Deutschland – Traumpartner der RussenRUSSLANDDEBATTE

Deutschland – Traumpartner der Russen

Zu den Germanen fühlen sich die Russen unwiderstehlich hingezogen, denn sie sind stark, aber nicht übermächtig.

Von Ulrich Heyden

S chiller war der vollkommene Deutsche, wie er im Buche steht.“ In seiner Erzählung „Der Newski-Prospekt“ porträtiert der Schriftsteller Gogol den strebsamen Herrn Schiller, einen deutschen Handwerker in St. Petersburg. „Bereits mit zwanzig Jahren, in jenem glücklichen Alter, da der Russe einfach ins Blaue hinein lebt, teilte sich Schiller sein Leben ein und hielt unter allen Umständen an dieser Einteilung fest.“ Der deutsche Handwerker legte sich zahlreiche Pflichten auf, hielt sein Wort unter allen Umständen, war überaus sparsam und küsste seine Frau nur zweimal am Tag. So die Beobachtungen des russischen Schriftstellers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

„Deutschland erscheint vielen Russen als Traumbild einer Welt, in der es ordentlich und sauber zugeht“

Seitdem Gogol seine Erzählung schrieb, hat sich nicht viel geändert. Bei einem Deutschen, der in Russland zu spät kommt, wird schon mal gefrotzelt, „ich denke die Deutschen sind alle pünktlich?!“. Unverständlich ist den Russen bis heute die deutsche Sparsamkeit, bei manchen auch als „Schadnost“ (Geiz) verschrien. Dass in einem deutschen Kühlschrank schon mal etwas steht, auf das nur eine Person Zugriffsrecht hat, ist für einen Russen fast so schlimm wie Folter. Lieber ein kurzes Leben mit Teilen und Genuss als ein Langes mit Haushaltsbuch und elender Sparsamkeit.

Deutschland erscheint vielen Russen als Traumbild einer Welt, in der es ordentlich und sauber zugeht. Kein Kampf um das tägliche Überleben, Krankenkassen, die alles bezahlen, zuvorkommende Polizisten, eine freundliche Bedienung, gepflegte Städte, schnuckelige Einfamilien-Häuser und eine Autobahn so glatt wie ein Kinderpopo. Das ist Deutschland.

Eine Geschäftspartnerschaft mit einem Deutschen ist für russische Unternehmer der Traum schlechthin. Wer sich nicht auf die Brüderschaft einlassen will, erntet nur Kopfschütteln. „Wir gehören doch zusammen, wir sind doch natürliche Partner. Wir haben die Rohstoffe, ihr die Technologie“, hört man immer wieder in Gesprächen.

Alle Deutschen haben ein Haus und mindestens ein Auto

Wer als Deutscher in Russland weder ein eigenes Auto noch ein Photo von einem Haus in Deutschland vorzeigen kann, dem traut man nicht, der hält etwas verborgen. Denn alle Russen wissen ganz genau, dass alle Deutschen ein Haus und mindestens ein Auto haben. Man hat sie doch gesehen, die deutschen Rentner, die mit schicken Bussen durch St. Petersburg fahren. „Mehrmals im Jahr können die Urlaub machen, so hoch sind die Renten in Deutschland.“ Von den Arbeitslosen braucht man gar nicht erst zu reden. „Die können ja richtig froh sein, bei der Unterstützung, die sie kriegen.“ Erst seit die Finanzkrise die Welt erschüttert, fragen die Russen schon mal, „na, behälste´ Deinen Arbeitsplatz?“

Eine Sympathie, die auch den Zweiten Weltkrieg überdauert hat

Nach einer von den Meinungsforschern in Allensbach und dem Moskauer Lewada-Zentrum parallel in Russland und Deutschland im Jahr 2008 durchgeführten Umfrage, ist Deutschland für die Russen der erträumte Bündnispartner Nr. 1. Ungeachtet Millionen russischer Kriegstoter im Zweiten Weltkrieg, ungeachtet der Militärparaden im Mai, auf denen jedes Jahr aufs Neue der Sieg über Hitler-Deutschland gefeiert wird, erklärten 51 Prozent der Russen, sie wünschten sich eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Deutschland.  Damit nimmt die Bundesrepublik in der Länderliste den Spitzenwert ein, noch vor Weißrussland (50 Prozent), China (47 Prozent) und Frankreich (45 Prozent).

