Myanmar gewinnt an geopolitischer BedeutungSÜDOSTASIEN

Geostrategische Bedeutung von Birma/Myanmar nimmt zu

Myanmar gewinnt an geopolitischer Bedeutung

Westliche Sanktionen haben in Birma/Myanmar keinen politischen Systemwandel bewirkt. Noch immer sitzen die Generäle fest im Sattel. USA und EU wollen ihren Einfluss in Südostasien stärken und haben einen Kurswechsel ihrer Birmapolitik eingeleitet. Stehen nun die Sanktionen zur Disposition? Die Opposition ist gespalten und muss sich neu ausrichten. Eine Analyse - dazu eindrucksvolle Fotos vom kulturellen Reichtum Birmas.

Von Wilfried Arz

B irma ist wieder in die Schlagzeilen internationaler Medien gerückt. Drei Ereignisse haben dem Land vorübergehend zu medialer Aufmerksamkeit verholfen: die „Wahlen“ im November 2010, die Einberufung einer vom Militär dominierten Nationalversammlung und vierzehn Regionalparlamenten, sowie die Freilassung der Oppositionspolitikerin Suu Kyi. Trotzdem sind in Birma keine Perspektiven eines politischen Systemwandels zu erkennen. Einigkeit herrscht im Westen über die politische Fassade der Wahlen. Kontrovers werden  Reformbereitschaft der Generäle und künftiger Handlungsspielraum der Opposition bewertet. 

Soll der Westen seine Sanktionen gegen Birma lockern oder als Druckmittel weiterhin  aufrechterhalten? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Im April 2011 haben USA und EU eine Fortsetzung ihrer Sanktionspolitik beschlossen. Doch werden Forderungen nach  Aufhebung, bzw. selektiver Lockerung laut - in Teilen der burmesischen Opposition, aber auch in Washington und Brüssel. In der EU wird die Wirksamkeit der Sanktionen zunehmend hinterfragt. Deutschland, Italien, Spanien und Österreich wollen in Birma investieren. Im rohstoffreichen Land locken Milliardengeschäfte.

Südostasien im machtpolitischen Fadenkreuz von USA und China

Geopolitische Akzente dominieren die Interessenlage Washingtons in Birma. Seit dem Amtsantritt von Präsident Obama versuchen die USA, sich in der Region zwischen Pazifik und Indischem Ozean neu zu positionieren. Hintergrund ist Chinas wirtschaftlicher Aufstieg. Beijings selbstbewusster Anspruch auf eine politische Führungsrolle in Asien hat auch das regionale Kräfteverhältnis in Südostasien in Bewegung gebracht. Die USA fühlen sich herausgefordert und wollen eine Vorherrschaft Chinas verhindern. Ein Kurswechsel wurde deshalb 2009 auch in der amerikanischen Birmapolitik eingeleitet.

„Konstruktiver Dialog“ heiβt nun das Angebot aus Washington: die Bereitschaft zu direkten  Gesprächen mit den Militärs unter (zumindest vorerst) Beibehaltung der Sanktionen. Haben die USA damit Abschied genommen von der erfolglosen Politik der Bush II-Regierung, die sich einen (notfalls gewaltsamen) Regimewechsel in Birma zum Ziel gesetzt hatte?

Birmas geostrategische Bedeutung in Südostasien

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg von China und Indien hat sich Asien zum Dreh- und Angelpunkt eines globalen geopolitischen Wandels entwickelt. Bei der Neuverteilung der Einflusszonen von China und den USA kommt Südostasien eine Schlüsselrolle zu. Dort verschafft Birma seine Lage zwischen Indien und Südostasien, sowie gemeinsame Landgrenzen mit China eine einzigartige Brückenfunktion. Birmas lange Küste am Golf von Bengalen ermöglicht eine Kontrolle des östlichen Indischen Ozeans. Hier verlaufen wichtige Transportrouten für Erdöl aus Afrika und dem Nahen Osten nach China, Japan und Süd-Korea.

