Donaufahrten auf dem Schicksalsstrom vieler Völker und ReicheREISE

Donaufahrten auf dem Schicksalsstrom vieler Völker und Reiche

Donaufahrten auf dem Schicksalsstrom vieler Völker und Reiche

Vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer erstreckt sich – durch den Rhein-Main-Donau-Kanal verbunden – eine einmalige Wasserstraße. Ihr wichtigster Teil ist Europas zweitlängster Fluss, die Donau. Sie diente zu allen Zeiten als Reiseweg und auch als Grenze. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs und der Beseitigung der gröbsten Schäden der jüngsten Balkankriege, ist sie wieder durchweg befahrbar und bietet neben reinem Urlaubsvergnügen eine Fülle praller Geschichte.

Von Eberhart Wagenknecht

A n ihren Gestaden wurde eurasische Geschichte geschrieben. Viele große Völker folgten ihrem Lauf oder fanden mit ihren Reichen an den Ufern der Donau ihre Grenze. Sie ist nach der Wolga der zweitlängste Strom Europas und der einzige der großen Ströme, der von West nach Ost dahin zieht – über fast 2.900 Kilometer. Die Donau kommt aus dem Westen Deutschlands,  nimmt ihren Lauf über Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien und die Ukraine. Am Ende ergießt sie sich in ein riesiges Delta, ehe sie im Schwarzen Meer ihr Ende findet. Der Leuchtturm von Sulina, der alten Hafenstadt im rumänischen Teil des Flussdeltas – sie ist nur mit dem Schiff erreichbar - bildet den offiziellen Nullpunkt der Stromkilometer, die im Gegensatz zur Gepflogenheit bei anderen Flüssen rückwärts bis zur Quelle gezählt werden.

Der August ist ein beliebter Monat für Schiffsreisen und Kreuzfahrten, zum Beispiel zwischen Passau und Wien, von Wien nach Budapest und weiter bis zu den Schwarzmeerhäfen. Während sich die Touristenströme über verstopfte Urlauberpisten nach Süden quälen, gleiten die Motorschiffe der Donaukreuzer an den Kulissen geschichtsträchtiger Städte und Metropolen vorüber. Stadtbummel und Ausflüge zu besonderen Sehenswürdigkeiten gehören zum Programm der Veranstalter.

Galerie: Donau (Fotos: Denis Barthel, KR).
Die Bilder Nummer 2,3 und 4 basieren auf den Bildern aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und stehen unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber der Bilder ist Denis Barthel.

Wo die Kelten siedelten und die Goten zogen

Auf der Strecke zwischen Passau und Wien wird die Donau mit Klöstern und Schlössern, Burgen und Kirchen, die ihren Weg säumen, zum einzigartigen „Barockstrom“. Besonders herausragend ist Stift Melk, die größte Klosteranlage des österreichischen Barocks. Während die imposante Kulisse hoch über dem Wasser thronend vorübergleitet, strebt das Schiff dem Weinland der berühmten Wachau zu. Wenn man den Blick vom linken Donauufer flussabwärts richtet, in nordöstlicher Richtung, erahnt man die dunklen Höhenzüge des Waldviertels im Dunst der Ferne. Hierhin setzte sich im dritten Jahrhundert n. Chr. der keltische Stamm der Boier ab, der vorher im Etruskerland gesiedelt hatte. Die Römer hatten ihm eine verheerende Niederlage beigebracht. Noch heute gibt es viele keltische Spuren im niederösterreichischen Waldviertel.

Wer ein feines Gehör hat, kann vielleicht außer dem Plätschern der Wellen am Bootsrumpf noch ganz andere Klänge vernehmen. Mit geschlossenen Augen träumend hört man das ferne Lärmen des Gotenzuges. Um das Jahr 175 n. Chr. hatte dieses Volk des Nordens seinen langen Marsch begonnen, der es von seiner skandinavischen Heimat aus über die Weichsel und weiter an den Ufern der Donau entlang schließlich bis zum Schwarzen Meer führte. Dass die Auswanderer aus dem dunklen Norden einmal zum Umsturz der antiken Welt beitragen würden, ahnte zu dieser Zeit niemand.

