Kambodscha bietet mehr als MassengräberEURASIENS SÜDOSTEN

Kambodscha bietet mehr als Massengräber

Kambodscha bietet mehr als Massengräber

Kambodscha ist weltweit bekannt geworden durch den tausendfachen Mord der Roten Khmer am eigenen Volk. Doch die Ära der kommunistischen Terrorherrschaft liegt inzwischen ein Vierteljahrhundert zurück. Seither hat sich das Land fundamental verändert. Heute ist Kambodscha auch wieder Urlaubsziel für Abenteuerlustige und Kulturinteressierte.

Von Reimund Weiß

V iel Zeit ist vergangen, seit Kambodscha „Perle Südostasiens“ genannt wurde. Die Hauptstadt Phnom Penh war ein beliebter Erholungsort, nicht nur für Journalisten und US-Militärberater aus den Kriegsgebieten Vietnams. In den 1950ern und Anfang der 60er Jahre befand sich das kleine Königreich im wirtschaftlichen Aufschwung. Kambodscha war bekannt für seinen langen Frieden (1900-1970) und für „Rousseausche“ Träume von einem verlorenen Paradies. Bis die US-Regierung auch im kleinen Königreich Kommunisten verortete und das Land mit einem Bombenteppich belegte.

Im „Foreign Correspondence Club“ an den Ufern des Mekong in Phnom Penh sitzen heute keine US-Militärberater und Kriegsberichterstatter mehr, sondern finanzkräftige Touristen. Das kleine Königreich mit seinen 14 Millionen Einwohnern befindet sich erneut im Aufschwung. Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 1995 besuchten jährlich 20.000 Menschen das Land, im Jahr 2002 waren es bereits 700.000. Neben der Textilindustrie gehört der Tourismus zum wichtigsten Zugpferd der Wirtschaft Kambodschas. Sie wächst seit dem Jahr 1998 zwischen vier und sechs Prozent. Dennoch leben immer noch 36 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

Rudermannschaften bereiten sich vor Fans auf den Start vor.  
Rudermannschaften bereiten sich vor Fans auf den Start vor.
©Weiß R.
 
Alt-König Norodom Sihanouk auf dem Weg zum Bootsrennen.  
Alt-König Norodom Sihanouk auf dem Weg zum Bootsrennen.
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Frauen an der Bootsspitze, treiben die Rudermannschaften an.  
Frauen an der Bootsspitze, treiben die Rudermannschaften an.
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Die USA ermöglichten das Terrorregime Pol Pots

Die blutige Bürgerkriegsgeschichte Kambodschas wird im einstigen Sicherheitsgefängnis „Tuol Sleng“ greifbar. Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter dem berüchtigten Diktator Pol Pot wurden hier 13.000 Menschen gefoltert und exekutiert. Die Massengräber der Gedenkstätte in Choueng Ek, einem Vorort der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, zeugen davon bis heute.

Die Machtergreifung der Roten Khmer war erst durch die Politik der USA unter Präsident Richard Nixon und seinem Sicherheitsberater und Außenminister Henry Kissinger möglich geworden. Sie trugen die Verantwortung dafür, daß der Vietnamkrieg auf Kambodscha ausgeweitet wurde. Bis dahin hatte Pol Pot keine Anhänger gefunden. Dies änderte sich im Mai 1970 dramatisch – nach der unangekündigten US-Militärinvasion in Kambodscha. Die Flächenbombardements der US-Luftwaffe von 1973 trieben Pol Pot Hunderttausende Menschen in die Arme, die unter dem Luftkrieg zu leiden hatten. Im April 1975 gelangte Pol Pot mit seiner kleinen Partei, der Kommunistischen Partei Kampuchea, an die Macht und konnte sich dort bis Januar 1979 halten. Damals wurde das Terrorregime des Diktators, dem über eine Million Menschen zum Opfer fielen, mit Hilfe des benachbarten Vietnams gestürzt. Pol Pot wurde nie gefaßt. Er verstarb im April 1998. Auch seine Anhänger, von denen noch einige wenige leben, haben sich der Ahndung ihrer Verbrechen bislang entzogen.

