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RAKETEN FÜR MITTELEUROPA
Von Thorsten Herdickerhoff
ie Pläne der USA, in Mitteleuropa einen Raketenabwehr-Schirm zu errichten, nehmen langsam Gestalt an. In den vergangenen Wochen haben Experten des US-Militärs verschiedene Standorte in Tschechien und Polen besichtigt und auch mindestens einen geeigneten gefunden, der im Osten Tschechiens bei Olomouc liegt. Ende des Monats wollen die USA ihre Standort-Wünsche bekannt geben und die betroffenen Länder um die Erlaubnis zum Bau der Raketenabwehr-Basen bitten.
Die US-Zeitung New York Times hatte im Mai unter Berufung auf Beamte des US-Verteidigungsministeriums berichtet, Washington plane bis 2011 den Aufbau von zehn Raketenabwehr-Basen in Polen und Tschechien. Ziel sei die Abwehr von iranischen Interkontinental-Raketen. Moskau hingegen glaubt, die Pläne richten sich gegen Russland.
In Tschechien und Polen wächst derweil der öffentliche Widerstand gegen die Raketensilos. Gegner der US-Pläne haben in Tschechien bereits mehrere tausend Unterschriften gesammelt und Demonstrationen organisiert. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts STEM hat ergeben, dass in Tschechien 51 Prozent der Befragten die Raketenabwehr-Basen ablehnen und nur ein knappes Drittel damit einverstanden ist.
In Polen lehnen laut einer Meinungsumfrage der Tageszeitung Rzeczpospolita sogar 63 Prozent der Menschen die Raketen ab und weniger als ein Viertel ist dafür. Der polnische Präsident Lech Kaczynski unterstrich vor kurzem, dass er zumindest einer exterritorialen US-Einrichtung in Polen reserviert gegenüberstehe. Und der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Stanislaw Koziej sieht die Regierung „nicht gezwungen“, dem eventuellen Bau von Raketensilos zuzustimmen.
In Tschechien befürworteten die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) lange Zeit die Stationierung, die Sozialdemokraten der CSSD haben die Idee eher abgelehnt. Jetzt aber haben auch die Bürgerdemokraten ihre Zustimmung zurückgezogen und sprechen sich für einen Volksentscheid aus. Den wünschen sich der STEM zufolge auch 61 Prozent der Tschechen.
Einige Kommentatoren bemängeln diesen Weg und werfen den Politikern vor, sich hinter den Wählern zu verstecken. Das sei nicht der Sinn einer repräsentativen Demokratie, meint der Kommentator der Tageszeitung Lidove Noviny. Außerdem haben die konservativen Bürgerdemokraten 1998 bei der deutlich schwerer wiegenden Frage, ob Tschechien Nato-Mitglied werden solle, ein Referendum kategorisch ausgeschlossen.
Der Grund für die neue Bürgernähe könnte Wahlkalkül sein, das die tschechische Politik so oft behindert. Tschechien hat zwar im Juni erst gewählt, aber das Ergebnis führte zu einer Pattsituation im Parlament. Die zurzeit geplante Mitte-Rechts-Koalition unter Führung des ODS-Vorsitzenden Mirek Topolanek wird als Minderheitsregierung auf das Wohlwollen der bisher unkooperativen Sozialdemokraten angewiesen sein.
Wenn die Zusammenarbeit nicht klappt, stehen bald Neuwahlen vor der Tür. Umfragen zufolge könnte die ODS danach eine Mitte-Rechts-Koalition anführen, die unabhängig von der Tolerierung durch Sozialdemokraten wäre. Für die ODS liegt es daher nahe, unpopuläre Ansichten erstmal zurückzustellen, um nicht in der Wählergunst zu fallen. - Richtig gut sieht es für die Pläne der USA jedenfalls weder in Tschechien noch in Polen aus.
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Der Autor ist Korrespondent von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.
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