Deutschlands neuer Mann in PekingCHINA

Deutschlands neuer Mann in Peking

Deutschlands neuer Mann in Peking

Wachwechsel in der diplomatischen Vertretung Deutschlands bei der Volksrepublik China. Mitte September tritt Volker Stanzel die Nachfolge von Joachim Broudré-Gröger an. Hier die wichtigsten Informationen über den neuen Botschafter. Im Interview mit dem Eurasischen Magazin erklärt Volker Stanzel: „Ich hätte nichts dagegen, wenn die Berliner Love Parade einen Ableger in Peking bekäme.“

Von Hans Wagner

 Zur Person: Volker Stanzel
 
Dr. Volker Stanzel 
Dr. Volker Stanzel wurde am 22. September 1948 in Kronberg bei Frankfurt am Main geboren. Er studierte Japanologie, Sinologie und Politische Wissenschaften.

Seit 1979 gehört er dem Auswärtigen Dienst an. Er hat in der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Rom gearbeitet und in der gleichen Abteilung des Auswärtigen Amtes in Bonn. In der deutschen Vertretung in Tokio war er für Presse und Politik verantwortlich, in Budapest für das KSZE-Kulturforum. Drei Jahre war Volker Stanzel Geschäftsträger an der Deutschen Botschaft in Aden/Jemen.

Von 1990 bis 1993 leitete er das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Deutschen Botschaft in Peking. Danach hat Stanzel drei Jahre das Lagezentrum des Auswärtigen Amtes in Bonn geführt.

Von 1995 bis 1998 war er Referent für Außenpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion und danach ein Jahr lang „Fellow des German Marshall Fund of the United States in Washington“.

Von 1999 bis 2001 war er für das Referat „Friedliche Nutzung der Kernenergie“ im Auswärtigen Amt Berlin zuständig, danach diente er ein Jahr als Beauftragter für Asienpolitik im Auswärtigen Amt.

Von 2002 bis zu seiner Berufung auf den Botschafterposten in Peking war er Leiter der Politischen Abteilung 3 im Auswärtigen Amt Berlin.

Volker Stanzel ist verheiratet, hat eine Tochter und einen Sohn.

EM - In der Dongzhimenwai Dajie Nr. 17 in Peking zieht Mitte September ein neuer Hausherr ein. Die Adresse im Chaoyang Distrikt gehört der Deutschen Botschaft. Hier wird künftig Dr. Volker Stanzel residieren, der zum neuen Botschafter in der Volksrepublik China berufen wurde. Die Zustimmung der chinesischen Regierung ist erteilt.

Stanzel war bislang Chef der politischen Abteilung 3 des Berliner Auswärtigen Amtes und damit zuständig für vier Weltregionen: Naher und Mittlerer Osten, Afrika, Lateinamerika, Asien und Pazifik.Mit ihm wurde nun ein echter Profi auf den wichtigen Posten des Botschafters in der VR China berufen. Er ist Sinologe, hat eine Chinesin aus Taiwan zur Frau und kennt sich in der chinesischen Politik bestens aus. Das unterscheidet ihn von manchem Vorgänger, der erst vor Ort mühsam Sprache und Kultur erlernen mußte.

Den Lesern des Eurasischen Magazins ist der künftige deutsche Botschafter in Peking aus mehreren Beiträgen bestens bekannt. In Ausgabe 05/03 haben wir ausführlich sein Buch „Chinas Außenpolitik – Wege einer widerwilligen Weltmacht“ besprochen, das er unter dem Pseudonym Gustav Kempf verfaßte. Mit diesem Werk hat er sich bereits als Kenner der chinesischen Politik einen Namen gemacht.

