Die Liste der Dokumente, die Korrespondenten in Russland brauchen, wird immer längerFAST LEGAL IN RUSSLAND

Die Liste der Dokumente, die Korrespondenten in Russland brauchen, wird immer länger

Selbst auf Reisen braucht man eine Registrierungskarte, um zu einer Unterkunft zu gelangen. Soviel Zeit für soviel Bürokratie hat man wohl nur in Russland. Aber es hilft nichts, denn ansonsten ist man ganz schnell ein Illegaler.

Von Ulrich Heyden

A n meiner Tür klingelte es Sturm. Als ich öffnete, stand dort meine Vermieterin. „Ich schmeiße Sie raus“, polterte die 62-jährige mit der orange gefärbten Dauerwelle. „Morgen verlassen sie die Wohnung.“

„Was ist denn los?“ will ich wissen. „Im Sozialamt haben sie gesagt, dass bei mir jemand wohnt. Deswegen kann ich jetzt keine Winterjacke beantragen.“

Was war passiert? Ich hatte mich beim Bezirksamt unter meiner Wohnadresse registriert. Deshalb war mein Name im Computer des russischen Sozialamtes gelandet und meine Vermieterin, die bei ihrem Sohn wohnt und mit jedem Rubel rechnen muss, hatte Scherereien. Mit scharfer Beamten-Logik hat das Amt geschlussfolgert, dass, wenn in der Wohnung der Rentnerin eine männliche Person in arbeitsfähigen Alter lebt, wohl genug Geld da sei, um eine Winterjacke für die Rentnerin zu kaufen. Ein Fürsorge-Fall für den russischen Staat sei meine Vermieterin, die offenbar Mieteinnahmen von einem Ausländer hat, auf jeden Fall nicht.

Mehrfachvisum und Migrationskarte

Um eine Registrierung an meinem Wohnort komme ich nicht herum, obwohl ich eigentlich mit Dokumenten schon reichlich ausgestattet bin. Ich habe einen russischen Journalistenausweis, ein Mehrfachvisum und eine Migrationskarte, die ich bei der Einreise am Flughafen abstempeln lasse. An der Passkontrolle am Airport wird mein Pass auch noch gescannt. Wenn ich nach Moskau reinfahre, bin ich also längst registriert. Doch nach dem neuen Einwanderungsgesetz müssen sich alle Ausländer, egal ob tadschikische Bauarbeiter oder westliche Korrespondenten, drei Tage nach der Ankunft noch zusätzlich, direkt im Wohnbezirk, registrieren lassen. Doch einen Vermieter zu finden, der die Registrierung zulässt, gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die Steuer für die Miete beträgt zwar nur 13 Prozent, aber die Moskauer Vermieter – meist einfache Bürger mit oft nur geringem Einkommen - versuchen die Registrierung des Mieters zu vermeiden, um die Miete schwarz zu kassieren. „Die da oben sitzen auf den Ölquellen. Wir wollen auch was verdienen“, so hört man immer wieder bei der Wohnungssuche. Für eine Babuschka oder einen Künstler, der seine Wohnung vermietet, zählt jeder Rubel.

Registrierung, Registrierung – wer hat denn so viel Zeit?

Doch richtig kompliziert wird es erst, wenn man Moskau zu einer Recherche Richtung Perm oder Sotschi verlässt. Nach dem neuen Einwanderungsgesetz muss man sich vorher im Moskauer Wohnbezirk abmelden. Wenn man sich nicht abmeldet, bekommt man in Perm oder Sotschi kein Hotelzimmer. Natürlich kann man in der russischen Provinz versuchen, privat unterzukommen. Aber registrieren muss man sich auch dort, sonst kann einem ein Polizist bei einer Straßenkontrolle eine saftige Geldstrafe aufdrücken.

Ich muss also mit meinem Vermieter in Perm zur Post. Dort kann ich meinen Registrierungsantrag abgeben. Doch diese Prozedur kann einen ganzen Tag dauern, denn wie die Erfahrung zeigt, ist nicht jeder Postbeamte in der Provinz bereit, den Registrierungsantrag eines Ausländers entgegenzunehmen. Da wird man schon mal weggeschickt. Für manchen Postbeamten ist die Registrierung eines Ausländers immer noch eine ungewohnte und damit heikle Sache, mit der man am liebsten nichts zu tun haben will.

Damit ich zumindest in Moskau legal leben kann, habe ich mir jetzt eine andere Wohnung gesucht. Mein neuer Vermieter hat hoch und heilig versprochen, mich zu registrieren. Nun hoffe ich nur noch, dass er es sich nicht irgendwann anders überlegt. Eins ist auf jeden Fall sicher: Meine ehemalige Vermieterin hat nun endlich Anrecht auf ihre Winterjacke.

Medien Russland

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