Kambodscha, besonders die Hauptstadt Phnom Penh, hat jedoch um ein Vielfaches mehr zu bieten als Erinnerungen an dieses düstere Kapitel der Landesgeschichte. Ein guter Ausgangspunkt, um zu den Märkten und Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt zu pilgern, ist das Nationalmuseum. Unter seinen Dächern leben Tausende Fledermäuse, die allabendlich bei Sonnenuntergang gen Himmel in Richtung Mekong ziehen. Im Inneren stehen Statuen aus Sandstein von hinduistischen Gottheiten. Auch die Architektur des in rotem Teakholz gehaltenen Museums ist bewundernswert.

An der Uferpromenade Phnom Penhs, lädt der Mekong zu einem ausgedehnten Spaziergang ein. Hier reihen sich die Restaurants, Köstlichkeiten aller Art aus der kambodschanischen und der internationalen Küche werden angeboten. Nicht zu empfehlen sind Eier, die an kleinen Verkaufsständen mit Salat, Salz und Pfeffer verkauft werden. Sie gelten als Potenzmittel für Männer. Diese Eier sind nicht etwa hart- oder weichgekocht, sondern beinhalten bereits feste Embryonen: Eine Delikatesse, wie es in Kambodscha heißt, allerdings nur für die männliche Bevölkerung. Die Frauen mögen sie nicht. Dafür sollte man „Bobo Drey“ probieren, eine Reissuppe mit Gemüse, frischen Fischstücken und fritiertem Brot. Ein sehr zu empfehlender Imbiß, wenn einen zur Mittagszeit der Hitzekoller in der von Staub versunkenen Stadt packt. Auch Mangos helfen hier, besonders die, die auf dem Markt „Phsar Depot“ zu kaufen sind. Ihr fruchtiger Geschmack übertrifft sicherlich alles, was Obst in unseren Breitengraden zu bieten hat.

Der Königspalast im französischen Renaissance-Garten.  
Der Königspalast im französischen Renaissance-Garten.
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Ein Elefant sorgt vor dem Königspalast für Aufsehen.  
Ein Elefant sorgt vor dem Königspalast für Aufsehen.
©Weiß R.
 
Volksfest und Sportgeist an der Uferpromenade Sisowath Kai.  
Volksfest und Sportgeist an der Uferpromenade Sisowath Kai.
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Schlangenbootrennen auf dem Mekong

Phnom Penh war lange Jahre mit seinem Hochseehafen ein wichtiger Handelsumschlagplatz in Südostasien. Heute ist die Hauptstadt für ihre Festivitäten und Kambodschas Königsfamilie bekannt. Der von hohen Mauern umgebende Herrscherpalast bietet neben einem Renaissancegarten, einen Thronsaal und Säulengänge mit vergoldeten Buddhastatuen. Er verfügt auch über eine mit Silber ausgelegte Pagode, wie in Kambodscha buddhistische Gebetshäuser genannt werden. Der Königspalast befindet sich direkt am Mekong. Hier residiert König Norodom „Sihamoni“, was soviel wie „der Juwel der Löwen“ heißt. Er wurde unlängst zum Nachfolger seines Vaters Norodom Sihanouk gekrönt. Wer Phnom Penh im November besucht, kann den Monarchen sicherlich auf der Ehrentribüne am Mekong sehen, wenn die besten Ruderer beim Schlangenbootrennen geehrt werden. Das Rennen wird alljährlich zum Ende der Monsunzeit ausgetragen – dann ist auch die beste Reisezeit für Kambodscha. Das Schlangenbootrennen wird mit einem großen Volksfest gefeiert. Tausende Menschen strömen in die Stadt, um die Rudermannschaften anzufeuern. So viele Kambodschaner bekommt man in dem dünn besiedelten Land sonst selten zu Gesicht.

