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Asien bleibt nikotinsüchtig

Asien bleibt nikotinsüchtig

Weltweit rauchen über eine Milliarde Menschen. Tabakhandel ist global ein Milliarden-Geschäft. Tabakkonsum verursacht im Jahr über sechs Millionen Tote. Doch der Zigarettenabsatz schrumpft. Tabakkonzerne reagieren offensiv mit neuen Produkten und Absatzstrategien.

Von Wilfried Arz | 11.06.2018

Tabakindustrie unter Druck

Werbeverbote und rauchfreie Zonen, hohe Steuern und Schockbilder auf Zigarettenschachteln setzen der Tabakindustrie zu. Der Anteil von Rauchern an der Weltbevölkerung ist zwischen 1990 und 2015 um fast ein Drittel auf rund 15 Prozent gesunken. Besonders in Westeuropa und USA schrumpfen Absatzmärkte für Tabakprodukte. Deshalb forcieren Tabakkonzerne ihr ungesundes Geschäftsmodell mit neuen Produkten und offensiven Absatzstrategien: die elektronische Zigarette für Industrieländer und massive Werbung für herkömmliche Zigaretten in Afrika und Asien.

Vier Konzerne dominieren globalen Tabakhandel

Fusionen, Aufkäufe und Privatisierungen haben in letzten Jahren einige Mega-Tabakkonzerne geschaffen. Ohne China, dort wird Tabakhandel durch ein Staatsunternehmen monopolisiert, dominieren heute vier Konzerne den globalen Tabakhandel: Philip Morris International (USA), British American Tobacco (GB), Japan Tobacco (Japan) und Imperial Brands (GB).

Der Handel mit Tabakprodukten ist ein lukratives Milliardengeschäft. Gesundheitlichen Belastungen der Raucher stehen erfolgreiche Bilanzen der Tabakindustrie gegenüber: die vier weltgrößten Tabakkonzerne erzielten Verkaufserlöse von über 100 Milliarden, verbuchten satte Gewinne in zweistelliger  Milliardenhöhe und zahlten Dividenden von rund 15 Milliarden US-Dollar (2016). 

Asien im Fokus der Tabakkonzerne

Umsatzeinbrüche im Westen kompensieren Tabakkonzerne schon seit Jahren verstärkt durch Exporte in Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen. In den Fokus rückt besonders Asien. Dort wird viel geraucht.

Asiens Anteil am globalen Zigarettenkonsum liegt heute bei rund 30 Prozent. China, Indien und Japan stehen an der Spitze - gefolgt von Indonesien, den Philippinen und Vietnam. Tabakkonzerne konzentrieren sich inzwischen gezielt auf die bevölkerungsreiche Region Asien-Pazifik. Dort wächst eine konsumfreudige Mittelklasse und zugleich Perspektiven auf einen profitablen Zukunftsmarkt für Tabakprodukte.

China weltweit führend im Tabakkonsum

Weltweit ist China größter Produzent und Konsument von Tabakprodukten. Offizielle Statistiken beziffern Chinas Raucher auf 316 Millionen, das  entspricht einem Drittel aller Raucher der Welt. Rund 3.000 chinesische Raucher sterben heute pro Tag, 2030 könnten es über als 3 Millionen/Jahr sein. Ausländische Tabakkonzerne haben es im “Reich der Mitte” jedoch schwer, da China seinen hochprofitablen Zigarettenmarkt rigoros abschirmt. Die staatliche China National Tobacco Corporation (CNTC) kontrolliert praktisch den gesamten Tabakmarkt und generierte 2015 Steuerabgaben von 170 Milliarden US-Dollar. Philip Morris und BAT müssen sich bislang mit mageren zwei Prozent des chinesischen Tabakmarktes begnügen.

Indien mit einer Million Rauchertoten

Viel geraucht wird auch in Indien: von rund 1,2 Milliarden Indern qualmen etwa 25 Prozent. Tabakkonsum verursacht mehr als eine Million Tote/Jahr und belastet Indiens Gesundheitswesen jährlich mit 16 Milliarden US-Dollar. Indiens Raucher qualmen allerdings weniger Zigaretten. Beliebter sind Beedis (handgedrehte Laubblätter mit einigen Tabakkrümeln) und Kautabak. Der Zigarettenanteil bewegt sich deshalb bei nur etwa 15 Prozent. Tabakprodukte generieren jährlich 11 Milliarden US-Dollar Umsatz und über 3 Milliarden US-Dollar Steuern. Drei ausländische Tabakkonzerne mischen in Indien mit: Philip Morris, BAT und Japan Tobacco.