In unserer Experten-Umfrage mit dem Titel „Eurasien in der Diskussion“ in der gleichen Ausgabe war Dr. Volker Stanzel ebenfalls mit einem Beitrag vertreten. Im Oktober 2003 haben wir ein Interview mit ihm veröffentlicht. Die Überschrift lautete: „In der Volksrepublik entsteht eine pluralistische Gesellschaft“. Das ist ein Zitat von Volker Stanzel. Diese Aussage hat die Zeitschrift „Xiù Cai“ (http://xiucai.oai. de/XiuCai/XiuCaiNo34.pdf) aufgegriffen, die monatlich vom Ostasieninstitut der FH Ludwigshafen als Internet-Magazin herausgegeben wird. Über die Berufung Stanzels zum neuen China-Botschafter hieß es dort im Juni 2004 augenzwinkernd: „ Der Kanzler traf seine bislang immer noch geheimgehaltene Entscheidung kurz vor seinem letzten China-Trip (Dezember 2003), als er über ein Interview auf den Mann aufmerksam wurde, das dieser am 25.10.2003 der (gut gemachten) Fachzeitschrift Eurasisches Magazin (nur im Internet) gab. Hier trat Stanzel mit einigen aufsehenerregenden Thesen hervor, die dem Kanzler gut in seinen momentanen China-Kram paßten wie zum Beispiel diese: „ Was feststeht ist, daß China eine pluralistische Gesellschaft wird“. Oder, als Bonbon für die deutsche Wirtschaft, seine clevere Antwort auf die Fangfrage, ob denn die chinesische Beteiligung am europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo wohl auch „ lukrative Aufträge für die europäische Rüstungsindustrie bringen werde“. Stanzel: „Galileo, genauso wie GPS, ist grundsätzlich auch militärisch nutzbar .... Daß die Rüstungsindustrie aus ihrer eigenen Interessenlage heraus besondere Erwartungen mit den Entscheidungen Chinas verbindet, dürfte selbstverständlich sein.“

Wenn der neue deutsche Botschafter Mitte September seinen Dienst in Peking antritt, wird er sein „größtes Augenmerk auf die Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und China“ richten, wie er im Interview mit dem Eurasischen Magazin versicherte. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern seien „eine große Aufgabe“, politisch laufe es derzeit sehr gut, aber unerfreulicherweise habe die Aufmerksamkeit für die kulturellen Beziehungen sehr stark nachgelassen. Dies will der neue Mann in Peking ändern.

Hans Wagner

Interview mit dem neuen Botschafter Deutschlands in der VR China:

„Ich hätte nichts dagegen, wenn die Berliner Love Parade einen Ableger in Peking bekäme.“

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Der neue China-Botschafter Volker Stanzel (ganz rechts) bei der Einweihung des Botschaftsgeländes der Mongolei in Berlin, im Juli 2003.
Foto: (c) briti bay
 

Eurasisches Magazin: Herr Dr. Stanzel,d er Titel Ihres 2002 unter dem Pseudonym Gustav Kempf erschienenen Buches über Chinas Außenpolitik trägt den Untertitel „Wege einer widerwilligen Weltmacht“. Hat sich daran inzwischen etwas geändert?

Volker Stanzel: China geht den Weg weiter, den ich damals beschrieben habe. Es ist immer noch ein gewisses Unbehagen zu spüren an der Rolle einer Weltmacht, die das Land ja im Begriff ist zu werden. China, als großes, wirtschaftlich starkes Land, das als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen schon erheblichen Einfluß hat, müßte noch größere Verantwortung übernehmen. Das heißt, es müßte viel aktiver die globale Politik mitgestalten. Aber mit dieser Aufgabe hat China sich noch nicht wirklich angefreundet. Der Widerwille zur Weltmacht ist geringer geworden, aber er ist noch nicht überwunden.

Europa hat der Volksrepublik China eine Menge zu bieten

EM: In der Außenpolitik gibt es keine Freundschaften, sondern nur Interessen, sagte sinngemäß der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck. Wie würden Sie das Verhältnis Chinas zur EU und speziell zu Deutschland bezeichnen?

Stanzel: Dieses Verhältnis ist in beide Richtungen von starken gemeinsamen Interessen bestimmt. Und zwar einmal wirtschaftlich, denn für China genügt es nicht, sich für seinen wirtschaftlichen Aufstieg auf die Zusammenarbeit mit dem nordamerikanischen Markt zu verlassen. Europa hat der Volksrepublik wirtschaftlich eine Menge zu bieten. Aber auch politisch, denn wenn chinesische Politiker darüber nachdenken, wie die Welt künftig einmal aussehen sollte, dann erkennen sie schnell, von welchen Ländern und regionalen Gruppierungen diese Gestaltung beeinflußt werden wird. Und da gehört Europa ganz entscheidend dazu. Das ist aus chinesischer Sicht klar erkannt.

EM: Und wie wird sich das Verhältnis kulturell entwickeln zwischen diesen beiden weit auseianderliegenden Ufern Eurasiens?

