Trump verunsichert AsienDONALD TRUMP

Amerikas Machtwechsel verunsichert Asien

Trump verunsichert Asien

Amerikas neuer Präsident Donald Trump markiert eine Zäsur. China soll massiv unter Druck gesetzt, zu Russland dagegen sollen engere Beziehungen geknüpft werden. Das transpazifische Handelsabkommen TPP hat Trump aufgekündigt. Von Japan bis Vietnam suchen politische Eliten nun nach Alternativen. 

Von Wilfried Arz | 05.02.2017

Die USA werden ihren Status als dominierende Supermacht verlieren. Diese Prognose stellt Amerikas Geheimdienst CIA in seinem Bericht über “Globale Trends”. Der Aufstieg neuer Regionalmächte und die Bildung regionaler Wirtschaftsbündnisse erodiert schon seit Jahren die internationale Machtkonfiguration in Asien. China und Russland bleiben Amerikas geopolitische Gegenspieler. Politische Eliten in Beijing und Moskau verweigern ihre Unterordnung unter Amerikas Dominanz. Russland strebt unter Wladimir Putin eine Wiederbelebung als Großmacht an. China soll nach dem Willen von Xi Jinping in das Zentrum der Weltordnung zurückkehren. Steht Amerika vor dem Niedergang?

Amerika in der Systemkrise

Trumps Machtübernahme in Washington fällt in eine Zeit tiefgreifender Strukturprobleme. Amerika wird durch eine krasse Polarisierung zwischen Arm und Reich bestimmt. Landesweite Lohnkürzungen und Sozialabbau sind negative Begleiterscheinungen der Billionen US-Dollar- Rettungsaktion für Amerikas Finanzoligarchie unter der Obama-Regierung.  Die durch weltweite Spekulation in Zahlungsschwierigkeiten geratenen US-Banken wurden mit Steuergeldern vor dem Kollaps  gerettet. Ein Ende der globalen Dollar-Hegemonie scheint nur eine Frage der Zeit. Amerikas Wirtschaft steht auf unsicherem Fundament: De-industrialisierung, hohe Staatsverschuldung, ein chronisches Handelsdefizit und aufgeblähte Rüstungsausgaben rücken das Land in eine prekäre Situation. Steht Amerikas Systemstabilität am Abgrund? 

Amerikas Abstieg verhindern

Amerikas wirtschaftlicher Niedergang scheint vorprogrammiert und beunruhigt Eliten in Politik und Wirtschaft. Trumps Wahlkampfslogan “Make America Great Again!” (Amerika wieder stark machen!) trifft den Nerv einer von Abstiegsängsten geprägten Gesellschaft und ihrer Eliten. Trump verdankt seinen Wahlsieg Millionen von amerikanischen Wählern, die sich als Verlierer der  neoliberalen Globalisierung sehen. Weltweit niedriges Wirtschaftswachstum verschärft den Kampf um Weltmarktanteile. Trump will Amerikas Niedergang als hegemoniale Supermacht verhindern und ergreift die Flucht nach vorn. Trumps Ausstieg aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP und seine Forderungen nach Protektionismus markieren im Kern den Zusammenbruch der neoliberalen Nachkriegsordnung.

China oder Amerika?

In Asien-Pazifik haben Donald Trumps neue außenpolitische Positionen unter politischen Eliten zwischen Tokio und Hanoi einen Schock ausgelöst. Chinas Aufstieg bewirkte in Asien-Pazifik  wirtschaftliche Positionsverluste Amerikas. Beijing und Washington versuchen gleichermaßen Asien-Pazifik durch regionale Handelsbündnisse wirtschaftlich stärker an sich zu binden. Geopolitische Interessengegensätze haben in zwei konkurrierenden Freihandelsprojekten ihren Niederschlag gefunden: das US-zentrierte Freihandelsabkommen TPP (12 Mitgliedstaaten) und das China-zentrierte Freihandelsabkommen RCEP (16 Mitgliedstaaten).