Vielleicht ist es auch das Hufgetrappel der asiatischen Reiterheere des Mongolenführers Dschingis Khan oder des Hunnenkönigs Attila, die bis nach Wien voranstürmten und das Abendland in Angst und Schrecken versetzten. An den Festungsanlagen der Donaumetropole  und einigen Bollwerken nördlich davon in Schlesien wurden ihre Steppenreiter zurückgeschlagen oder mussten umkehren, weil fern in der Heimat der Haussegen schief hing. Der Donaustrom und die entschlossene Gegenwehr hatten sie aufgehalten und so blieb der größte Teil Mitteleuropas von ihren Verheerungen verschont. Alle die gefürchteten Eroberer aus den Weiten Eurasiens ritten immer nur bis zur Donau.

Nationalpark in den Donauauen – eine Urlandschaft entsteht neu

Die Türken vor Wien – ein Schreckensruf bis zum endgültigen Sieg durch den Prinzen Eugen über Sultan Ahmed III. im Jahre 1717. Österreich entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten zur „Donaumonarchie“, die bis zum Ersten Weltkrieg Bestand hatte. Österreich selbst, Ungarn, das heutige Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, sowie Teile Rumäniens, Polens, der Ukraine, des heutigen Italiens, Serbiens und Montenegros gehörten dazu.  Flächenmäßig war die kaiserlich-königliche Österreich-Ungarische k. und k. Monarchie damit der zweitgrößte Staat Europas (nach Russland), sie hatte mit Budapest und Wien zwei Donaumetropolen zu Hauptstädten.

Aber die Donau hat natürlich auch anderes zu bieten als nur Festungswälle und historischen Schlachtenlärm. Wer von solch geschichtsträchtigen Daten weniger fasziniert ist, dem sei der östlich von Wien eingerichtete Nationalpark ans Herz gelegt. Er wurde vor über einem Jahrzehnt ausgewiesen. Die im neunzehnten Jahrhundert regulierte Donaugegend wird seither sich selbst überlassen, um wieder zur Urlandschaft zu werden. Weiden und Gebüsch, Schotterufer im Wechsel mit Sandanschwemmungen, Pappeln, Erlen und Dickicht breiten sich an den Ufern aus. Dahinter liegen Wildbadeplätze, kleine Inseln und stille Altwasserarme, die man aber vom Schiff aus kaum einsehen kann. Doch wer will, kann eigene Ausflüge in diese sehenswerte Landschaft machen, in der es Wildschweine und Biber gibt, Eisvögel und Kormorane, Fischottern, Urzeitkrebse, Europäische Sumpfschildkröten und seltene Libellenarten.

Wien – Pressburg: Im Katamaran von Stadtmitte zu Stadtmitte

Zwischen Wien und Pressburg (Bratislava) verkehrt ein in Norwegen gebauter Aluminium-Katamaran. Der 33 Meter lange Gleiter fährt mit einem zweitausend PS starken Batterieantrieb.  Nicht weit vom Wiener Stephansdom, auf dem Schwedenplatz am Donaukanal mitten in der Wiener Innenstadt, kann man einsteigen. 102 Passagiere finden Sitzplätze wie im Flugzeug. Die Fahrt dauert eine gute Stunde. Dann legt das Boot im 60 Kilometer entfernten Pressburg an, vor dem Martinsdom, direkt unter dem Burgberg der slowakischen Hauptstadt. Der umweltfreundliche Katamaran darf von Stadtzentrum zu Stadtzentrum auf den Kanälen Wiens und Pressburgs verkehren und muss nicht in den Außenhäfen anlegen.

Die Reiseveranstalter versuchen lange Flussfahrten stets so kurzweilig und abwechslungsreich wie nur möglich zu gestalten. So lassen manche der großen Schiffe ihre Passagiere zwischen Esztergom und Budapest gern in kleinere Boote umsteigen, um das malerische Naherholungsgebiet „Donauknie“ zu besuchen. Man nennt es auch die ungarische Wachau.
Es gehört zum ungarischen Nationalpark Danube-Ipoly. Viele Sandbänke und mit wildem Wein bewachsene „Bauminseln“ ragen aus dem Wasser.