Seine geostrategische Lage hatte Birma in der Vergangenheit wiederholt zum Schauplatz blutiger Konflikte werden lassen. Im 19. Jahrhundert durch die gewaltsame Eroberung und (bis 1948) wirtschaftliche Ausbeutung durch die Kolonialmacht England. Im Zweiten Weltkrieg durch den erbitterten Krieg zwischen Japan und den Alliierten. Schlieβlich diente Birma auch als Basis für die militärische Versorgung nationalchinesischer Truppen in Yunnan über die legendäre Birma-Road. Droht Birma im 21. Jahrhundert nun wieder zum Objekt und Opfer politischer Interessen zu werden?

Birma verschafft China Zugang zum Indischen Ozean

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg ist mit einer hohen Importabhängigkeit von Ressourcen verbunden. Erdölimporte aus Afrika (u.a. Sudan) und dem Nahen Osten (Iran, Saudi-Arabien) wickelt China über Seewege ab, seine Tankerflotten durchqueren dabei auch den Indischen Ozean. Seit der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg werden die Küsten Ost- und Südostasiens jedoch von der Pazifik-Flotte der USA kontrolliert. Als besonders neuralgischer Knotenpunkt gilt die Malakka-Straße, ein maritimer Flaschenhals zwischen Indonesien, Malaysia und Singapur. Sollte Washington im Konfliktfall mit Beijing diese Meeresenge blockieren, wäre China von seinen Energieimporten abgeschnitten.   

In diesem Kontext wird das strategische Interesse Chinas an Birma deutlich: das Land bietet einen Transitkorridor zum Indischen Ozean unter Umgehung der Straße von Malakka. 2013 sollen zwei rund 1000 Kilometer lange Pipelines den Tiefseehafen Kyaukphyu im Arakan am Golf von Bengalen mit Kunming in Yunnan verbinden. Dann kann Erdöl aus Afrika und dem Nahen Osten sowie Erdgas aus dem küstennahen Meeresboden quer durch Birma direkt nach China befördert werden. Zur Absicherung seiner maritimen Handelswege hat China eine Kette von Hafenstützpunkten am Indischen Ozean geschaffen: in Gwadar/Pakistan, Hambantota/Sri Lanka, Chittagong/Bangladesch und Sittwe/Birma. Auch Chinas Marine ist präsent: chinesische U-Boote patrouillieren in internationalen Gewässern Südostasiens und im Indischen Ozean - dort bei den Andamanen und Nikobaren, zwei indischen Inselgruppen.

Birma-Politik unter Bush II: Konfrontation und Regimewechsel

Konfrontation, Isolierung und verschärfte Sanktionen kennzeichneten die Birma-Politik der Bush II-Regierung. Menschenrechtsverletzungen der Militärs wurden zwar angeprangert, das Engagement des US-Energiemultis Unocal (seit 2005 Chevron), damals einer der gröβten Investoren im Lande, jedoch stillschweigend geduldet. Zwei Ereignisse hätten in der Regierungszeit von Präsident Bush (2001-2009) Ansatzpunkte zu einem Regimewechsel in Birma geboten: die politischen Unruhen 2007 und der Wirbelsturm Nargis 2008.

Dramatische Preiserhöhungen für Treibstoffe hatten im September 2007 Demonstrationen zehntausender Burmesen, insbesondere buddhistischer Mönche in Rangun ausgelöst. Hintergrund waren die zuvor vom Internationalen Währungsfond empfohlenen und von der Militärregierung umgesetzten Streichungen staatlicher Subventionen für Diesel und Benzin. Die Situation drohte zu eskalieren und wurde durch massiven Einsatz der burmesischen Armee niedergeschlagen.        

Im Mai 2008 verwüstete der Wirbelsturm Nargis weite Teile des Irrawaddy-Deltas und forderte vermutlich rd. 130.000 Opfer. Die Weigerung der Generäle, dringend benötigte Hilfslieferungen durch ausländisches Militärpersonal der Geberländer in Birma verteilen zu lassen, veranlaβte Washington, London und Paris offen einen Militärschlag gegen Birma zu fordern - verpackt im Gewand eines „humanitär“ begründeten Interventionsrechtes. 

