wildwuchs. Welche Leistungendie Bürger kostenlos bekämen und wofür sie extra bezahlen müßten,hänge vom Gutdünken der Ärzte ab.
Im russischen Bildungswesen müsse ein Qualitätsabfall verhindertwerden. Um das Angebot an ausgebildeten Fachkräften an die Erfordernisseder Wirtschaft zu koppeln, schlug der Präsident vor, daß Jugendlicheihre Ausbildung über einen Kredit finanzieren und sich gleichzeitig verpflichten,eine vertraglich festgelegte Zeit in ihrem Beruf zu arbeiten.
Der Kreml-Chef verwahrte sich gegen Anmaßungen aus dem Ausland, die „Kräftigungder russischen Staatlichkeit“ sei „Autoritarismus“. Unterdonnerndem Applaus erklärte der Staatschef, „eine Revision in denfundamentalen Prinzipien unserer Politik wird es nicht geben.“
Einen besonders scharfen Ton schlug Putin gegenüber Nichtregierungsorganisationenan. Viele diese Organisationen dienten den „wirtschaftlichen Interessen“ zweifelhafterSponsoren und kümmerten sich nicht wirklich um die Menschenrechte, erklärteder Präsident.
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