In Budapest wartet dann der Donaukreuzer wieder auf seine Gäste, und weiter geht die Reise auf dem großen Strom durch Ungarn, Richtung Kroatien und Rumänien. Hier, stromabwärts, südlich von Budapest, wird die Landschaft noch beeindruckender. Man durchfährt das größte Auwaldgebiet Mitteleuropas. Es umfasst nahezu 30.000 Hektar und ist Teil des „Duna-Drava National-Parks“. Hier brüten Schwarzstörche und Reiher in riesigen Kolonien. Außerdem horsten in dieser wilden Donaulandschaft auch zahlreiche Seeadler-Brutpaare.

Schon bald kann man erneut des  Hunnenkönigs Attila gedenken. Er soll nämlich irgendwo hier zwischen Donau und Theiß von einem hölzernen Palast aus sein Reich regiert haben, wenn er nicht gerade zu Kriegszügen unterwegs war.

Die Spuren der jüngsten Kriege

Schicksalsstrom Donau, diese Benennung gilt indes nicht allein der bloßen Erinnerung an ferne Tage mit Schlachten, Siegen und Niederlagen. Auch in unseren aufgeklärten Zeiten gibt es tiefe Spuren des Krieges im Flusslauf, in der ihn umgebenden Landschaft und in den Städten an seinem Ufer zu sehen. Vor allem die Länder, die von den jüngsten Balkankriegen des ehemaligen Jugoslawiens und der NATO betroffen waren, weisen noch immer schwere Wunden auf.

Die Silhouette des kroatischen Vukova sieht auch heute noch reichlich ausgefranst und zerhackt aus. Artillerie und Kampfflugzeuge der Serben hatten die Stadt schwer getroffen. Immerhin leuchten die Schlosskirche und einige andere Gebäude in ihrem Umkreis frisch renoviert aus der Kriegskulisse hervor.

Andere Schäden konnten inzwischen behoben werden. So wurde etwa die in die Donau gebombte Freiheitsbrücke der serbischen Stadt Novi Sad (Neusatz) kürzlich wieder hergestellt. Eine  provisorische Pontonüberquerung hatte sechs Jahre den durchgehenden Schiffsverkehr behindert. Vor knapp einem Jahr (Oktober 2005) konnte der Neubau, der mit Mitteln der EU realisiert wurde, eingeweiht werden.

Römer und Griechen am „Eisernen Tor“

Die Reise zum Schwarzen Meer führt vorbei an der Kulisse der serbischen Donaumetropole Belgrad mit der gewaltige Festung Kalemegdan, die einst in den Türkenkriegen von Prinz Eugen eingenommen wurde. Belgrad ist mit knapp 1,7 Millionen Einwohnern drittgrößte Stadt an der Donau und seit 7.000 Jahren als Siedlung ständig bewohnt. Damit gehört sie zu den ältesten Niederlassungen von Menschen am gesamten Donauufer. 

Weiter stromabwärts passiert man die Ruine der serbischen Festung Golubac, die den Eintritt in die gewaltige Donauschlucht des „Eisernen Tors“ markiert. Die Donau fließt hier als Grenzfluss zwischen Serbien und Rumänien bis zu den beiden Staudämmen Djerdap 1 und 2. Auf serbischer Seite befindet sich der Nationalpark Djredap.

Seit 1972 arbeitet hier am Zusammenstoß der rumänischen Südkarpaten  und des serbischen Erzgebirges ein gemeinsames Wasserkraftwerk. Die Talsperre am Eisernen Tor ließ einen 150 Kilometer langen Stausee entstehen. Seine Ausläufer reichen bis nach Belgrad. Der Wasserspiegel wurde um 35 Meter gehoben. Mehrere Städte mussten dafür geopfert werden und versanken in den Fluten. Die Wasserstraße Donau wurde bei dieser Gelegenheit ausgebaut und die Schiffdurchfahrt durch die Sprengung der Katarakte (Stromschnellen) im Fluss erleichtert. Es war ein gewaltiger Eingriff in Umwelt und Natur, der bis heute zu sehen ist.