Stanzel: Die gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen sind außerordentlich wichtig. Wir haben noch keine globale Monokultur. Es gibt ganz im Gegenteil eine Vielzahl von Kulturen, die sich gegenseitig beeinflussen und dabei voneinander profitieren. Mit an vorderster Stelle sind es die Kulturen Europas, zu denen China seine Beziehungen ausbauen muß.

EM: Was ist das Ziel Ihrer politischen Arbeit, wen man das überhaupt formulieren kann?

Stanzel: Ganz allgemein möchte ich sagen, daß die beiden Partner Deutschland und China zwar ungeheuer wichtig füreinander, aber auch sehr weit voneinander entfernt sind. Das ist nicht nur geographisch der Fall, sondern auch in ihren Wertvorstellungen kulturell und politisch. China hat ein autokratisches Regime, Deutschland eine parlamentarische Demokratie. Darum ist es um so wichtiger, möglichst viele Informationen in beide Richtungen zu tragen. Die eine Aufgabe der Botschaft ist es, zu analysieren, was in China passiert und die richtigen Wege zu finden, möglichst umfangreiches Wissen darüber nach Deutschland zu transportieren. Und umgekehrt hat die Botschaft die Aufgabe, möglichst viele Informationen über Deutschland in die chinesische Öffentlichkeit hineinzutragen.

In den letzten zwanzig Jahren wurden die Kulturbeziehungen vernachlässigt

EM: Was heißt das ganz konkret zum jetzigen Zeitpunkt?

Stanzel: Angesichts des Stands unserer bilateralen Beziehungen halte ich es für vordringlich, größtes Augenmerk auf die Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und China zu richten. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind eine große Aufgabe, politisch läuft es derzeit sehr gut, aber leider hat die Aufmerksamkeit für die kulturellen Beziehungen stark nachgelassen. Doch gerade diese Beziehungen müssen die Basis bilden für produktive Zusammenarbeit auf den Feldern der Politik und der Wirtschaft. Erst durch intensive Kulturbeziehungen kann eine Gesellschaft die andere überhaupt verstehen. Was wir heute über China wissen, verdanken wir auch dem regen Kulturaustausch zwischen beiden Ländern in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Aber in den letzten zwanzig Jahren haben wir gerade diesem Aspekt viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es besteht die Gefahr, daß das gegenseitige Verständnis für die andere Kultur schwindet. Hier muß alles getan werden, was von staatlicher Seite aus möglich ist, um das zu ändern. Daran arbeiten beide Länder auch. Die Chinesen wollen zum Beispiel ein Kulturinstitut in Berlin einrichten und wir ein zweites Goethe-Institut in Schanghai.

Es besteht die große Gefahr, daß gerade die junge Generation beider Länder nichts voneinander weiß

EM: Ältere chinesische Politiker konnten Goethe zitieren, in der jüngeren Politikergeneration dürfte das wohl kaum mehr ein Thema sein.

Stanzel: Das ist so. Als der jetzige chinesische Präsident Hu Jintao, noch in seiner Eigenschaft als Vizepräsident Deutschland bereiste, hat er Leibniz zitiert. Und als Bundespräsident Rau China besuchte, hat er Konfuzius zitiert. Die jüngeren Politiker auf beiden Seiten haben solche Kenntnisse nur noch selten. Das zeigt, wie wichtig der Kulturaustausch ist. Nicht daß wir den Deutschen unbedingt Konfuzius nahebringen müßten und den Chinesen das Denken von Leibniz. Es wäre viel gewonnen, wenn wir die Kultur, so wie sie gegenwärtig in den beiden Ländern aussieht, vorstellen würden und könnten. Das heißt eben auch die Jugendkultur. Ich hätte zum Beispiel gar nichts dagegen, wenn die Berliner Love Parade einen Ableger in Peking bekäme. Es besteht doch die große Gefahr, daß gerade die junge Generation in beiden Ländern nichts von einander weiß, daß das gegenseitige Interesse nachläßt und daß sich dies dann auch auf die Wirtschaft und die Politik auswirkt.

EM: Vertreten Sie als deutscher Botschafter heute eigentlich noch genuin deutsche Interessen im Ausland oder in wie weit sind sie bereits ein EU-Botschafter?