Kurswechsel unter Obama: Bereitschaft zum Dialog

Westliche Sanktionen hatten in Birma keinen politischen Systemwandel bewirkt, dafür jedoch den wirtschaftlichen und politischen Einfluss Chinas gestärkt. Kritiker der US-Außenpolitik beklagten Amerikas Positionsverluste in Südostasien durch die Konzentration auf die Kriegsschauplätze in Afghanistan und Irak. Einflussreiche Think Tanks (International Crisis Group, Brookings Institution) und Medien (New York Times, Washington Post) forderten ein verstärktes Engagement in Birma. Die Obama-Administration leitete deshalb 2009 eine Abkehr von dem Konfrontationskurs unter US-Präsident Bush II ein.  

Was ist das Neue an der neuen Birma-Politik Washingtons? Ziel soll fortan nicht ein

von Außen gewaltsam eingeleiteter Regimewechsel, sondern der Aufbau ziviler Strukturen für eine Demokratisierung von innen sein. Auf Regierungsebene sollen reformbereite Militärs identifiziert und unterstützt, auf gesellschaftlicher Ebene “zivilgesellschaftliche” Strukturen auf breiter Basis gefördert werden. Westliche Nichtregierungsorganisationen (NRO) sollen dieses Ziel durch landesweite Entwicklungshilfe-Projekte in Birma umsetzen. Schließlich bieten die USA einen direkten Dialog mit den Militärs an.

Konsequenzen der neuen US-Birma-Politik

Der eingeleitete Kurswechsel in der US-Birma-Politik hat nicht nur die Koordinaten verändert, die bislang die Haltung Washingtons gegenüber den Generälen bestimmte. Konsequenzen zeichnen sich mit dem neuen Politikansatz auch für die uneingeschränkte Unterstützung der Oppositionspolitikerin Suu Kyi ab, die bisher eine kompromisslose Aufrechterhaltung von Sanktionen befürwortet und westliche Entwicklungshilfe abgelehnt hatte. Diese Standpunkte stehen nun im Widerspruch zu Obamas neuer Strategie.

Washington sucht die Zusammenarbeit mit allen reformwilligen Akteuren - im Militär, der burmesischen Opposition und den Minderheiten. Mit Einberufung von Nationalversammlung und Regionalparlamenten könnten sich aus Perspektive der US-Regierung potentiell neue Ansatzpunkte für politische Reformen bieten. Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) mit Suu Kyi ist nun nicht mehr einzige organisierte Stimme der Opposition. Auch andere Gruppen haben die politische Arena betreten und sich zugleich von der Leitfigur Suu Kyi gelöst. Dennoch bleibt es erklärtes Ziel der USA, eine Ablösung der Militärs zu bewirken und eine pro-westliche, jedoch nicht notwendigerweise von Suu Kyi geführte Regierung zu installieren.  

Die birmanische Opposition: Spaltung und Neuausrichtung

Nicht nur der Kurswechsel der US-Birma-Politik stellt die NLD vor neue Herausforderungen. Interne Konflikte und politische Differenzen mit den burmesischen Exilgruppen sowie den Minderheiten stellen die Partei vor neue Zerreiβproben. Innerparteiliche Kritik gegen den als dogmatisch und autoritär bezeichneten Führungsstil Suu Kyis hatte altgediente Mitglieder veranlasst, der NLD den Rücken zu kehren. Zu ihnen zählte bereits 1997 U Kyi Maung, Gründungsmitglied der NLD und Verfasser des NLD-Manifesto, dem Parteiprogramm für die Wahlen von 1990.

Konflikte entzündeten sich auch an Fragen der Einstellung zu Sanktionen und der Akzeptanz von Entwicklungshilfe aus dem Ausland. Vorläufiger Höhepunkt parteiinterner Streitigkeiten: die Spaltung und Gründung (2010) der National Democratic Force (NDF). Diese Partei war im November zu den “Wahlen” angetreten und ist nun im Parlament mit 16 Sitzen vertreten.