Der wichtigste, wenn auch nicht der ruhigste, Badeort Kambodschas ist die Hafenstadt Sihanoukville (auch Kampong Som genannt). Überlaufen ist die Stadt aber nicht. Es besteht eine große Auswahl an Sandstränden, die etappenweise von Felsformationen unterbrochen sind. Untertags sorgen unzählige Strandverkäufer für Unterhaltung. Möglichkeiten zur Verköstigung und Hotels gibt es in allen Kategorien. Meer und Strand sind außergewöhnlich sauber. Palmen wachsen hier aber nicht. Dafür läßt es sich von der kleinen Fischerstadt Kep für einen Tagesausflug auf eine der vorgelagerten kleinen Inseln übersetzen. Es bietet sich von hier auch eine Reise in die Gebirgsgegend von Bokor an, unweit der Küstenstadt Kampot. Dort, in tausend Meter Höhe kann man durch die Ruinen des ehemaligen Urlaubsdomizils der französischen Kolonialregierung schlendern. Die hat in Kambodscha immerhin neunzig Jahre residiert. Besonders empfehlenswert in Bokor ist das alte Kasino. Von seiner großen Terrasse im dritten Stock bietet sich ein wunderbarer Blick über den steil in Richtung südchinesischer See abfallenden Tropenwald und auf den über fünfzig Kilometer langen Küstenstreifen zwischen Sihanoukville und Kampot.

Angkor Wat - das größte sakrale Bauwerk der Erde.  
Angkor Wat - das größte sakrale Bauwerk der Erde.
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Säulengang in der Tempelanlage Preah Khan.  
Säulengang in der Tempelanlage Preah Khan.
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Angkor: Die hohe Kunst der Bildhauerei  
Angkor: Die hohe Kunst der Bildhauerei
©Weiß R.
 

Angkor Wat - das größte sakrale Bauwerk der Erde

Ein Höhepunkt fast jeder Kambodschareise ist eine Bootsfahrt von Phnom Penh über den „Tonle Sap“, den größten Süßwassersee Südostasiens. Dort werden jährlich 400.000 Tonnen Fisch gefangen. Der Tonle Sap ist im wahrsten Sinne des Wortes der Angelpunkt des Landes. Kambodscha gehört zu den vier größten Süßwasserfischproduzenten der Welt. Vorbei an schwimmenden Fischerdörfern über die Weiten der „kambodschanischen See“ gelangt man auch zum kulturellen Herzstück des Landes: den Tempelanlagen von Angkor in der Provinz Siem Reap. Vielgerühmtes architektonisches Prunkstück ist die Tempelanlage von Angkor Wat aus dem 12. Jahrhundert. Daneben bieten weitere hundert Tempel inmitten tropischer Vegetation und Wildnis einen Ort der Entspannung nach einem Aufenthalt in der geschäftigen Hauptstadt.

Angkor Wat, das größte sakrale Bauwerk der Erde, läßt sich aufgrund seiner überwältigenden Schönheit nur noch mit den Inkastädten von Machu Picchu in Peru und dem mogulischen Taj Mahal in Indien messen. Im Tempel „Preah Khan“, den der erste buddhistische König Kambodschas, Yayavarman VII. seiner Mutter widmete, ist eine wunderschöne Steinstatue von ihr zu bewundern. Vor Yayavarman wurden in den Königreichen noch hinduistische Gottheiten verehrt, wie Statuen von Shiva, Vishnu, Ganesh und das riesige in Stein gearbeitete Hindu-Epos ‘Ramayana’ in Angkor Wat erkennen lassen. Die Säulengänge von Preah Khan bieten dabei zugleich Erholung von dem heute wegen seiner Berühmtheit überlaufenen Angkor Wat. Mit Glück ist in Preah Khan auch eine Novizin anzutreffen – so werden in Kambodscha Frauen genannt, die nach dem Tod ihres Mannes einem buddhistischen Orden beitreten. Besucher erhalten von den Novizen ein Karma für den Tag. Dazu müssen sie blind eine Seite aus einem Buch zum Leben Buddhas auswählen, die dann von den Ordensschwestern interpretiert wird.