Millionen Arbeitsplätze und Kinderarbeit

Als Wirtschaftsfaktor ist Indiens Tabakindustrie landesweit von nicht geringer Bedeutung: mehrere Millionen Menschen finden dort Beschäftigung - vom Tabakanbau über die Verarbeitung bis zum Verkauf.

Ein dunkles Kapitel der Tabakindustrie: weitverbreitete Kinderarbeit, die in Werbebroschüren der Tabakindustrie gern verschwiegen wird.

In Japan sinkt der Tabakkonsum

Kein Mangel an Rauchern herrscht im “Land der aufgehenden Sonne”:
dort ziehen 30 Prozent der 120 Millionen-Bevölkerung regelmäßig am Glimmstengel. Ein gutes Geschäft für Japans halbstaatliches (33 Prozent) Unternehmen Japan Tobacco Corporation (JTC), nach Philip Morris und BAT die Nummer drei im globalen Tabakhandel. Noch werden 60 Prozent des japanischen Zigarettenmarktes von JTC dominiert. Allerdings sinkt der Absatz konventioneller Tabakprodukte in Japan seit Jahren kontinuierlich. Sinkende Umsätze kompensiert Japan Tobacco mit der Vermarktung von Zigaretten außerhalb Japans und erwirtschaftete 2017 einen satten Gewinn von 3,6 Milliarden US-Dollar.

Südostasien: Zukunftsmarkt für Zigaretten

In Südostasiens zehn ASEAN-Staaten leben rund 600 Millionen, meist junge Menschen. Die Zahl der Raucher liegt dort bei etwa 120 Millionen, das entspricht rund zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten Raucher leben (und sterben) in Indonesien, gefolgt von den Philippinen und Vietnam. Den höchsten Anteil an männlichen Rauchern verzeichnet Indonesien (60 Prozent), den niedrigsten Singapur mit 23 Prozent. Im restlichen Südostasien liegt dieser Anteil bei deutlich über 40 Prozent: Laos 56, Vietnam 48, Kambodscha 44, Philippinen 43, Malaysia 43 und Thailand
mit 41 Prozent.

Westliche Konzerne dominieren den Tabakmarkt

Im Gegensatz zu China, Indien und Japan werden in Südostasien Märkte die Märkte für Tabakprodukte von westlichen Tabakkonzernen dominiert. So dominiert British American Tobacco (GB) in Malaysia und Kambodscha. Philip Morris International (USA) kontrolliert dafür hohe Marktanteile auf den Philippinen, in Singapur, Indonesien und Vietnam. Im “Südostasiens Raucherparadies” Laos hingegen hat sich Imperial Brand (GB) eine Monopolstellung durch ein Abkommen mit der Regierung in Vientiane sichern können. Jenseits der Konkurrenz zwischen staatlichen und privaten Tabakkonzernen nimmt die Zahl von Rauchern und Raucherinnen in Asien insgesamt zu.

In Indonesien rauchen über fünf Millionen Kinder

Im Inselstaat mit 240 Millionen Bevölkerung rauchen 65 Millionen (36 Prozent aller Erwachsenen). 60 Prozent der indonesischen Raucher sind erwachsene Männer, nur 4,5 Prozent Frauen. Hinzu kommen über fünf Millionen rauchende Kinder! 2016 wurden 240.000 Rauchertote registriert. Steuereinnahmen durch Tabakprodukte beliefen sich 2017 auf 11 Milliarden US-Dollar. Herkömmliche Filterzigaretten sind bei Indonesiens Rauchern dabei wenig gefragt, hoch im Kurs stehen vielmehr Nelkenzigaretten (Kretek), deren würziger Geruch jedem Besucher Indonesiens in die Nase steigt und Rauchern ihre Nikotinsucht versüßt.