Wie das Militär so hat auch die NLD ein Generationsproblem zu bewältigen. Dies gilt nicht nur für die überalterte Parteispitze. Seit Annullierung der Wahlergebnisse (1990) durch das Militär ist eine neue Generation von Aktivisten herangewachsen. Deren Einbindung in hierarchische NLD-Parteistrukturen dürfte nicht ganz einfach werden. Unausgewogenheit auch in der NLD-Mitgliederbasis, die weitgehend städtisch ausgerichtet ist und wenige Bauern aufweist. Nach Zwangsauflösung der Partei (2010) wird der Aufbau neuer Strukturen erforderlich und eine selektive Zusammenarbeit mit Teilen der Opposition im Parlament unumgänglich sein. Bleibt Suu Kyi bei ihren kompromisslosen Standpunkten, droht die NLD in den Auseinandersetzungen um eine demokratische Perspektive für Birma marginalisiert zu werden. 

Spaltung auf der ganzen Linie auch in Dissidentenkreisen, insbesondere im benachbarten  Thailand. In politischer Zielsetzung und ihrer strategischen Umsetzung kollidieren die burmesischen Exilgruppen zunehmend mit NLD-Positionen. Die burmesische Exilregierung in den USA, die von Sein Win, einem Cousin Suu Kyis geleitet wird, ist politisch bedeutungslos und ohne breite Unterstützung - auch unter burmesischen Exilanten!

Minderheiten als Schlüssel für eine friedliche Zukunft Birmas

Seit der politischen Unabhängigkeit Birmas (1948) stehen auch ethnische Minderheiten in Konflikt zu den wechselnden Regierungen in Rangun. Mit einem Anteil von rd. Einem Drittel an der Gesamtbevölkerung bewohnen diese Minderheiten fast sechzig Prozent Birmas - Bergregionen, die gemeinsame Grenzen mit Bangladesch, Indien, China und Thailand teilen und als rohstoffreich gelten. Seit Jahrhunderten kämpfen einige dieser Ethnien um ihre Unabhängigkeit, bzw. Autonomie. Im Panglong-Abkommen von 1947 war ihnen im nachkolonialen Birma Autonomie zugesichert worden. Repressionen seitens burmesischer Regierungen lösten jedoch in den 1950er Konflikte aus, die sich zu einem offenen Krieg ausweiteten. 1962 rechtfertigte General Ne Win seine Machtübernahme mit der drohenden territorialen Desintegration Birmas durch aufständische Minderheiten.   

Die Minderheiten sind untereinander zerstritten - in Birma wie im Exil. Einige Ethnien hatten mit den Generälen Waffenstillstandsabkommen geschlossen, andere ihren bewaffneten Widerstandskampf fortgesetzt. Heute sitzen ihre Vertreter auch in den Regionalparlamenten.

Minderheiten misstrauen der birmanischen Opposition

Das Verhältnis zwischen Minderheiten und Birmanen wird historisch durch gegenseitiges Misstrauen und Vorurteile bestimmt. Dies ist mit ein Grund für das distanzierte Verhältnis zwischen ethnischen Gruppen und der NLD. 1990 waren die Minderheiten getrennt von der NLD in den Wahlkampf gezogen. Kein kluger Schachzug waren die zwischen Suu Kyi und den Militärs geführten Geheimgespräche (2000/2001), die ohne Konsultation mit den Minderheiten erfolgt waren und diese in ihrem Misstrauen gegenüber der burmesischen Opposition bestärkt hatten. Bis heute besteht zwischen Minderheiten und NLD keine politische Zusammenarbeit.

Nur wenn es der demokratischen Opposition in Birma gelingt, ein tragfähiges Bündnis mit den nicht-burmesischen Minderheiten zu schließen, sind die Voraussetzungen geschaffen, ein stabiles Birma aufbauen zu können. Die aktuelle innenpolitische Konfliktkonstellation lässt dieses Bündnis zwischen Burmesen und Ethnien nicht erkennen. Neben strategischen Fragen werden aber auch Vorstellungen über die wirtschaftspolitische Zukunft Birmas zwischen Opposition und Minderheiten abzustimmen sein.