Ein glückliches Karma ist in der Regel sicher. Wenn nicht, dann bleibt die Fahrt zurück nach Phnom Penh und von dort mit einem Boot in Richtung Norden zu den Süßwasserdelphinen im Mekong. Der hier, in der Provinzstadt Kratie, angebotene frisch gepreßte Zuckerrohrsaft wird über ein schlechtes Karma trösten, während die Irrawaddy-Delphine ihre Runden ziehen. Der einzigartige Sonnenuntergang am Mekong, inmitten von Palmen, Reisfeldern und kleinen Dörfern, läßt die „Rousseauschen“ Träume des ländlichen Kambodschas ein Stück Wirklichkeit werden.

Ein typisches kambodschanisches Bauernhaus in der Provinz Kratie.  
Ein typisches kambodschanisches Bauernhaus in der Provinz Kratie.
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Frischer Kautschuk wird aufwendig in Tontöpfen gesammelt.  
Frischer Kautschuk wird aufwendig in Tontöpfen gesammelt.
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Gebrannter Kautschuk für den Export nach Übersee.  
Gebrannter Kautschuk für den Export nach Übersee.
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Exportgut Kautschuk

Besuchen sollte man in dieser Gegend auch die Kautschukplantagen. In der Nähe der Provinzstadt Kampong Cham steht die modernste Kautschukfabrik des Landes. Mit etwas Glück begrüßt einen der französischsprechende Direktor und lädt zu einem Rundgang ein. Der kuchenartige, süßliche Geruch des frisch verarbeitenden Kautschuk betört die Sinne. Kautschuk, früher der Hauptrohstoff für Autoreifen, wird heute besonders für medizinische Artikel und Latexprodukte nach Übersee exportiert. Das Sammeln des Kautschuks ist sehr aufwendig. Arbeiter fahren tagaus, tagein mit Fahrrädern durch die Kautschukwälder und sammeln das Harz, das sehr langsam an den eigens in die Stämme eingeritzten Rillen in kleinen Tonschüsseln herabrinnt. In Kanistern wird es dann in die Fabrik geliefert, mit chemischen Zusatzstoffen gefestigt, mehrmals in Spezialöfen gebrannt und dann in festen orange-gelb gepreßten Ballen nach Übersee zur Weiterverarbeitung exportiert. Kambodscha exportiert rund 40.000 Tonnen jährlich.

Zum Schluß muß unbedingt noch die Provinz Battambang erwähnt werden, die Reiskammer Kambodschas. Der Weg dorthin von der Hauptstadt ist lang. Dafür wird aber die einzige Eisenbahnlinie des Landes begeistern, die mit 30 Stundenkilometern durch die tropische Tiefebene tuckert, vorbei an den schönsten Reisfeldern und idyllischsten Dörfern Kambodschas. Battambang, die gleichnamige Provinzhauptstadt, hat eine sehenswerte Altstadt mit schönen Balustraden französischer Provenienz. Gute Hotels und Restaurants sind hier selbstverständlich, wie auch in allen anderen angeführten Orten. Es findet sich auch immer ein Einheimischer, mit dem man auf Englisch kommunizieren kann. Bei der Ausreise heißt es in der Landessprache Khmer: „Chum Riap Suh. Okun Tscheran“ - Auf Wiedersehen und vielen Dank.

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Der österreichische Politologe Raimund Weiß arbeitete als freier Journalist und Lehrer zehn Monate in Kambodscha. Derzeit überarbeitet er den Text seiner Dissertation („Politkultur und Konflikt in Kambodscha - Annäherung an ein verkanntes Land“), um ihn als Buch für ein breiteres Publikum zu veröffentlichen. Behandelt werden aktuelle Themen, wie das Rote Khmer-Tribunal und die jüngste politische und wirtschaftliche Entwicklung Kambodschas. Eine detaillierte Landesgeschichte mit ausführlichen Literaturhinweisen ergänzen das Buch. Es wird die bislang einzige wissenschaftliche Gesamtdarstellung Kambodschas im deutschsprachigen Raum bieten. Für weitere Informationen, Publikationsofferten oder Projektkooperationen zu Kambodscha können Sie gerne mit dem Autor Kontakt aufnehmen: Weissmr@yahoo.com, 0043/ (0)1/ 23 123 82.

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