Gavrilo Princip soll in Belgrad ein Denkmal bekommenSERBIEN

Wo Terroristen noch als Freiheitskämpfer gelten: Ein neues Denkmal in Belgrad für den Attentäter von Sarajevo

In Belgrad soll dem Attentäter Gavrilo Princip jetzt ein Denkmal gesetzt werden. Er hatte vor 101 Jahren den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie in Sarajevo erschossen. In der Hauptstadt des EU-Anwärterlandes Serbien wird damit ein Mörder verklärt, dessen Tat letztlich die Ur-Katastrophe Europas, den Ersten Weltkrieg zur Folge hatte.

Von Hans-Joachim Hoppe | 20.06.2015

Gavrilo Princip erschießt den österreichischen Thronfolger Franz_Ferdinand und dessen Frau - Darstellung eines unbekannten österreichischen Zeitungszeichners aus dem Jahr 1914
Gavrilo Princip erschießt den österreichischen Thronfolger Franz_Ferdinand und dessen Frau - Darstellung eines unbekannten österreichischen Zeitungszeichners aus dem Jahr 1914

Am 28. Juni, dem St. Veitstag, erschoss Gavrilo Princip das Thronfolgerpaar aus nächster Nähe während eines Besuches in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina.  An diesem Tag gedenken die Serben auch traditionell der Schlacht auf dem Amselfeld, das inzwischen als Kosovo vom Mutterland abgetrennt ist. An diesem Tag soll das Attentäter-Denkmal in der Hauptstadt Belgrad enthüllt werden.

Mit dem Denkmal will Serbien einen Mann ehren, „der mit seiner Aktion Teil der serbischen Geschichte wurde und sich für die Freiheit opferte“, sagte der „Manager“ der Stadt, Goran Vesić. Wie das Denkmal aussehen wird und wo es genau stehen soll, sei noch nicht bekannt. Darüber berät ein speziell beauftragtes Komitee der Hauptstadt. Wahrscheinlich wird die Statue im Belgrader Kalemegdan Park aufgestellt. Wohl wisse er, dass es zwei Meter hoch und 350 Kilo schwer sein soll. Es sei ein Geschenk der Serbischen Republik Bosniens an Belgrad, das Denkmal soll in den verbleibenden zehn Tagen nach Belgrad transportiert werden. (Beoinfo vesti, 7. Juni 2015; BBC 8. June 2015)

In Sarajevo steht Gavrilo Princip schon auf dem Sockel

Es gibt nicht viele Denkmäler von Princip. Ein erstes wurde im vergangenen Jahr zum 100. Jahrestag des Attentats und Beginn des Ersten Weltkriegs im östlichen Teil Sarajevos im dortigen Stadtpark errichtet. Der Historiker Mile Bjelajac meinte, das historische Unrecht müsse endlich korrigiert werden, dass Princip noch nie mit einem Denkmal geehrt wurde. „Princip war ein Kämpfer für die Freiheit“ und verdiene einen Platz hier in Sarajewo. Wohl ist schon seit längerem eine Gedenktafel am Ort des Attentats angebracht. Außerdem trug in kommunistischer Zeit die einstige „Lateinerbrücke“ nahe dem Ort des Attentats seinen Namen: „Principov most“. Die Brücke überspant die Miljacka, die durch Sarajevo fließt und nahe der Serbenhochburg Pale in die Bosna mündet.

Angesichts des traurigen Gedenkens an das Attentat und den darauffolgenden Weltkrieg, der Millionen Opfer forderte, müsste das Denkmal in einigen EU-Mitgliedsländern, vor allem in Deutschland, Österreich und Ungarn als auch bei Kroaten und bosnischen Muslimen, als beleidigend empfunden werden. Dem hält der der Historiker Bjelajacentgegen: Das Denkmal für Princip solle keine Provokation für Europa sein. Doch als „Wiege alter Werte“ müsse Europa die Motive für Princips Handeln „als Freiheitskämpfer“ verstehen!

