Moskauer entsetzt über Amok-Lauf eines Polizei-MajorsBLUTIGER GEBURTSTAG

Moskauer entsetzt über Amok-Lauf eines Polizei-Majors

Schwer betrunken schießt der Leiter eines Polizei-Bezirks in einem Supermarkt mehrere Menschen nieder. Kreml-Chef Dmitri Medwedew entlässt Moskauer Polizei-Chef.

Von Ulrich Heyden

K rieg“ und „Polizei-Mörder“ titelten die Boulevard-Zeitungen Moskowski Komsomolez und Komsomolskaja Prawda. Die Menschen in Moskau sind einiges gewohnt, aber dass ein Major der Polizei in einem Amok-Lauf drei Menschen erschießt und sechs Personen schwer verletzt, das hat es noch nicht gegeben.

Der Täter, Denis Ewsjukow, war erst vor kurzem zum Leiter des wegen seiner Kriminalität bekannten Problembezirks Zarizyno im Südwesten von Moskau ernannt worden. Die Tatwaffe, eine Makarow-Pistole, hatte ein anderer Polizist vor neun Jahren auf der Heimreise von seinem Einsatzort in Tschetschenien verloren. Wie die Pistole, die auf der Verlustliste stand, in den Besitz des Täters kam, ist unklar.

Das Ende einer Geburtstagsfeier

Das Drama begann ausgerechnet mit einer Geburtstagsfeier. Major Ewsjukow feierte am Sonntag, 26. April mit 27 Gästen im Café Avinon seinen 32. Geburtstag. Wegen eines Streits mit seiner Frau Karin wurde die Feier jedoch schon um halb acht Uhr abends abgebrochen. Der Major war offenbar in schlechter Verfassung. Schon die Tage vor der Tat hatte er täglich mit Kollegen getrunken und sich mit seiner Frau gestritten. Über den Grund des Streits gab es unterschiedliche Berichte. Angeblich war der Major eifersüchtig, seine Frau – nach Berichten von Kollegen eine sehr schöne blonde Dame - dagegen kritisierte seine Arbeitsüberlastung.

Zuhause ging der Streit zwischen den Eheleuten dann weiter. Jedes seiner Argumente spülte der Major mit einem Gläschen Wodka herunter, berichtet  Moskowski Komsomolez. Schließlich verließ Ewsjukow das Haus, – offenbar um sich mit weiterem Alkohol zu versorgen. Auf der Straße hielt er einen Chevrolet Lanos an, der ihn eine Strecke fuhr. Anstatt für die Fahrt zu zahlen, schoss der Polizist dem Fahrer in die Brust. Die Kugel war tödlich. Weiter ging es dann zu Fuß zum Supermarkt Ostrow (Insel). Gleich am Eingang des Supermarktes gab es ein weiteres Opfer. Der Polizist schoss eine Frau mit Einkaufstüten nieder.

Unschuldige Opfer

Als der Major an der Kasse eine Schlange sah, erschoss er eine junge Kassiererin und einen Mann, der in der Nähe stand. Einer jungen Frau schoss er direkt ins Gesicht, einem Mann unter die Gürtellinie. Kundinnen, die sich in einen Nebenraum geflüchtet hatten, forderte er auf, sich zu stellen. „Die Schönste von euch soll herauskommen und sich an die Wand stellen.“ Auffällig war, dass alle Opfer im Supermarkt junge Leute im Alter von 18 bis 35 Jahren waren.

Als eine Polizei-Einheit eintraf, um den Täter zu überwältigen, schoss Ewsjukow auf seine Kollegen, versteckte sich dann in einem Nebenraum, wurde schließlich jedoch überwältigt. Ein Alkohol-Test bei dem Festgenommenen ergab 2,8 Promille.

