„Old boy“GESEHEN

„Old boy“

„Old boy“

Fünfzehn Jahre mußte Dae-su in Einzelhaft verbringen – ohne zu wissen warum. Der südkoreanische Regisseur Park erzählt eine düstere Geschichte.

Von Hartmut Wagner

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Den Hammer gefaustet, holt Dae-su zum Vergeltungsschlag aus. 

EM – Rache ist das Lieblingsthema des Filmemachers Chan-Wook Park. Nach „Sympathy for Mr. Venegance“ ist „Old boy“ bereits der zweite Film des Südkoreaners zu diesem Thema. Und Parks Vendetta ist noch nicht beendet. Er möchte eine ganze Rache-Trilogie drehen und plant noch einen weiteren Film in diesem Genre.

Die Handlung von Parks neuestem Thriller ist so verquer, wie sie gerade bei Filmen dieser Art verbindlich zu sein scheint. Genregemäß verzwickt und verzwackt sie sich immer weiter, ist durchkonstruiert von der Eröffnungsszene an der Dachkante eines Wolkenkratzers bis hin zum blutigen Finale. Mit „Old boy“ wurde neuerlich eine Verfilmung der klassischen Thrillerfabel geschaffen: Eine tödliche Liebesaffäre macht zwei halbwüchsige Schulkameraden zu erbitterten Feinden. Einer der Leidtragenden ersinnt daraufhin ein diffiziles Vergeltungsszenario und macht sich das Ausleben seiner Rachegelüste zur Lebensaufgabe.

Blutrache als Medizin

Ganz ähnlich erzählt der Regisseur Chan-Wook Park seinen Film – zugegeben in einer herausragend guten Realisierung. Der junge Familienvater Dae-su verschwindet eines Nachts spurlos aus der Öffentlichkeit und wird in eine private Gefängniszelle gesperrt, ohne zu wissen, weshalb und für wie lange Zeit. Nach fünfzehn Jahren, in denen er keinerlei Kontakt zu anderen Menschen hatte, wird der Inhaftierte überraschend entlassen. Er findet sich auf dem Flachdach eines Hochhauses wieder. Einzig die eintätowierten Jahresstriche auf seiner Hand geben ihm plötzlich die Gewißheit, tatsächlich fünfzehn Jahre in einer Isolationszelle verbracht zu haben. Durch die psychischen Strapazen der Haft vom Youngster zum „Old boy“ gealtert, startet Dae-su einen sadistischen Rachezug. Er bricht seinen Gegnern mit einem Tischlerhammer die Zähne aus dem Kiefer, rammt ihnen eine Büroschere in die Schläfe...

„Für jemanden, der so tief verletzt ist, ist Rache das beste Heilmittel,“ so eine Art Leitmotiv des Films. Dae-su hört diese Worte von Woo-jin, den er bald nach der Freilassung als seinen Peiniger während der letzten anderthalb Jahrzehnte entlarvt. Wem von beiden er die Rolle des Rächers zubilligt, läßt Woo-jin indes offen. Denn auch ihn treibt tiefer, lange zurückreichender Haß gegen seinen einstigen Schulfreund um. Als Bösewicht füllt Woo-jin seine Aufgabe mit Bravour aus. Er liebt es, sich in Machtspielchen und hitzigen Wortgefechten zu profilieren und wählt am Ende den Freitod. Ohne Zweifel ist es nicht die Geschichte, die „Old boy“ bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes den Großen Preis der Jury einbrachte. Seine gedrängte Inszenierung ist es, seine kompromißlose und schockierende Handlung, die filmischen Intensiverlebnisse.

Konkurrenz für Tarantino?

Immer wieder wurde Parks „Old boy“ mit dem Erfolgsstreifen „Kill Bill“ des US-amerikanischen Starregisseurs Quentin Tarantino verglichen. Sicherlich gibt es bemerkenswerte Ähnlichkeiten, etwa die extensiven Gewaltszenen, die verschachtelte Erzählweise und natürlich das Rachemotiv. Park setzt aber nicht wie Tarantino auf spektakuläre Actionakrobatik, abgehobenen Gangsterjargon und packende Musikeinlagen. Im Mittelpunkt steht bei ihm das Leid seiner vom Schicksal schwer gebeutelten Protagonisten. „Kill Bill“ bietet trotz aller Gewalt den Stoff für einen leicht bekömmlichen Kinoabend, nicht zuletzt durch seine reizvolle Hauptdarstellerin, das Ex-Modell Uma Thurman. Das südkoreanische Rachedrama aber hinterläßt ein beklemmendes Gefühl, ohne daß dieses durch das charmante Lächeln irgendeiner Schönheit aufgebrochen würde. Vielleicht aber wird sich das bald ändern. Hollywood soll sich die Rechte an „Old boy“ bereits gesichert haben für eine Neuverfilmung.

„Old boy“

Südkorea 2003
119 Minuten
Regie: Chan-wook Park
Darsteller: Min-sik Choi, Ji-tae Yoo, Hye-jung Gang, Dae-han Chi

Asien Film

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