Wirtschaftspolitische Vorstellungen der Opposition

Wie es in einem demokratischen Birma ohne Militärs wirtschaftlich weitergehen soll, wird in Oppositionskreisen nur am Rande diskutiert. Noch sieht sich ein Teil der ins Ausland geflohenen burmesischen Dissidenten in der Tradition von General Aung San, dem Vater von Suu Kyi. Als Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Birma (1939) hatte dieser gegen westliche Kolonialherrschaft gekämpft - zunächst in Kollaboration mit Japan. Sein  „Blueprint for free Birma“ (1941) enthielt jedoch wenig konkrete Anhaltspunkte für die wirtschaftspolitische Ausrichtung eines postkolonialen Birma.   

Suu Kyi, die ihre Popularität der Tatsache verdankt, Tochter des Nationalhelden Aung San zu sein, vertritt für ein demokratisches Birma wirtschaftspolitisch eindeutig pro-westliche Standpunkte. Im NLD-Manifesto von 1989 werden Privatisierungen, eine Öffnung Birmas für Auslandsinvestitionen und eine Zusammenarbeit mit Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) befürwortet. Vorstellungen, die kaum als progressive Alternative zur Wirtschaftspolitik der Militärs bewertet werden können - dafür jedoch ihre Unterstützung durch die USA nachvollziehbar machen. Steht damit ein Ausverkauf Birmas bevor?

Dies befürchtet zumindest ein Teil der burmesischen Dissidenten in Thailand. Sie sehen Birma als neuen Billiglohn-Produktionsstandort, dem in der regionalen Arbeitsteilung Südostasiens eine Rolle zugedacht sei, die bislang von Kambodscha/Bangladesch in der Textilproduktion und China/Vietnam in der Elektronikfertigung erfüllt wird. Neoliberale Rezepte von Weltbank und IWF würden nur das eine Ziel verfolgen: die Integration Birmas in den Wirtschaftsraum Südostasien und damit die Ankoppelung an Produktionsstrukturen Japans und anderer Industrieländer.

Integration Birmas in den Wirtschaftsraum Südostasien

Grenzüberschreitende Verkehrsprojekte haben Birma in Südostasien integriert -  trotz westlicher Sanktionen. Im Rahmen der Greater Mekong Subregion (GMS), einem Zusammenschluss der Mekong-Anrainerstaaten, wurden Wirtschaftskorridore geschaffen, die quer durch Festland-Südostasien führen. Von der Asiatischen Entwicklungsbank und Japan finanziert, sollen damit Transportwege und die Attraktivität als Produktionsstandort verbessert werden. Ein 1.450 Kilometer langer Ost-West-Korridor wird die Hafenstadt Danang/Vietnam am Südchinesischen Meer mit Moulmein/Birma am Golf von Martaban verbinden.

Auch China ist aktiv und baut neue Straßen- und Eisenbahntrassen von Kunming nach Mandalay und von dort weiter nach Rangun bzw. Chittagong in Bangladesch. Der Ausbau der Hafeninfrastruktur in Birma wird ebenfalls von China vorangetrieben. Seit 1997 ist Birma Mitglied der ASEAN-Staaten; seit 2010 Mitglied der neuen Freihandelszone China-ASEAN, die Birma ab 2015 in den zollfreien Warenverkehr innerhalb dieser Groβregion einbeziehen wird.   

Vor diesem Hintergrund wird damit auch die Verlegung der Hauptstadt Birmas von Rangun nach Naypyidaw ins Landesinnere (2005) rational nachvollziehbar. Das neue Machtzentrum bietet den Militärs eine bessere Logistik zur Unterdrückung rebellischer Minderheiten (Shan, Karen, Kachin und Chin) und liegt vorteilhaft an den neuen Verkehrskorridoren, die quer durch Birma verlaufend Verbindungen nach China, Indien, Thailand und Laos herstellen. Darüberhinaus mögen für die Standortwahl auch Bedrohungsvorstellungen der Militärs vor Angriffen aus dem Ausland mit eine Rolle gespielt haben.