Wirtschaftserfolg durch Protektionismus

Trumps Entscheidung das von der Obama-Regierung ausgehandelte und ratifikationsreife TPP aufzukündigen bietet Beijing Chancen Chinas zentrale Position in Asien-Pazifik zu stärken. In Asien ist der von Trump propagierte Protektionismus keineswegs ein unbekanntes Element nationaler Wirtschaftspolitik. Japan nutzte Protektionismus um sich auf dem Weltmarkt als wettbewerbsfähig zu positionieren, Asiens Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong) diente protektionistische Wirtschaftspolitik zur Stärkung ihrer Position in globalen Produkt- und Wertschöpfungsketten. Auch Chinas wirtschaftlicher Aufstieg wurde von Protektionismus begleitet, ebenso in Vietnam - dem neuen Tigerstaat in Südostasien. In Asien diente Protektionismus somit seit Jahrzehnten als Vehikel für wirtschaftlichen Erfolg.

China droht verschärfte Konfrontation

Amerikas Ausstieg aus der US-zentrierten TPP-Freihandelszone wird in Medien als wirtschaftlicher Vorteil Chinas gedeutet. Trump hat jedoch deutlich gemacht: Amerikas Hauptfeind heißt China. Unruhe dürfte in der kommunistischen Parteielite in Beijing die Drohung von Donald Trump ausgelöst haben, Chinas Exporte in die USA mit hohen Strafzöllen zu belegen und Chinas maritime Souveränitätsansprüche im Südchinesischen Meer  militärisch zu blockieren. Chinas Wirtschaftsmodell bleibt exportorientiert. Ein Handelskonflikt mit Amerika könnte in einen militärischen Schlagabtausch zwischen USA und China münden.

Grundlagen für Amerikas militärischen Konfrontationskurs gegenüber China wurden von der Obama-Regierung (2009-2017) gelegt. Stationierungen von US-Truppen in Japan, Südkorea, auf  Guam und nun wieder auf den Philippinen sowie die Präsenz von Flugzeugträger-Gruppen und Atom-U-Booten bilden ein Kernelement in Amerikas geopolitischer Einkreisungsstrategie der Volksrepublik China. In US-amerikanischen Militärkreisen wird seit Jahren wieder der begrenzte Einsatz von Atomwaffen in Konflikten diskutiert. Donald Trump will Amerikas Militär weiter modernisieren, auch atomar. Asiens Pazifikregion rückt damit beunruhigend näher an einen Konflikt, in dem auch Nuklearwaffen zum Einsatz kommen könnten. 

Produktionszentrum Asien-Pazifik

Neben China sind auch Japan und Südkorea von Konsequenzen des politischen Machtwechsels in Amerika direkt betroffen. Wirtschaftlich eng miteinander verflochten stehen China, Japan und Südkorea selbst im Zentrum globaler Wertschöpfungsketten. Japanische und koreanische Konzerne haben die Produktionsbasis ihrer Industrieprodukte bereits seit Jahren nach Südostasien ausgelagert. Viele amerikanische Unternehmen nutzen China als Produktionsstandort und Absatzmarkt. Chinas niedrige Steuern, Lohnkosten und laxe Umweltgesetze haben diesen US-Konzernen satte Gewinne und Aktionären hohe Renditen gesichert. 

Japan rüstet auf

In politischen Kreisen um den konservativen japanischen Regierungschef Shinzo Abe dürfte Donald Trumps Aufkündigung des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP einen Schock ausgelöst haben. Seit Ende des zweiten Weltkriegs erfüllt Japan eine Schlüsselrolle in Amerikas geopolitischer Einkreisung Chinas. Auf der Insel Okinawa sind 54.000 US-Truppen stationiert. Barak Obama hatte das TPP-Abkommen als wirtschaftliche Flanke seiner anti-chinesischen Agenda konzipiert. Shinzo Abe hoffte das TPP als Katalysator für Japans wirtschaftlichen Aufschwung (nach zwanzig Jahren Stagnation) und eine Schwächung des Rivalen China nutzen zu können.   