Nur zwei Prozent der befragten Russen empfinden, dass von deutscher Seite Feindseligkeit gegenüber dem eigenen Land ausgeht. Feindseligkeit empfinden 68 Prozent der befragten Russen dagegen heute von Seiten Georgiens, 65 Prozent von Seiten der USA und 50 Prozent von Seiten der Ukraine. Auf Deutschland und Frankreich liegt die ganze Hoffnung, dass die Nato-Erweiterung gen Osten gestoppt wird.

In Deutschland ist die Haltung gegenüber Russland reservierter

Natürlich ist die positive Einstellung gegenüber Deutschland auch Ergebnis einer recht freundlichen Berichterstattung über Deutschland. 56 Prozent der Russen erklärten, dass die Medienberichterstattung über Deutschland eher positiv ist. Die Russen und die Deutschen fühlen bei aller Sympathie, die es füreinander gibt, allerdings recht unterschiedlich. Während 45 Prozent der Russen sagen, dass sie die Deutschen mögen, antworteten nur 25 Prozent der befragten Deutschen, dass sie die Russen mögen.

„Hitler kaputt!“ Immer noch recht häufig hört man im russischen Alltag dieses Wort-Paar, meist  in einer Situation übermütiger Freude. Der Sieg über Hitlers Armee, das ist etwas, auf dass die Russen bis heute sehr stolz sind. Trotzdem möchte man die Deutschen gerne als Freunde, noch besser als Cousin oder älteren Bruder in die eigene Familie aufnehmen.

Eine anti-deutsche Propaganda hat es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Immerhin gab es ja die DDR, den kleinen deutschen Bruder und Satelliten. In den Filmen über den Zweiten Weltkrieg, die bis heute unaufhörlich laufen, wird immer fein säuberlich unterschieden, zwischen den „bösen Faschisten“ und dem „deutschen Volk“. Von Verbrechen der deutschen Wehrmacht wollen die Russen partout nichts wissen. „Das waren Soldaten, die nur Befehle ausführten“, so die landläufige Meinung.

Deutsche haben soviel Ehr- und Pflichtgefühl, dass man sich vor ihnen eigentlich nicht zu fürchten braucht. Auch die deutschen Soldaten – so die feste Meinung - waren im Grunde anständige Kerle.

*

Dazu zwei Lesetipps:

"Echtes Interesse Amerikas an Deutschland gibt es nicht mehr"

In der Tageszeitung DIE WELT vom 19. Januar 2009 erschien ein Interview mit Walter Laqueur, das diesen Titel trug. Anlass war wie so oft in diesen Tagen die Wahl von Barack Obama zum 44. Präsidenten der USA. Walter Laqueur schaut zurück auf ein bewegtes Jahrhundert, schreibt die WELT. Seit den 50er-Jahren gehört er zu den wenigen wirklich einflussreichen Politikberatern Washingtons. Den Wirbel um Obama sieht er nüchtern, lobt allerdings dessen außenpolitischen Stab.
Den Text lesen Sie hier: http://www.welt.de/welt_print/article3050623/Echtes-Interesse-Amerikas-an-Deutschland-gibt-es-nicht-mehr.html

Die Deutschen kommen

In der Financial Times Deutschland (FDT) vom 13.01.2009 berichtete Andrzej Rybak darüber, wie begehrt deutsche Chefs im heutigen Russland geworden sind. Da wächst im Sinne von „Wir haben die Rohstoffe, ihr die Technologie“ (siehe den Heyden-Beitrag) zusammen, was zusammengehört: „Immer mehr deutsche Topmanager heuern bei russischen Firmen an. Einer von ihnen ist Ex-RWE- Vorstand Gert Maichel, der beim Energiekonzern Suek im Aufsichtsrat sitzt. Eine etwas andere Dienstreise – von der Sauna bis zur Kohlegrube.“
Den Text lesen Sie hier: http://www.ftd.de/print-archiv/index.html?artID=1655923&day=13&month=01&year=2009&pagenum=23&timeframe_all=false (Der Artikel in der FTD ist kostenpflichtig).

Die Russlanddebatte im Eurasischen Magazin

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