Stanzel: Die Einflußmöglichkeiten einer mitteleuropäischen Mittelmacht, wie Deutschland sie ist, auf eine werdende Weltmacht, wie China sie ist, sind notwendigerweise begrenzt. Diese Einflußmöglichkeiten verstärken sich aber, wenn dahinter Europa steht. Das bedeutet, daß das, was wir als Deutsche unter Chinapolitik begreifen, so weit als möglich in die europäische Chinapolitik einfließen muß, um ein entsprechendes Gewicht zu bekommen. Ich kann als deutscher Botschafter nicht für Europa sprechen, aber ich spreche für einen wichtigen Teil Europas und ich vertrete eine Chinapolitik, von der ich mir vorstelle, daß sie auch eine europäische Chinapolitik ist.

Die Botschaft in China ist eine unserer wichtigsten Botschaften auf der Welt

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Die neue deutsche Botschaft in Peking  

EM: War es eigentlich Ihr Wunsch, Botschafter in Peking zu werden, oder wären Sie lieber in Berlin geblieben?

Stanzel: Es war mein Traum! In den schwer zu bestimmenden Schicksalen einer Laufbahn im Auswärtigen Dienst kann man von so etwas allenfalls träumen – Wünsche sollte man da weder hegen, noch gar äußern.

EM: Und mit welchen Gefühlen reisen Sie im September in die chinesische Hauptstadt?

Stanzel: Ich freue mich auf meine Aufgabe und ich bin sehr gespannt. Denn natürlich bin ich mir bewußt, daß die Botschaft in China eine unserer wichtigsten Botschaften ist. China ist einer unserer wesentlichsten Partner in der Welt. Es ist eine gewaltige Verantwortung, die ein Botschafter auf diesem Posten hat.

EM: Wie gut kennen Sie das Haus der deutschen Botschaft in Dongzhimenwai Dajie Nr. 17 in Peking schon und wer wird dort alles mit Ihnen einziehen?

Stanzel: In Dongzhimenwai Dajie Nr. 17 befindet sich seit 1998 die neue deutsche Botschaft. Als ich von 1990 bis 1993 in Peking war, gab es noch das alte Gebäude. Das neue Botschaftsgebäude kenne ich bislang nur von Dienstreisen, wie kürzlich mit Außenminister Fischer.

EM: Und wer wird dort alles mit Ihnen einziehen?

Stanzel: Meine Frau und meine Tochter, die Sinologie studiert. Sie wird ein paar Semester in Peking einschieben. Mein Sohn, der im Hotelfach arbeitet, hat schon angekündigt, daß auch er bei erster Gelegenheit zumindest ein paar Monate für einen Sprachkurs nach Peking kommen wird. Meine ganze Familie freut sich, an den Ort unseres letzten Auslandseinsatzes zurückzukehren. In den letzten elf Jahren habe ich auf fünf verschiedenen Posten gearbeitet, die allesamt im Inland lagen. Und jetzt geht es zurück nach China.

„Ich esse am liebsten Peking-Ente“

EM: Fiebert Ihre Frau, die ja Taiwan-Chinesin ist, der Rückkehr in die Heimat China schon entgegen, oder hat sie Bammel?

Stanzel: Nein, sie hat keinen Bammel vor der Rückkehr. Meine Frau sagt, es gibt nicht so viele Auslandsposten, wo man die Sprache wirklich gut versteht. Um so schöner ist es dann, wenn man an eine Botschaft kommt, wo man seine Muttersprache wieder sprechen kann.

EM: Lieben Sie eigentlich die chinesische Küche oder schmecken Ihnen deutsche oder europäische Gerichte besser?

Stanzel: Ich mag fast alles, was aus der chinesischen Küche kommt. Dazu hat mich meine Frau schon erzogen.

EM: Was essen Sie am liebsten?

Stanzel: Ob sie es glauben oder nicht: es ist Peking-Ente. Allerdings braucht man dafür viel Zeit. Das gleiche gilt im Winter für den Mongolen-Topf, den ich auch sehr schätze.

EM: Welche chinesische Tugend ist besonders geeignet, um Sie Menschen am anderen Ende Eurasiens, also den Europäern, zu empfehlen?

Stanzel: Geduld! Geduld, Geduld, Geduld.

EM: Herr Botschafter, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.

Außenpolitik China Deutschland Interview

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