Auf den ersten Blick scheint Japan somit als der große Verlierer der US-Präsidentschaftswahlen dazustehen. Nun muss Tokio mit Washington ein bilaterales Handelsabkommen aushandeln. Trumps Forderungen an Japan (und Südkorea) nach höherer Kostenübernahme für US-Militärbasen wird Tokio schultern können. Doch hat Trump Japan auch ermuntert, eigene Atomwaffen anzuschaffen. Bislang wurde Japans Aufrüstung durch die Verfassung (Artikel 9) blockiert. Shinzo Abe verfolgt seit 2012 eine nationalistische Agenda, die im Kern auch Japans Aufrüstung beinhaltet. 2016 verabschiedete Tokios Kabinett Rüstungsausgaben von rund 43 Milliarden US-Dollar. Eine Nuklearrüstung Japans wird Nordostasien weiter zu einem atomaren Pulverfass entwickeln. 

Neuorientierung Vietnams?

In Hanoi dürfte Trumps Aufkündigung des TPP-Handelsabkommens große Überraschung, doch nicht notwendigerweise einhellige Enttäuschung ausgelöst haben. Vietnam versprach sich  durch einen Beitritt zum TPP wirtschaftliche Stärkung. Vietnam wäre der einzige Billiglohnstandort aller 12 TPP-Mitglieder und damit in der Lage gewesen seine Exporte insbesondere in die USA erheblich zu steigern. Bislang besteht kein bilaterales Handelsabkommen zwischen den USA und Vietnam. Vietnams Regierung forciert eine stärkere Ausrichtung des Landes zum Weltmarkt, auch um Vietnams wirtschaftliche Abhängigkeit zu China zu reduzieren. Vietnams Kommunistische Partei hingegen pflegt zu China (ideologisch) starke Bindungen.

Vietnam wird sich nun vermutlich stärker in die China-zentrierte RCEP-Freihandelszone einbinden. Dies würde Vietnam besseren Zugang zu Japan und Südkorea verschaffen, die bereits zu den größten Handelspartnern Vietnams zählen. Eine RCEP-Mitgliedschaft Vietnams dürfte in der kommunistischen Parteielite Hanois somit vielleicht auch mit Erleichterung aufgenommen worden sein. Eine TPP-Mitgliedschaft hätte Vietnam zu Strukturveränderungen gezwungen (Privatisierung von Staatsunternehmen, Recht auf freie Gewerkschaftsbildung), die in internen Diskussionsprozessen auf Parteiebene erhebliche ideologische Magenschmerzen bereitet hatten. 

Asien-Pazifik als Kriegsschauplatz?

Donald Trumps politisches Projekt “Make America Great Again” ist eine populistisch verpackte Antwort auf Amerikas tiefgreifende Strukturprobleme in Wirtschaft und Gesellschaft sowie Amerikas schwindende hegemoniale Position. Neue außenpolitische Akzente (verschärfter Konfrontationskurs gegenüber China, selektive Zusammenarbeit mit Russland) reflektieren Trumps Versuch Amerikas Anspruch als globale Supermacht durch eine protektionistische Wirtschaftspolitik neu zu beleben. In Asien wird Amerikas hegemonialer Anspruch durch regionale Bündnisse (BRICS, Shanghai-Gruppe, Eurasische Union) und finanzpolitische Initiativen (Asiatischer Währungsfond, BRICS-Entwicklungsbank, Asiatische Infrastruktur- und Entwicklungsbank) konfrontiert.

China hat sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch friedliche Integration in die Weltwirtschaft zur global zweitgrößten Wirtschaftsmacht entwickeln und sich eine neue wirtschaftliche Zentralität verschaffen können. Amerikas geopolitische Einkreisungsstrategie Chinas unter US-Präsident Obama zeigt erste Risse (anti-amerikanische Töne auf den Philippinen!). Nun droht Donald Trump Amerika in eine gewaltsame Konfrontation mit dem aufsteigenden China zu führen. Schon einmal diente der Westpazifik als Schauplatz einer blutigen Konfrontation zwischen Amerika und einer aufsteigenden Macht in Ostasien: Japan. Dieser Konflikt wurde 1945 durch den Einsatz von Atombomben beendet.

Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler in Bangkok/Thailand.

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