Die in Sarajevo errichtete Statue wurde übrigens von einem Belgrader Skulptor geschaffen, sie ist in Bronze gegossen und zwei Meter groß. Ähnlich soll auch die geplante Statue in Belgrad aussehen. (B92, 27.6.2014; BBC News, 28 June 2014)

Der „serbische Revolutionär“ ist gar kein Serbe

Der in Serbien und im serbischen Teil Bosniens gefeiert „Held“ Princip, der zusammen mit der Gruppe „Junges Bosnien“ (Mlada Bosna“) das Attentat verübte, wird gemeinhin als „serbischer Revolutionär“ bezeichnet. Wenn man genauer hinsieht, ist Princip seiner Herkunft nach überhaupt kein Serbe, sondern ein Vlache und gehört damit einer romanisch sprechenden Minderheit auf dem Balkan an, die vornehmlich in Rumänien, Bulgarien, Makedonien und eben Bosnien zu finden ist. Zumindest seine Mutter solle eine Vlachin gewesen sein, heißt es in Diskussionsforen. Dass Geheimdienste für spektakuläre Sonderaufträge – die „Drecksarbeit“ - gerne Angehörige von schwachen Minderheiten anheuerten, traf damals auch für den serbischen Geheimdienst zu.

Seltsam ist auch sein Familienname „Princip“. Nach einigen Berichten stammt seine Familie aus dem Dorf Obljaj, einem Ortsteil von Bosansko Grahovo nahe der kroatischen Grenze im Westen des Landes. Die Familie wechselte mehrfach den Ort und ihren Namen. In der Region sollen viele Familien mit dem Namen Princip leben. Ein Nachfahre sei heute noch dort zu finden. Nach einer Version nahm seine Familie den Namen eines Verwandten an, der für seine Teilnahme an einem Aufstand gegen die Türken von Fürst Petar Karađordević geehrt wurde, der wohlhabend und schick gekleidet war und von der Bevölkerung deshalb „bosnischer Prinz“ genannt wurde. Dabei handelte es sich wohl um Gavrilos älteren Bruder Jovo, der nach Hadzici, einem Vorort von Sarajevo, gezogen war und dort ein gut gehendes Holzunternehmen gegründet hatte. Er war der Patriarch der Familie, der die anderen, darunter auch Gavrilo versorgte.

Gavrillo Princip, der Attentäter von Sarajevo während seiner Haft in Theresienstadt
Gavrillo Princip, der Attentäter von Sarajevo während seiner Haft in Theresienstadt

Tod in der Festung Theresienstadt

Das Attentat von Sarajevo wird von den Historikern und den Betroffenen unterschiedlich bewertet. Für die einen ist Princip ein Terrorist, für die anderen ein Freiheitsheld. Gerade der österreich-ungarische Thronerbe, der ermordet wurde, soll Reformen in der Donaumonarchie zugunsten der verschiedenen Nationalitäten zugänglich gewesen sein. Diese Pläne wurden durch das Attentat zunichte gemacht. Auch war es eine Ironie der Geschichte, dass ein Mann namens „Prinz“ den österreichischen Erzherzog tötete.

Da Princip zum Zeitpunkt der Tat noch nicht 20 Jahre alt war, wurde er von der österreichischen Justiz nicht zum Tode, sondern zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit in der Festung Theresienstadt verurteilt. Princip litt an Tuberkulose und verfiel infolge der Haftbedingungen gesundheitlich. Schließlich starb er am 28. April 1918 im Gefängnislazarett.

Für die Serben bedeutete das Attentat, das Princip verübt hatte, den Auftakt zum Ersten Weltkrieg, aus dem sie als Sieger hervorgingen. Das serbische Königshaus errang ab 1918 die Herrschaft über Serben, Kroaten, Slowenen, Bosnier und die Albaner im Kosovo. Das entstandene Staatsgebilde war ein Produkt der Siegermächte nach den beiden Weltkriegen. Die von Belgrad dominierten Völkerschaften sahen in diesem Königreich und nach dem zweiten Weltkrieg im kommunistischen Jugoslawien ihrerseits eine neue Form der Fremdherrschaft, von der sie sich zu lösen trachteten. Im Jugoslawienkrieg 1991-1995 führten die unterschwelligen Konflikte zu einem blutigen Krieg. Erst mit der Unabhängigkeit von Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Makedonien und Kosovo unter der Ägide der Europäischen Union, der allerdings lediglich Kroatien und Slowenien angehören, scheint eine Befriedung der Region weitgehend erreicht zu sein.

Geschichte Serbien

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