Philippinen mit 30 Millionen Rauchern

Die Fakten: Über 30 Millionen Raucher (ein Bevölkerungsdrittel), davon 500.000 Kinder. 70.000 Rauchertote und rund vier Milliarden US-Dollar nikotinverursachter Gesundheitskosten/Jahr. Bis 2010 beherrschte Fortune Tobacco Corp (FTC) 60 Prozent des philippinischen Tabakmarktes, Philip Morris 28 Prozent. Beide Konkurrenten schlossen sich zu einem joint-venture zusammen und kontrollieren nun gemeinsam 90 Prozent des Tabakmarktes. Besitzer von FTC ist Lucio Tan (80) - mit 4,5 Milliarden US-Dollar-Vermögen (2018) der viertreichste Filipino des Landes. Das Geheimnis für Herrn Tans  stabile Gesundheit im hohen Alter? Nikotinabstinenz.

Vietnam: Staat verdient an Nikotinsucht   

Auch im sozialistischen Vietnam wird kräftig am Glimmstengel gezogen. Dort kontrollieren Staatskonzerne noch immer viele Wirtschaftsbereiche. Der Tabakmarkt wird zu 60 Prozent von der staatlichen VINATABA dominiert, 26 Prozent Marktanteil entfallen auf Philip Morris (USA). Vietnams über 15 Millionen Raucher (davon 120.000 Kinder) geben rund eine Milliarde US-Dollar/Jahr für ihre Nikotinsucht aus. Tabakkonsum offenbart auch in Vietnam eine düstere Kehrseite: zwischen 50.000 und 70.000 Toten/Jahr. Die politische Elite des Landes bietet kein positives Vorbild: weder bei Korruption noch beim Rauchen. Ganz in der  Tradition des rauchenden Revolutionsführer Ho Tschi Minh (1890-1969) finden sich auch heute in höchsten Regierungskreisen viele rauchende Parteifunktionäre.

Ein neue Geschäftsmodell 

Umsatzrückgänge von Tabakprodukten in lukrativen Absatzmärkten in Westeuropa und den USA provozieren Gegenstrategien der Tabakindustrie. Nach Tabakpfeife, Kautabak und Schnupftabak, nach Zigarren und Zigaretten bricht zu Beginn des 21. Jahrhunderts für Raucher nun ein neues Nikotinzeitalter an: Ersatzprodukte versprechen tabakfreien Nikotingenuss. So verdampft die elektronische Zigarette Nikotin-Flüssigkeit statt Tabak. Nikotin wird durch Erhitzen gelöst. Raucher müssen somit keine Verbrennungsgase mehr einatmen. Langfristig soll jedoch ein anderes Produkt herkömmliche Zigaretten ersetzen: Sticks, in denen Tabak nicht verbrannt, sondern erhitzt wird. Damit sollen giftige Schadstoffe wie Formaldehyd, Benzopyren oder Acetaldehyd deutlich niedriger liegen - verspricht die Tabakindustrie.

Neue Produkte, weniger Steuern 

Tabakonzerne vermarkten sich inzwischen als gesundheitsbewusst (!), treten bereits scheinheilig als Gegner ihrer eigenen, herkömmlichen Tabakprodukte auf und werben für den Umstieg auf ihre neuen, angeblich weniger gesundheitsschädlichen e-Zigaretten. Damit nutzt die Tabak-industrie nicht nur das weitgehend etablierte Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein. Mit neuen tabakfreien Produkten lassen sich auch hohe Besteuerungssätze für Tabakprodukte umgehen.  

Trendwende als Etikettenschwindel

Die Tabakindustrie als gesundheitsbewusste Branche? Ein schlechter Witz! Genau dort wollen und werden sich die großen Tabakkonzerne mit ihrer neuen tabakfreien e-Zigarette jedoch positionieren. Marktforscher erwarten global kontinuierlich steigende Absätze für neue Alternativprodukte der Tabakindustrie. Börsenanalytiker rechnen mit weiteren Milliardenumsätzen und satten Dividenden für Aktieninhaber. Offensive Werbestrategien schaffen bereits Grundlagen für eine kollektive Gehirnwäsche unter Nikotinsüchtigen in aller Welt - nicht nur im Zukunftsmarkt Asien.

Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler in Bangkok/Thailand.

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Die Eurasische Karriere des Tabaks

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