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GELESEN
Von Hans Wagner
„Das Asiatische Jahrhundert“ von Karl Pilny |
as Mittelmeer ist der Ozean der Vergangenheit, der Atlantik ist der Ozean der Gegenwart und der Pazifik ist der Ozean der Zukunft“ sagte Ende des 19. Jahrhunderts der frühere amerikanische Außenminister John Hay voraus. Diese Auffassung vertritt auch Karl Pilny, gut 100 Jahre später. Er ist Wirtschaftsjurist und ein profunder Kenner Ostasiens. Pilny setzt sich seit zwanzig Jahren vor allem mit Geschichte, Kultur und Wirtschaft Chinas und Japans auseinander. Er hat als Rechtsreferendar der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokio gearbeitet, danach im Japanreferat des Max Planck Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München. Einige Jahre hielt er als Assistenzprofessor für deutsches Recht an der Universität Kyoto und der Universität Osaka Vorlesungen auf Japanisch und Deutsch.
Pilny verfällt deshalb nicht in den Fehler, den viele Autoren bei der Beschreibung der Entwicklung in Asien begehen. Er stellt weder Japan noch China als asiatische Tiger dar, die urplötzlich aus dem Dschungel hervorgebrochen sind. Sondern er beschreibt ihren Aufstieg aus uralten Kulturen zu neuer Macht - nicht militärischer, sondern wirtschaftlicher Macht.
Ein ganz starkes Indiz für den Beginn eines asiatischen Jahrhunderts ist für den Autor die Beobachtung, daß seit den 80er Jahren alle zwei drei Jahre ein anderes asiatisches Land weltweit die Schlagzeilen beherrscht. Bis dahin habe man Asien als Armenhaus der Welt betrachtet, das noch elender dastand als Afrika. Aber mit dem Aufstieg Japans, der den Westen damals in den 80ern aufschreckte, hätte sich das schlagartig geändert.
Im Kapitel über die Beziehungen Chinas zur EU, zeigt Pilny auf, worin sich die Vormachtstellung Asiens in der Zukunft manifestieren wird: „Technologisch hat Europa in vielen Schlüsselindustrien schon lange den Anschluß an die USA, aber auch an Asien verloren.“ Und diese Entwicklung werde sich fortsetzen, werde auch für die Amerikaner zum Problem, so Pilny: „Der vermeintlich Vorsprung in der Grundlagenforschung, den die USA und einige europäische Länder noch für sich beanspruchen, wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren abgeschmolzen sein.“
In der Forschung – und damit mittelfristig auch in der Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaft, würden Länder wie China, Südkorea und Indien die Schlüsselindustrien in der Welt beherrschen lernen und eine Vormachtstellung in Asien begründen.
Die Unterschiedlichkeit der Werte sind ein ganz entscheidender Faktor für das Heraufziehen eines asiatischen Jahrhunderts konstatiert Pilny. Es gehe um die gesellschaftlichen Wertsysteme, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Der Autor im Interview mit dem EM 07-05: „Das heißt, um die vom Konfuzianismus geprägte Lern- und Leistungsgesellschaft, die auch eine gewisse Leidensfähigkeit beinhaltet, um kollektive Tugenden, die bei jedem, der sie anwendet, zum Erfolg führen. Ich möchte den Konfuzianismus damit bewußt auf die Stufe des Protestantismus stellen, wie ihn Max Weber beschrieben hat, oder den Leistungscalvinismus etc. – es geht also um Grundeinstellungen, die einst auch den Unterschied zwischen Sparta und Athen ausgemacht haben.“
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Rezension zu: „Das Asiatische Jahrhundert“ von Karl Pilny, Campus Verlag 2005, 340 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 3-59337-678-4.
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