Alte Geschichten

Der Leiter der Moskauer Innenbehörde, Wladimir Pronin, gab sich überrascht. Der Grund für die Tat sei vermutlich eine psychischen Störung, die mit einem „Streit im persönlichen Leben des Offiziers“ zusammenhänge. Pronin beschrieb seinen Untergebenen als Polizisten mit aussichtsreicher Zukunft. „Es ist bekannt, dass er ein sehr guter Ermittler war, dass er sehr gut gearbeitet hat.“ Moskauer Zeitungen fragen sich jetzt, wie Ewsjukow auf seinen hohen Posten kommen konnte, denn, wie sich jetzt herausstellte, hatte Ewsjukow keine saubere Vergangenheit. Der Posten eines Bezirks-„Sheriffs“, schreibt Moskowski Komsomolez süffisant, „koste“ 150.000 bis 300.000 Dollar.

Über den Täter tauchen nun in den Zeitungen alle möglichen alten Geschichten auf. So soll  Ewsjukow schon vor einem Jahr aufgefallen sein. Bei einer feucht-fröhlichen Feier in einem Restaurant, habe der Major einzelne Besucher mit seiner Trängengas-Sprühdose verfolgt. Polizei-Kollegen hätten ihn aus dem Restaurant schaffen müssen. Der Vorfall sei dann „vertuscht“ worden, schreibt Komsomolskaja Prawda. Der Major habe ein „übersteigertes Selbstwertgefühl“ gehabt. Alle jungen Frauen aus seiner Abteilung hätten gekündigt, weil sie die Anmaßungen ihres Vorgesetzten nicht mehr aushielten.

Kreml-Chef entlässt den Leiter der Moskauer Innenbehörde

Dmitri Medwedew hatte offenbar keine andere Wahl. Zwei Tage nach der Bluttat von Polizeimajor Denis Ewsjukow zog der russische Präsident harte Konsequenzen. Er entließ den Chef der Moskauer Innenbehörde, Wladimir Pronin, der seit 2001 im Amt ist und bisher einen festen Stand hatte.

Der Moskauer Bürgermeister Luschkow bedauerte die Abberufung des Polizeichefs. Pronin sei ein „effektiver Leiter“ und „kämpferischer General“ gewesen. Er habe Terrorakte in Moskau verhindert. Auf die enormen Probleme innerhalb der Polizei, Korruption und Überlastung im Dienst, ging der Bürgermeister nicht ein.

Der Amoklauf von Polizei-Major Denis Ewsjukow ist nach Meinung von Beobachtern auch Ausdruck der Probleme, die sich bei der Polizei angehäuft haben. Der Arbeitsdruck der Beamten nimmt zu und mit der Krise nimmt auch die Kriminalität zu. Der Amok-Läufer leitete einen Problembezirk, in dem viele Arbeitslose wohnen. Er hatte offenbar große Probleme, sich in seiner Dienststelle durchzusetzen.

Der auf Sicherheitsfragen spezialisierte Moskauer Anwalt, Pawel Astachow, hatte unmittelbar nach dem Amok-Lauf gefordert, dass alle Polizeiwachen auf nichtregistrierte Waffen überprüft werden. Der Amokläufer hatte nämlich nicht mit seiner Dienstwaffe geschossen, sondern mit einer Waffe, die ein aus dem Tschetschenien-Einsatz zurückgekehrter Polizei-Kollege verloren hatte. Die Waffen, welche die Polizei Verbrechern abnehmen, befänden sich generell nicht unter Kontrolle, so Anwalt Astachow. Bei jedem Mitarbeiter der Polizei könne man „in der Garage, auf der Datscha und im Kofferraum“ etwas „Kriminelles“ finden.

Das Image der Moskauer Polizei war noch nie besonders gut. Insbesondere nachts versuchen die Moskauer den Kontakt mit Polizisten zu vermeiden. Wer auf eine Polizeistreife trifft, wechselt lieber die Straßenseite. Denn es kommt vor, dass für eine nicht begangene Ordnungswidrigkeit ein Schmiergeld verlangt wird. Polizisten fühlen sich in Russland generell straffrei, die Bürger dagegen weitgehend schutzlos. Durch die Entlassung des Moskauer Polizei-Chefs hat der russische Präsident nun gezeigt, dass er tatsächlich etwas gegen den in Russland grassierenden „Rechtsnihilismus“ (O-Ton Medwedew) unternehmen will.

Medien Militär Russland

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