Birmas wirtschaftliches Potenzial 

Birma gilt als eines der rohstoffreichsten Länder Südostasiens. Sein Reichtum erschöpft sich nicht in Erdgas und Öl unter dem küstennahen Meeresboden. Geologen haben Vorkommen an Kupfer, Wolfram, Nickel, Zinn, Kohle und Uranerzen nachweisen können. Die maritime Wirtschaftszone des Landes bietet einen enormen Reichtum an Fischen und Meeresfrüchten. In der britischen Kolonialzeit war Birma weltgrößter Reisexporteur und könnte wieder an die Weltspitze aufrücken. Das touristische Potenzial ist hoch einzuschätzen und bietet die Perspektive zehntausender Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. 

Dennoch ist Birma heute das ärmste Land in Südostasien. Weltbank-Statistiken weisen das durchschnittliche Einkommen mit nur 350 US-Dollar im Jahr aus. Gleichwohl sind die Zeiten einer weitgehenden Gleichverteilung von Armut Vergangenheit. Weitverbreitete Korruption und Nepotismus haben in Birma zu krassen Einkommensunterschieden geführt. Heute ist eine neureiche Elite in Rangun unübersehbar. Birma hat den Anschluss an die dynamische Wirtschaftsentwicklung der ASEAN-Region in Südostasien verpasst, ein Aufschließen an die erfolgreichen Tigerstaaten liegt in weiter Ferne.

Sonderwirtschaftszonen als Testfall?

Eine kohärente Wirtschaftspolitik ist in Birma noch immer nicht erkennbar. Dem Vorbild Chinas folgend sollen nach dem Willen der Militärs auch in Birma Sonderwirtschaftszonen (SWZ) entstehen. 2010 wurden Pläne für die Einrichtung einer SWZ in Tavoy im Süden Birmas bekannt. Die Investitionskosten werden auf rd. Acht Milliarden US-Dollar beziffert, als Investor wird der Baukonzern Italian-Thai in Bangkok genannt. Nach Fertigstellung werden geboten: Niedrigstlöhne, Streikverbot und Steuerfreiheit - dazu ein Hafen für Öltanker bis 300.000 BRT, eine Erdölraffinerie und ausreichend Platz für Produktionsbetriebe mit insgesamt mehreren zehntausend Arbeitsplätzen.

Sonderwirtschaftszonen bieten den Militärs den Vorteil, eng begrenzte und überschaubare Experimentierfelder für die Zusammenarbeit mit dem Ausland zu sein, ohne die wirtschaftspolitische Souveränität zu verlieren. Seit Jahren bestehen zwei grenznahe SWZ in Ruili/Yunnan und Mae Sot/Thailand: dort arbeiten  tausende burmesische Flüchtlinge für Hungerlöhne in Textilfabriken, deren Produkte u.a. auch in die USA (!) exportiert werden.

Kurzfristige Zukunftsperspektiven

Versuche von USA und EU, das Militär durch Wirtschaftssanktionen in die Knie zu zwingen, haben sich als Fehleinschätzung erwiesen. Die Isolierung der Generäle durch den Westen hat dafür China konkurrenzlosen Einfluss in Birma verschafft. Nun hofft die Obama-Regierung, durch kooperative Angebote einen politischen Systemwandel anstoßen und damit im Land neuen Einfluss gewinnen zu können. Skepsis ist geboten.

Am politischen Horizont scheint sich für Birma kurzfristig derzeit nur eine Perspektive abzuzeichnen: die Aufnahme von humanitärer und entwicklungspolitischer Hilfe. Dafür allerdings ist eine selektive Lockerung der Sanktionen erforderlich. Dann vielleicht wird Bewegung kommen in Birma und auf dem geopolitischen Schachbrett Südostasien.

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Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler in Bangkok/Thailand. Südostasien, den Indischen Subkontinent und die Himalaya-Region bereist der Autor regelmäβig.

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