Das Eiserne Tor ist einer der imposantesten Streckenabschnitte, den die Donau auf ihrem langen Weg zu bieten hat. Es handelt sich um den gewaltigsten Taldurchbruch aller europäischen Flüsse. Eine der frühesten Quellen, die dieses Naturschauspiel beschreibt, sind Aufzeichnungen griechischer Seeleute aus dem siebten Jahrhundert v. Chr. Sie segelten vom Schwarzen Meer die Donau flussaufwärts. Doch ihre Reise endete jäh an der felsigen Kataraktenstrecke des Durchbruchs. Sie beschrieben ihn als äußerst gefährlichen Verlauf, voller Untiefen und Stromschnellen, die ihren Schiffen die Weiterreise verwehrte.

Einige Jahrhunderte später, unter den Römern, bildete die Donau fast auf ihrer ganzen Länge die Grenze zu den Völkern im Norden. Auf dem Fluss erfolgten Truppentransporte. Die Nordgrenze war zusätzlich über Jahrhunderte mit  dem Donaulimes befestigt. Die Überschreitung der Donau gelang dem Imperium Romanum nur einmal in einem nennenswerten Umfang: Am Eisernen Tor bauten sie eine Brücke über den Strom und eroberten das Gebiet der Daker. Die neue Provinz nannten sie Dakia. Allerdings hatte sie nur gut 150 Jahre Bestand und ging dann wieder verloren.

Der Unterlauf der Donau – wo einst Thraker und Skythen zu Hause waren

„Heimat schneller Rösser“ und „Mutter der Schafe“ nannte Homer Thrakien, wo kampfeslustige und gefürchtete Stämme lebten, „Lanzenträger“ und „Streitwagenkämpfer“. Dort war der rauhe Nordwind Boreas zu Hause. Die befestigten Residenzen im Zentrum des Gebiets zwischen dem Unterlauf der Donau und der Ägäis belegen, dass in der späten Bronzezeit die dort lebenden Fürsten den Herrschern mykenischer Burgen durchaus ebenbürtig waren an Macht und Reichtum. Aus der Vielzahl der thrakischen Stämme ragen einige besonders hervor. Zu ihnen gehören jene Daker, die sich schließlich nach langen Kämpfen als einzige der nördlich der Donau ansässigen Stämme den römischen Eindringlingen wirklich geschlagen geben mussten.
Ein anderes Volk, das ebenfalls von griechischen Geschichtsschreibern ausführlich gewürdigt wird, ist das der Skythen. Sie lebten im nördlichen Schwarzmeergebiet und in den angrenzenden Steppen. Ihr Herrschaftsbereich erstreckte sich vom Unterlauf des Don im Osten bis zur Donau im Westen – ein Gebiet, das etwa der heutigen Ukraine entspricht. Und für die Skythen im Osten war die Donau ebenso Grenzfluss, wie später für die Römer, die von Osten und Süden an die Gestade des Stromes stießen.

Die Reise mit den Donaukreuzern findet ihr Ende  unweigerlich am Schwarzen Meer. Manche der Passagiere sind vom Atlantik über den Rhein-Main-Donau-Kanal bis hierher gefahren. Erreicht ist das Ende eines Wanderweges, den einst viele Völker genommen hatten, das asiatische Hirtenvolk der Magyaren ebenso wie die nordischen Goten, die Römer genauso wie Kelten und Germanen. Im Donaudelta bei Tulcea oder Sulina finden die letzten Ausflüge statt. Sie gelten einer einmaligen Flusslandschaft, die man eben nur von Bootsplanken aus wirklich kennenlernen kann.

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Lesen Sie dazu auch aus unserer Reihe „Eurasien historisch“ die Beiträge über DIE GOTEN, DIE RÖMER, DIE THRAKER, DIE SKYTHEN, DIE MONGOLEN, DIE HUNNEN, DIE OSMANEN

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