Medienkunst macht Probleme für westliche Augen lesbarTHAILAND

Medienkunst macht Probleme für westliche Augen lesbar

Medienkunst macht Probleme für westliche Augen lesbar

„In der globalen Welt, wird die Kluft zwischen ethnischer und zeitgenössischer Kunst immer schmaler“. So formulierte Peter Weibel im Katalogtext zur Ausstellung „Neue Asiatische Kunst, Thermocline of Art“, die noch für wenige Tage im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe zu sehen ist. Fast zeitgleich konnte man in Bangkok, anhand eines Abrisses der letzten zwanzig Jahre thailändischer Medienkunst diese schmale Kluft sehen. Der Titel der Schau dort: „From Message to the Media“. Er bezieht sich auf das Werk des Medientheoretikers McLuhan „Das Medium ist die Botschaft“ und ist eine Präsentation zehn bekannter thailändischer Positionen zeitgenössischer Kunst.

Von Berenika Partum

E benso wie ihre westlichen Kolleginnen und Kollegen und sind die Künstler in Thailand längst in der Nutzung neuer Technologien, sowohl der digitalen Photographie als auch der Videotechnik  zu Hause. Dass gerade McLuhan der Veränderungen von Medientechnologien als wesentliche Ursachen für soziale Veränderungen betrachtet, als Titelgeber der ganzen Schau fungiert, ist nicht verwunderlich.  Schließlich sind es gerade die neuen Medien, die eine schnellere Verbreitung von künstlerischen Positionen ermöglichen und dadurch vielen einen neuen Impuls geben.

Dabei sind die Themen der Überblicksschau sehr vielfältig. Sie haben mit der Suche nach Identität zu tun, mit dem Recht auf Individualisierung und ebenso dem schmerzlichen, aber selbst verschuldeten Abbruch von Traditionen. Die Künstlerinnen und Künstler reagieren mit Ironie, Skepsis, Zynismus und Humor auf die gegebenen Veränderungen der Realitäten, in einer durch Globalisierung wandernden Gesellschaft zwischen Tradition und Innovation.  So kann man die im Westen bereits bekannte Installation von Apinan Poshyananda mit dem Titel „How to explain Art to a Bangkok Cock (1985) lesen. Sie bezieht sich auf die Performance von Joseph Beuys „Wie soll man dem toten Hasen die Bilder erklären“. So wenig wie der tote Hase die Bilder von Beuys verstand, begreifen die Hühner die Erklärungen des Professors und künstlerischen Leiters des Art Center der Chulalongkorn University in Bangkok. Apinan schöpft ironisch aus dem Fundus der westlichen Kunstgeschichte.

Interview mit einer Prostituierten als Kunstwerk: „Mode of Moral Being“

Ebenso sind so auch die auf Warhol verweisenden Brillo Boxes zu verstehen, auf denen das Video mit den Hühnern zu sehen ist.  Statt Marilyn Monroe oder James Dean hat Apinan die Mona Lisa im Siebdruckverfahren auf die Boxen geklebt. Dass die thailändische Mona Lisa, auf den Drucken ein wenig verzerrt wirkt, lässt den Humor des Künstlers durchscheinen, mit denen er auf den vorherrschenden Kanon der westlichen Kunstgeschichte verweist.

Der in Thailand umstrittene Künstler Vasan Sitthiket, der seine Kunst als „Waffe gegen das Etablissement versteht und folglich deshalb schon mehrmals mit der Schließung seiner Ausstellungen rechnen musste, zeigt mehrere Videoarbeiten. So zum Beispiel die Performance „Good by Thailand - Self Kidnapper a tragedy“. Der Künstler gibt hier vor, entführt zu werden, oder bei „I Manning Myself Around“ versucht er einen Geldschein in der Öffentlichkeit zu greifen, was ihm nicht gelingt.

Die Arbeit „Mode of Moral Being“ (1996) von Kamol Phaosawasdi verweist  hingegen auf das Problem mit käuflichem Sex im Land. Seine Videoarbeit zeigt ein Interview mit einer Prostituierten, die nicht nur über ihr eigenes, aber auch über das Schicksal anderer Mädchen im Milieu berichtet. Die Ausführungen klingen recht nüchtern und verbittert.

„Horror in pink“ – eine Mahnung an die Gesellschaft, die ihre eigene Geschichte vergisst

Am stärksten wirkt jedoch die Arbeit des Künstlers Manit Sirwanichpoom, „Horror in pink“ (2001).  Der Mann, der im Leuchtanzug, an Stränden von Bali, an Straßenkreuzungen, Tempeln oder Baustellen immer mit einem leeren Einkaufswagen in Übergröße auf schwarz-weiß Fotografien erscheint, lässt sich hier in einer Collage mit dem Titel „Horror in Pink“ hineinkleben. Die Hintergrundszenen zeigen die Niederschlagung des Studentenaufstandes durch die Militärs 1976 im Kampf um eine Demokratie.  Auslöser für die Serie war für den Künstler die Wahl von Samak Sundaravej im Jahre 2000 bis 2004 als Gouverneur der Hauptstadt. Derselbe Mann, der in Bangkok an der blutigen Niederschlagung beteiligt war. Für den Künstler ist „Pink Man“ stellvertretend für das Land. Seine Erscheinung ist eine Mahnung an die Gesellschaft, die vor lauter Konsum die eigene Geschichte zu vergessen scheint.

Die Arbeiten thailändischer Medienkunst von 1985-2005 hinterlassen viele Verweise auf die Realität, auf die Bitterkeit sowie eine scheinheilige Doppelmoral als auch Kritik an Politik, Gesellschaft als auch dem Konsumrausch in einem Land, welches sich nach außen nur zu gern hinter einem entwaffneten Lächeln versteckt. Nun werden durch die Möglichkeiten der neuen Medien diese Probleme für westliche Augen lesbar gemacht.

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Die Ausstellung fand vom 22. 10 – 10.11.2007 im Rahmen des Bangkok Design Festival statt.
Bangkok University Gallery, Building 7, Bangkok University Campus,  Rama 4 Road, Klong Toei, Bangkok 10110.
Tel: 02356 36 26/  Fax: 02350 3679.
Netzadresse: http://fab.bu.ac.th

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Die Autorin wurde 1974 in Lodz/Polen geboren. Sie studierte Kunstgeschichte und Geschichte an der Freien Universität Berlin. Zurzeit arbeitet sie in Deutschland und Polen als freie Publizistin und Journalistin. Sie veröffentlicht Ausstellungsrezensionen in verschiedenen Kunstmagazinen in deutscher und polnischer Sprache. Arbeitsschwerpunkte: zeitgenössische Kunst ab den 60er Jahren.

Asien Kultur

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